Frauen - willige Opfer der Medizin?
Früherkennung, Hormone, Geburtsmedizin auf dem Prüfstand kritischer Wissenschaft
- Wege zu einer zeitgemässen Praxis


Autor: Alastair J. Cunningham 
Keywords: Frauenheilkunde, evidence based medizine, klinische Forschung, Medizinkritik, Patienteninformation, Evaluation, 
Abstract:
Copyright: Texte: Stiftung PARACELSUS HEUTE
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Comment:
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Paracelsus Heute - Stiftung zeitgemässe Praxis und kritische Wissenschaft in der Medizin
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Autoren
Begrüßungen
Die alternde Frau
Die schwarze Madonna/Theater
Die schwangere Frau
Die krebsgefährdete Frau

Prof. James McCormick,
Der regelmässige Gebärmutterhals-Abstrich - Soll man darauf verzichten?
Dr. Richard E. Steele,
Der "Konsensus"-Opportunismus in Politik und Wissenschaft von Brustkrebs-Früherkennungsprogrammen
Dr. Jane Hall,
Versteckte Kosten und vergessene Lebensqualität bei Frauen mit Brustkrebs
Dr. Johannes G. Schmidt,
Krankheitsanfälligkeit und Brustkrebs - Harmlosigkeit der Krebszelle und Merkmale einer mangelnden Selbstheilung
Prof. Alastair J. Cunningham,
Krebspatienten - Ganze Menschen und nicht nur Körper mit Krebszellen
Dr. Bob Flaws,
Die Entwicklung von Brustkrebs in der traditionellen chinesischen Medizin - Lässt sich diese Krankheit vorbeugen?
Moderne Medizin

Krebspatienten - Ganze Menschen und nicht nur Körper mit Krebszellen

(Original-Titel des englischen Vortrags: Treating the whole person to promote healing in cancer patients)

Prof. Alastair J. Cunningham
Ontario Cancer Institute, Toronto/Canada

Ich komme ursprünglich von der Forschung und Immunologie und habe dann zur klinischen Tätigkeit übergewechselt. Ich bin v.a. daran interessiert, eher neue Wege zu gehen und arbeite an einem grossen Krebszentrum in Kanada. Seit einiger Zeit bin ich auch wissenschäftlich tätig und untersuche den Einfluss und die Auswirkungen von psychologischer Arbeit mit Krebspatienten. Wir versuchen, Menschen zu helfen, sich selbst zu helfen und manchmal die Krankheit auch zu überwinden.

Mein Vortrag besteht aus drei Teilen: Erstens ein paar kurzen Bemerkungen in Bezug auf die Tendenz der modernen Medizin, aus dem Patienten ein Opfer zu machen. Im zweiten und ausführlichsten Teil möchte ich über meine Erfahrungen berichten, ein Programm für Krebspatienten zu entwickeln. Ein Programm, das insbesondere Frauen betrifft, weil sie ein stärkeres Interesse dafür haben, sich selbst zu helfen. Und schliesslich möchte ich noch kurz über das Miteinbeziehen der Patienten bei einer solchen Therapie, sich selbst zu behandeln, sprechen.

Das Thema der Konferenz macht mir etwas zu schaffen, weil es ambivalent ist. Frauen als Opfer der modernen Medizin? Viele von uns nutzen die Medizin auch, profitieren von der Medizin, ich eingeschlossen. Ohne chirurgischen Eingriff wäre ich tot und wäre nicht hier. Und einige von Ihnen können vielleicht dasselbe sagen. Es ist jedoch richtig - ich selbst war auch Krebspatient -, dass die moderne Medizin nicht nur aus Frauen, sondern aus uns allen Opfer machte. Sie machte uns passiv, um zu glauben, dass andere verantwortliche sind für unsere Gesundheit. Das ist natürlich oft gesagt worden. Und wir sagen ja auch, dass wir die Politiker haben, die wir verdienen. So kann man auch sagen, dass wir das Gesundheitssystem haben, das wir verdienen.
 

