Frauen - willige Opfer der Medizin?
Früherkennung, Hormone, Geburtsmedizin auf dem Prüfstand kritischer Wissenschaft
- Wege zu einer zeitgemässen Praxis


Autor: James McCormick
Keywords: Frauenheilkunde, evidence based medizine, klinische Forschung, Medizinkritik, Patienteninformation, Evaluation, Gebärmutterhalskrebs
Abstract:
Copyright: Texte: Stiftung PARACELSUS HEUTE
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Autoren
Begrüßungen
Die alternde Frau
Die schwarze Madonna/Theater
Die schwangere Frau
Die krebsgefährdete Frau

Prof. James McCormick,
Der regelmässige Gebärmutterhals-Abstrich - Soll man darauf verzichten?
Dr. Richard E. Steele,
Der "Konsensus"-Opportunismus in Politik und Wissenschaft von Brustkrebs-Früherkennungsprogrammen
Dr. Jane Hall,
Versteckte Kosten und vergessene Lebensqualität bei Frauen mit Brustkrebs
Dr. Johannes G. Schmidt,
Krankheitsanfälligkeit und Brustkrebs - Harmlosigkeit der Krebszelle und Merkmale einer mangelnden Selbstheilung
Prof. Alastair J. Cunningham,
Krebspatienten - Ganze Menschen und nicht nur Körper mit Krebszellen
Dr. Bob Flaws,
Die Entwicklung von Brustkrebs in der traditionellen chinesischen Medizin - Lässt sich diese Krankheit vorbeugen?
Moderne Medizin

Der regelmässige Gebärmutterhals-Abstrich - Soll man darauf verzichten?

Von D. Rosenmund erstelltes und Überarbeitetes Transskript der Tonbandaufnahme (Simultan-Übersetzung). Text durchgesehen und teilweise korrigiert von J.G. Schmidt. Verantwortlich: Stiftung Paracelsus Heute
(Original-Titel des englischen Vortrags: Screening for cancer of the cervix uteri - A questionable practice)

Prof. James McCormick
Department of Community Health, Trinity College, University of Dublin/Ireland
 

In den Vereinigten Staaten ist die Sterblichkeit an Gebärmutterhalskrebs seit 1955 zurückgegangen; dies zeigt Abbildung 1. Und es ist ziemlich sicher, dass die Gruppen älterer Frauen, bei der ein sehr starker Rückgang zu verzeichnen ist, nie regelmässig untersucht worden ist.

In Abbildung 2 sind jüngere Daten von Dr. Raffle, die heute aus Bristol/England zu uns gekommen ist. Die Zahlen bei älteren Patientinnen hier oben: Recht stabil. Aber doch häufigeres Vorkommen bei älteren Patientinnen als bei jungen Frauen.
 

Gut gemeinte Vorsorge-Programme

All dies hat damit angefangen, als man den Pap-Krebsabstrich entdeckt hat, und weil Gynäkologen und auch andere bedrückt waren durch die Tatsache, dass Frauen an dieser Krankheit sterben und man dies möglicherweise verhindern könnte. Und es wurde mehr oder weniger suggeriert, dass Frauen Vorsorgeuntersuchungen vornehmen lassen sollten, weil sie sonst eine Krankheit bekommen könnten, die tödlich ist. Im Unterschied zum Brustkrebs ist ein Zervixkarzinom selten.

In Abbildung 3 sind kanadische Angaben. In British Columbia begann man die Abstriche sehr regelmässig durchzuführen, und die Sterblichkeitsrate ging dann auch zur grossen Freude zurück. Wenn man sich die anderen Provinzen Kanadas ansieht, wo solche Vorsorgeuntersuchungen nur selten oder gar nicht stattfanden, zeichnet sich aber dasselbe Phänomen ab, ein Rückgang fand genauso statt. Dies führt zu zwei Vermutungen: Einmal, man sollte Studien über Säkulartendenzen (über natürliche Veränderungen) gegenüber immer Misstrauen entgegenbringen. Insbesondere dann, wenn im Verlaufe der Kurve starke Schwankungen auftreten. Wie Sie sehen, war ein Rückgang der Mortalität festzustellen, ob nun Vorsorgeuntersuchungen stattfanden oder nicht.

Wir haben insofern ein Problem, dass es keine randomisierten Studien gibt. Der ziemlich weit verbreiteten Auffassung, dass es ethisch nicht haltbar wäre, vergleichende Studien mit und ohne regelmässigen Abstrich durchzuführen, stimme ich nicht zu. Aber solche Studien wären nicht zweckmässig, obschon einige Kreise der Meinung sind, dass diese ethisch vertretbar wäre. Solche Studien sind unethisch, weil wir schon heute wissen, dass ein allgemeines Früherkennungsprogramm in der breiten Bevölkerung mehr Schaden als Nutzen anrichtet.

Die meisten von Ihnen werden diese Kriterien für Vorsorgeuntersuchungen kennen, wie sie in Tabelle 1 gezeigt sind. Sie sind allgemein anerkannt und niemand hätte je gesagt, dass sie sinnlos, unbrauchbar, falsch oder unangebracht seien. Nun zu der Krankheit (Disease): Das Zervixkarzinom ist nicht eine sehr weit verbreitete Krankheit, zumindest nicht in den reichen Gegenden dieser Welt. Als Gynäkologe treffen Sie es vielleicht an, aber als Allgemeinpraktiker werden Sie sicherlich sagen, dass es keine häufige Krankheit ist. Es ist eine schwere Krankheit, und der natürliche Verlauf ist nicht bekannt. Und das ist eines der Probleme. Wir kennen den natürlichen Verlauf abnormer Befunde und ihr Fortschreiten nicht und wissen deshalb nicht genau, was wir damit anfangen sollen, wenn ein Abstrich ein solches Resultat ergibt.