Östliches und westliches Verstehen

Ich möchte eine allgemeine Unterscheidung machen zwischen zwei Arten, die Welt zu sehen. Erstens, alles ist getrennt voneinander. Und zweitens, alles hängt miteinander zusammen. Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Philosophien, die auch zu verschiedenen Lebensstilen führen und zu einer anderen Auffassung in fast allen Bereichen. Im Westen tendieren wir zum ersten Axiom: Alles ist voneinander getrennt. Diese Denkweise gefällt uns, weil hier die Dominanz, die Kontrolle betont wird. Andere Personen kontrollieren, die Umwelt kontrollieren bedeutet, dass wir mächtig sind. In der Wissenschaft führt dies zum Reduktionismus. Es ist die Vorstellung, dass man etwas versteht, wenn man es auf den kleinsten Nenner bringt, den man noch verstehen kann. Das führt zum Determinismus und wurde als Philosophie diskreditiert. Aber es ist noch weit verbreitet.

Auch in der medzinischen Forschung ist heute z.B. die Ansicht verbreitet, dass man das Krebsgeschehen mittels genetischer Analyse begreifen könnte. Man hört oft, dass Krebs eine genetisch bedingte Krankheit sei. Das ist eine absurde Aussage. Als Philosophie des Getrenntseins führt es in der Medizin zur Behandlung von einzelnen, voneinander getrennten Teilen des Körpers und nicht mehr des ganzen Menschen. Der Patient wird zu einem Sammelsurium von einzelnen Bestandteilen, die man dann betrachtet. Das ist nicht immer nur schlecht und kann sogar in manchen Fällen erfolgreich sein. Aber bei chronischen Krankheiten, einschliesslich Krebs, funktioniert es im allgemeinen nicht. Wir müssen den Patienten insgesamt sehen. Es funktioniert auch nicht als gesellschaftliche Weltanschauung.

Wie sieht nun die andere Philosophie aus? Die Tatsache, dass alles miteinander zusammenhängt? Es ist eine holistische Auffassung und eher charakteristisch für die asiatische, die östliche Philosophie, obwohl nicht ausschliesslich. Alle unsere Teile, auch die Umwelt, sind Teile eines Ganzen. Wenn man eines verändert, verändert man alles. Wenn man einen Grashalm abreisst, verändert man sozusagen das Universum. Die Kontrolle ist unter diesen Voraussetzungen wesentlich weniger offensichtlich oder relevant. Wir müssen lernen, miteinander zu leben, auch mit Unsicherheit, um harmonisch leben zu können. Wir kennen nie alle Faktoren, die einen Einfluss ausüben. Die Wissenschaft, die hier hereinpasst, ist eine ganze andere. Die Kausalität ist bedeutungslos. Es ist ein Gewebe von Ursachen, nicht eine einzige Ursache. Produktionismus ist nicht mehr angebracht. Man wird stattdessen versuchen, die Beziehungen untereinander zu verstehen. Intuition und Erfahrung z.B., früher ausschliesslich weibliche Eigenschaften, gewinnen in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Die chinesische Medizin ist von dieser Philosophie stark geprägt und unterscheidet sich daher sehr von der westlichen Medizin. Sie beschäftigt sich z.B. auch mit dem Energiefluss, der Aufrechterhaltung des Energieflusses im Menschen und zwischen dem Menschen und seinem Umfeld. Das ist vielleicht eine wirkungsvollere Art und Weise, Krankheit zu sehen und Krankheit auch zu heilen.
 

Healing Journey

Ich komme nun zum zweiten Teil, der Beschreibung des Programms, das ich in den letzten Jahren für Krebspatienten entwickelt habe. Es baut auf der zweiten Philosophie auf, also der Verbindung der Dinge miteinander. Wir wollen den Patienten, die eine lebensbedrohende Krankheit haben, helfen. Wir wollen sie nicht als Opfer hinstellen, sondern als einen kleinen und vitalen Bestandteil eines liebenden Universums. Wenn man diese Therapie ernst nimmt, ist sie durchaus erfolgreich. Es gibt Fälle, die sogar geheilt werden. Erfahrungsgemäss waren es meistens Frauen. Ich weiss nicht, woran das liegt. Aber es liegt wahrscheinlich an der Flexibilität und der Bereitschaft der Frauen, neue Dinge auszuprobieren, an ihrer Fähigkeit, eher auf den eigenen Körper zu hören. Vielleicht hängt das auch mit ihrer Gebärfähigkeit zusammen. Bei den Frauen ist auch weniger Arroganz vorhanden, als bei den Männern.

Es ist aber notwendig, aktiv zu sein und nicht passiv (siehe Abbildung 1). Für diese Art Therapie ist es wichtig, dass man bereit und willens ist, etwas Neues zu tun. Das ist eigentlich klar. Denn wenn ein Krebs sich in einem Körper ausbreitet, dann wird er sich natürlich in dem Organismus ausbreiten, den er vorfindet. Wenn man diesem Prozess Einhalt gebieten will, muss man das Umfeld, also den Körper beeinflussen und ändern, damit der Krebs nicht mehr so fortschreiten kann wie bisher. Man sollte nicht Hilfe von aussen, also vom Arzt erwarten, sondern man muss in sich hineinhören, hineinsehen, seelisch eindringen.

Dieses Bild hier (Abbildung 2) ist die Heilungs-Reise, wie ich es nenne. Diese Reise führt, in den geistlichen Traditionen in Ost und West, zu Selbstentwicklung. Wir kennen das aus der Mythologie: Die Macht des Helden ist die Macht dessen, der sich selbst zu helfen weiss. Man findet diese Vorstellung auch in anderen Kulturkreisen, und sie ist auch unter aufgekläten Medizinern verbreitet. Auch Carl Gustav Jung z.B. und natürlich Paracelsus vertraten diese Auffassung. Reflektierende Menschen überall auf der Welt empfinden das ähnlich. Denn man sucht nach dem Sinn des Lebens, nach der Natur, nach diesem Ziel. Und all das ist auch ein Heilungsprozess.

Unten auf dem Bild ist eine Schleife eingezeichnet, unwillkürliches, d.h. unbewusstes Leben. Eine Krise wie z.B. Krebs findet links statt. Durch diese Explosion, durch dieses Erschrecken werden wir in eine andere Sphäre des Bewusstseins katapultiert. Und dann sind wir plötzlich in der Lage, die Dinge anders zu sehen. Wir haben andere Prioritäten. Vielleicht werden wir diesen neuen Bewusstseinszustand wieder verlieren und wieder ins Verdrängen zurückfallen. Oder wir gehen weiter auf dieser Reise, nach oben. Man sieht das immer wieder bei Patienten, die mit ihrer Krankheit kämpfen.

Die erste Stufe besteht also darin, Kontrolle zu übernehmen. Das setzt aber Anerkennung der bestehenden Gefahr, der Bedrohung voraus. Nicht alle Menschen sind in der Lage, dies zu erkennen. Sie machen sich vor, dass alles in Ordnung sei. Die Wahrnehmung der Bedrohung ist also sehr wichtig. Dann ist man auch in der Lage, einige Strategien zu entwickeln und andere Wege einzuschlagen, mit Hilfe von Methoden, die es schon seit tausend Jahren gibt. Entspannung, Meditation z.B. sind nützliche Methoden auf diesem Weg. Das ist aber noch nicht das Ende des Weges.

An einem gewissen Punkt geschieht eine Veränderung hin zu einer Verinnerlichung, ein Bewusstwerden darüber, welches unsere Antriebskräfte, unsere Kräfte überhaupt sind. Ein grosser Teil besteht darin, sich zu beherrschen, es immer wieder zu versuchen, immer wieder weiter zu machen. Das ist immer noch nicht das Ende des Weges.

Es gibt noch einen dritten Teil dieses Weges: Das Erforschen der Bedeutung, die Frage nach dem Sinn des Lebens. Das erlebt man in der Beziehung zu anderen Dingen, mit anderen Personen, in Verbindung mit der Natur. Mit Vorstellungen von Gott, universellem Verständnis oder universeller Intelligenz, was immer man als Ausdruck wählt. Der dritte Teil dieser Reise besteht also darin, einen Sinn zu finden. Und Prozesse wie
Meditation, Nachdenken können zu innerem Frieden führen. Viele von Ihnen hier kennen das alles schon, intuitiv oder aus eigener Erfahrung.
 

Entwicklung des Programms

Das Ziel meiner Arbeit besteht darin, einen wissenschaftlichen Ansatz zu entwickeln. Ich möchte einige von den genannten Punkten so dokumentieren, damit man dieses Wissen auch auf eine breitere Bevölkerung anwenden kann oder damit jeder, der sich dafür interessiert, auch Zugang dazu hat. Wir wollen also eine praktikable Therapie entwickeln und deren Wirkung auswerten. Wir konzentrieren uns jetzt 'mal auf Krebs. Wie Tabelle 1 zeigt, ist Ziel der Untersuchung, relativ intensive Interventionen für eine optimale Anpassung zu entwickeln, um gegen das Fortschreiten der Krankheit vorzugehen und dann anhand qualitativer Forschungsmethoden eine Bewertung vorzunehmen. Als nächstes folgen dann Langzeitstudien, und anschliessend wollen wir diese psychologischen Veränderungen mit dem Fortschreiten oder der Entwicklung der Krankheit in Verbindung setzen.

Punkt 3 ist nicht der wichtigste Punkt, aber die einzige Möglichkeit eines Nachweises, um das bisherige System wirklich in Frage zu stellen. Und Hinweise und Anhaltspunkte in Bezug auf die Lebensqualität von Krebspatienten gibt es, und sie können auch aufgezeigt werden. Und sie werden grosse Veränderungen im bisherigen Behandlungssystem hervorrufen.

Wir haben diese Programme seit ca. 15 Jahren bei Krebspatienten und ihren Familien durchgeführt und konnten nachweisen, dass diese Therapieprogramme die Lebensqualität der Patienten verbessert hat. Heutzutage leben die Menschen ja länger. Sie haben deswegen auch eine grössere Chance, ihre Krankheit zu beeinflussen. Seit 1988 arbeite ich mit Langzeit-Patienten. Wir haben sehr viel experimentiert, weil in der Literatur nur sehr wenig darüber geschrieben wurde, was uns hätte weiterhelfen können. Bei diesen Gruppen konnte aber bis 1993 ein relativ stabiler Zustand erreicht werden. Die Art unseres Vorgehens möchte ich im folgenden nun beschreiben (Tabelle 2):

Im ersten Jahr treffen sich wöchentlich kleinere Gruppen von vier bis sieben Personen während zweieinhalb Stunden. Vorgängig findet ein Wochenendkurs statt, wo Fähigkeiten wie Entspannung oder Meditation geübt werden oder einfach über die eigenen Erfahrungen gesprochen wird. Während dieses Jahres werden nach einem, sechs und zwölf Monaten mit jedem einzelnen Teilnehmer individuelle Gespräche geführt. Nach Ablauf dieses Jahres wollen die meisten weitermachen, und sie kommen dann zweiwöchentlich in einer fortgeschrittenen Gruppe zusammen. Die Leute treffen sich in einem eher familiären und gemütlichen Rahmen, also nicht unbedingt im Krankenhaus, und man sitzt gemütlich beisammen. Es ist etwas ganz anderes sich so zu setzen, als wenn man auf einem steifen Stuhl sitzt. Man entspannt sich leichter und ist eher bereit, miteinander zu reden. Wir haben auch eine kleine Bibliothek. Die Personen in diesen Gruppen lesen sehr viel und leihen auch Bücher aus.

Wir erklären den Teilnehmern das Vorgehen und zeigen die verschiedenen Ebenen der Persönlichkeit auf. Dies ist ein vereinfachtes semiotisches Modell (Abbildung 3). Es scheint von den Patienten noch leicht verstanden zu werden. Die verschiedenen Ebenen wie körperliches
Bewusstsein; bewusster Geist, unbewusster Geist; die soziale Ebene - wir alle sind Teil der Gesellschaft; die existentielle Ebene - die geistig-spirituelle Ebene, das Gefühl, dass man zu etwas Grösserem gehört. Der Krebs ist hier in der Mitte als A eingezeichnet. Man könnte Krebs vielleicht aber präziser als ein System darstellen, und zwar auf allen Ebenen, mit B gekennzeichnet. Das Modell zeigt, dass man auf allen Ebenen des Menschen Einfluss nehmen kann. Die Therapie, die wir entwickeln, ist einfach. Wir versuchen, eine Verbindung zwischen allen Ebenen herzustellen. Ein Bewusstwerden darüber, was auf den verschiedenen Ebenen unserer Persönlichkeit geschieht, z.B. unser persönliches Verhalten, unsere Beziehung und der Umgang mit der Natur, spirituelle Dinge. Und um auf diesen Ebenen Einfluss zu nehmen, geben wir Anweisungen, was man für die eigene Gesundheit tun kann.

Was geschieht an diesen Zusammenkünften? Wie Tabelle 3 zeigt, ist die gegenseitige Unterstützung sehr wichtig, was zu einem pädagogischen Prozess führt. Die gegenseitige Inspiration, z.B. wünschenswertes oder nachahmenswertes Verhalten. Der Ausbildungs-Aspekt von zwanzig Wochensitzungen und zusätzlicher Arbeit zu Hause. Und dann die Komponente Therapie. Diese drei Komponenten sind sehr wichtig.

Die Komponente Therapie ist die Überprüfung oder Hinterfragung von Gewohnheiten, der Lebensführung oder Einstellung zum Leben. Wenn sich jemand beispielsweise immer chronisch unterschätzt, wird das den eigenen Lebenswillen beeinträchtigen. Und darauf muss man diese Person hinweisen. Normalerweise muss das jemand anders tun, damit sie es selbst erkennen und dann beschliessen kann, sich zu ändern oder nicht. Oder eine andere Person ist sehr rigide, ängstlich. Auch eine solche Einstellung kann natürlich Veränderungen erschweren oder verzögern. Solche Muster müssen aufgebrochen werden, damit die Person für etwas Neues bereit und aufgeschlossen wird und eine Veränderung möglich wird. Man kann also nur auf gewisse Schwierigkeiten hinweisen, und das genügt bereits, damit sich das Individuum verändern kann. Manche wollen sich auch gar nicht verändern. Es gelingt auch nicht immer, solche tiefverwurzelten Komplexe aufzubrechen. Aber etwas wirkt immer: Die Angst vor dem Tod. Das kann ein sehr starkes Motiv für eine radikale Veränderung sein.
 

Forschungs-Ansätze

Abbildung 4 zeigt eine Unterscheidung in randomisiert kontrollierte Studien (RCT) und qualitative Analysen. Einige Vorbehalte bezüglich der ersteren Methode wurden von Jane Hall bereits dargelegt. Der Vorteil von RCTs ist, dass eine relativ verlässliche Antwort auf eine einfache Frage erzielt werden kann. D.h., ob etwas, was man behauptet, für eine begrenzte Anzahl von Personen zutrifft. Die Grenzen oder Nachteile dieser Untersuchungsmethode sind ebenfalls bekannt. Wenn man nur einen Teil, eine Auswahl einer Bevölkerung untersucht - und das ist ja nur eine Untergruppe - und dann verschiedene Gruppen miteinander vergleicht, kann das Resultat verfälscht werden.

Es gab verschiedene Untersuchungen von Untergruppen die zeigten, dass psychosoziale Interventionen das Leben verlängern können. Es gab auch einen negativen, ein methodologisch nicht sehr guter Versuch, den Sie vielleicht nicht kennen. Man untersuchte eine kleine Gruppe und hat versucht, frühere Ergebnisse zu wie-
derholen, was nicht geklappt hat. Ich denke, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren weitere Ergebnisse haben werden, wovon einige positiv und andere negativ ausfallen werden.

Es müssen aber noch weitere Analysen durchgeführt werden, nämlich qualitative Analysen. D.h. einzelne Fälle müssen anhand ihrer Biographie, Vorgeschichte und Entwicklung untersucht und die Veränderungen über einen gewissen Zeitraum aufgezeichnet werden. Man will natürlich wissen, was in dem einzelnen Patienten, der eine Bessserung, einen Heilungsprozess erlebt, vor sich geht All diese Dinge zusammengenommen können uns dann helfen, diese Phänomene besser zu verstehen. Und das muss dann auch in die breite Bevölkerung getragen werden, damit die Überzeugung entstehen kann, dass Arbeit an sich selbst tatsächlich zu Besserungen des Gesundheitszustandes führen kann.

Ein weiterer Grund für qualitative Untersuchungen war, dass ich die psychologischen Mechanismen im einzelnen untersuchen wollte, was bei einem Gruppenvergleich nicht möglich ist. Diese Untersuchung steht aber erst am Anfang. Wir arbeiten hauptsächlich mit unheilbar Kranken, so dass eine Verbesserung wirklich höchstens auf diese neue Methode zurückzuführen ist und nicht auf andere medizinische Einflüsse.

In Tabelle 4 ist das Auswertungs-Verfahren dargestellt: Zuerst werden Fragebögen zur Selbstauswertung verteilt und ausgefüllt. Dann wird die Heilungsreise aufgezeigt. Wir werden darauf noch zurückkommen. Mittels Datenverarbeitung können wir dann eine qualitative Analyse durchführen. Dann werden die Notizen des Therapeuten und meist auch meine eigenen oder die Notizen aus Befragungen und Gesprächen ausgewertet. Und zusätzlich auch die Ergebnisse der sehr intensiven Arbeit, die die Patienten zu Hause durchführen, z.B. die Beschreibung ihres Zustandes und ihrer Entwicklung. Die Patienten schreiben beispielsweise täglich eine Seite darüber, wie sie sich fühlen, ob sie sich verändert haben, wie ihr Gesundheitszustand ist usw. Es sind meistens therapeutische Standardfragen. Diese Arbeit zu Hause bedeutet auch, dass die Patienten begreifen, dass es ihre eigene Arbeit ist, ihr eigenes Tun wichtig ist, und dass es nicht etwas ist, was der Arzt für sie tut.

Die einzelnen Rubriken sind nochmals in die verschiedenen Ebenen, z.B. die Körperebene, die Bewusstseinsebene usw. unterteilt (Abbildung 5). Es ist interessant festzustellen, wo sich die Person auf dieser Landkarte situiert, ob eher links oder dann im Verlaufe des Prozesses rechts. Für den Therapeuten ist das ein sehr nützliches Werkzeug, weil er dadurch eine grobe Einschätzung vornehmen kann. Und es ist auch eine Hilfe für den Patienten selbst, der diese Arbeit leistet.

Wie sieht das im einzelnen aus? Siehe Abbildung 6: Zunächst also das Bewusstsein, die zweite Reihe: Das Bewusstsein 1A, die Bedrohung anzuerkennen. Sich Informationen zu besorgen, zu lesen und ein gewisses Vertrauen aufzubringen, in das Potential, sich selbst zu helfen. Die Personen, die unter 1B eingereiht werden - diese Entscheidung geschieht aufgrund von Befragungen oder Gesprächen mit Patienten - beginnen mit dem Niederschreiben der eigenen Gedanken. Gibt es beispielsweise weiterhin irgend eine negative Einstellung? In 1C ist jemand, der ebenfalls die psychologische Reise angetreten und eine gewisse Zielsetzung hat.

Es liegen vorerst nur vorläufige Ergebnisse vor. Es scheint gegenwärtig eine beachtliche Korrelation zwi-
schen dem psychologischen Fortschritt, den die Patienten gemacht haben und ihrem medizinischen Fortschritt zu bestehen. Einzelfälle zeigen folgendes: Bei einer Frau mit Brustkrebs und zwei Personen mit malignem Malenoma ist ohne medizinische Behandlung eine Besserung eingetreten. Eine Frau, der man noch drei Monate Lebenszeit vorausgesagt hat, fühlt sich bereits seit zwei Jahren ganz gut.

Ich komme zum Schluss. Wenn sich diese Art von Therapie als hilfreich erweist für die Patienten - und das muss erst noch wissenschaftlich gesichert und belegt werden, klinische Hinweise haben wir bereits -, werden wohl einige Fragen im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen auftreten.
(1) Zunächst einmal die Bedeutung der persönlichen Verantwortung. Die meisten Krankheiten entstehen ja auch aus persönlichen Verhaltensweisen heraus. Die persönliche Verantwortung ist demzufolge sehr wichtig, sowohl für die Prävention, wie auch für die Heilung. Und ich glaube, dass die persönliche Verantwortung auch in der Behandlung einen wichtigen Punkt darstellt und berücksichtigt werden sollte. Nicht nur die Prävention, auch die Ausbildung wird daher eine zentrale Aufgabe sein. Die Aufgabe, den Menschen zu helfen, mit Krankheit zu leben. Und vielleicht auch zu helfen, diese Krankheit in einem Ruhezustand zu halten.
(2) Die Deutung von gewissen Anzeichen ist ebenfalls sehr wichtig. Das müssen die Menschen erst wieder
lernen, und sie müssen ihre eigenen seelischen Vorgänge kontrollieren können.
(3) Wir brauchen auch verschiedene Theorien, um der der Wirkung dieser Therapie zum Durchbruch zu verhelfen. Wir brauchen bio-semiotische Theorien. Hannes Pauli aus Bern z.B. hat darüber geschrieben.
(4) Dann brauchen wir eine geistige Dimension, die Frage nach dem Sinn des Lebens. Das ist nicht unbedingt religiös zu verstehen, sondern geistig.
(5) Es gibt in der Psychotherapie eine Tendenz, immer spezifischer zu werden. Man sollte diese Dinge aber etwas ganzheitlicher betrachten. Wir brauchen Therapien die versuchen, Konflikt und Dysharmonie auszugleichen. Es sollte vermehrt die Tatsache, dass die Dinge miteinander zusammenhängen, erforscht werden. In vielen Kulturen ist das eine sehr alte Idee.
(6) Phantasie, Bildhaftigkeit. Phänomene ausserhalb des Newton'schen Weltbildes. Ich habe vieles gehört und auch Berührung mit übersinnlichen Erfahrungen gemacht. Solche Dinge gibt es. Das sollte alles verwendet werden.
(7) Und schliesslich kann diese Therapie als ein Modell für Verhalten in einem weiteren Umfeld dienen. Es gibt nicht wirklich eine Grenze zwischen dem Selbst und dem Anderen. Wir sind verbunden mit anderen. Das Gute mit dem Bösen, der Einzelne mit der Gesellschaft. Das Ideale ist, dass alle harmonisch leben und sich gegenseitig helfen. Und das muss auch Niederschlag im Gesundheitssystem finden.

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