Die Durchführung des Abstrichs (Test) sind nicht besonders problemlos, speziell nicht für ältere Frauen. Sie sind für keine Frau angenehm, insbesondere wenn sie von einem männlichen Arzt durchgeführt werden. Sie sind auch nicht billig. Sie sind auch nicht zuverlässig oder spezifisch. Sie sind nicht weiter schmerzhaft, aber gewisse Risiken sind doch damit verbunden. Es gibt bei diesen Abstrichen auch grosse technische Probleme. Es sind zwar verschiedene Spateln entworfen worden, aber es bleiben immer noch Probleme mit der Fixation. Und vor allen Dingen ergeben sich enorme Probleme bei der Interpretation der Proben.
 

Abstrich ist viel zu ungenau

Als ich Medizinstudent war, und auch noch Jahre später, war ich überzeugt, dass die Histopathologie eine Art Goldstandard sei. Ich meinte, dass der Pathologe immer feststellen kann, was falsch läuft, wenn er Proben untersucht. Ich habe nie in Frage gestellt oder vermutet, dass es bei der Interpretation dieser Proben so etwas wie Subjektivität geben könnte. Vor einigen Jahren wurde im British Medical Journal ein wichtiger Artikel publiziert. Man hatte in einer Blindauswertung Proben zur Befundung bereitgestellt. Und da konnte man doch gewisse Unterschiede feststellen. Die Übereinstimmung in Bezug auf geringe Veränderungen war kläglich, 13%. Die starken pathologischen Veränderungen, z.B. CIN III und invasiver Krebs, erreichten nur etwa 18% Übereinstimmung. Eine Histophatologie, die so weit entfernt von einer exakten Wissenschaft ist, ist eine sehr subjektive Wissenschaft.

Hier ein Vergleich zwischen Histologie und Zytologie (Tabelle 2). Sehen Sie sich die Unterschiede an: Negativer Abstrich und in der Histologie CIN III/invasives Krebswachstum. Die Schlussfolgerung ist auf den ersten Blick vielleicht schwer zu erkennen. Aber ich möchte nur sagen, dass Zytologie und Histologie in sehr wenigen Fällen übereinstimmen und weit entfernt sind von Perfektion. Die Zytologie weist auf Normalität, während aufgrund des histologischen Befundes eine ernsthafte Abnormität vorliegt.

Schauen Sie auf Abbildung 4. Es ist ein beängstigendes Beispiel aus Grossbritannien. Die Daten zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, einen pathologischen Abstrich zu haben, davon abhängt, wo Sie leben. Das ist eine weitere Illustration der ausserordentlichen Subjektivität und mangelnden Genauigkeit der Zytologie.

Nochmals eine Abbildung von Doktor Raffle und ihren Kollegen (Abbildung 5): Erstauftreten von schwerer Dyskariosis, mässiger Dyskariosis und von Grenzbefunden, aufgeteilt nach Altersgruppen und nach zwei unterschiedlichen Zeitperioden (1981-86 / 1988-93). Was auffällt ist diese Zunahme bei jungen Frauen bei B (mässige Dyskariosis) und C (Grenzbefunde). Diese aussergewöhnliche Zunahme registrierter Fälle in der Periode 1988-93! Was bedeutet das? Es bedeutet, dass einer grossen Anzahl insbesondere jüngeren Frauen gesagt wurde, dass der Abstrich nicht gut ausgefallen ist und etwas nicht stimmt. Es gibt sehr viele veröffentlichte Daten die zeigen, dass dies für die Mehrheit der Frauen eine wirklich schockierende Nachricht ist, die zu Angstzuständen führt, zu einem Verlust an Libido und zu Depressionen. Wir praktizierenden Ärzte haben selbst erfahren, welche Angstzustände das bei den Frauen auslöst. Und dann kommt noch ein wirklich schwerwiegendes Problem dazu. Wenn diese Patientinnen dann an Gynäkologen weiterverwiesen werden, dann wissen diese nicht, was sie mit diesem Abstrich-Ergebnis anfangen sollen. Wie die Frau behandelt wird, hängt eigentlich von der Einstellung des jeweiligen Gynäkologen ab. Er sagt vielleicht: «Meine Liebe, Sie haben nichts zu befürchten, wir wollen den Abstrich lediglich in 6 Monaten wiederholen.» Das ist wirklich tröstlich, das ist ermutigend! Oder ein Gynäkologe tut gar nichts. Oder es wird eine Totaloperation, eine Hysterektomie empfohlen, nur um auf sicher zu gehen. Dieses Sichergehen ist ein wirklich massgebender Grund für iatrogene, d.h. durch ärztliche Einwirkung verursachte Schäden, die damit angerichtet werden. Und dieses Sichergehen ist eine höchst gefährliche Sache.

Die Realität ist aber, dass wir die natürliche Entstehungsgeschichte dieser Krankheit nicht kennen und daher nicht wissen, was wir mit geringfügigen Abweichungen anfangen sollen. Eine Kollegin und Freundin, die als praktische Ärztin in Cardiff arbeitet, hat im British Journal of General Practice zwei aussergewöhnliche Artikel veröffentlicht. Es ist eine Zeitschrift des Royal College und ist nicht sehr weit verbreitet. Im ersten Artikel hat sie den Nachweis erbracht, dass Frauen (in Süd-Wales) der Ärztin - wenn es also eine Frau ist - sagen, wieviele sexuelle Partner sie haben. Der zweite Artikel war wirklich aufrüttelnd. Denn sie hat aufgrund der epidemiologischen Daten, die sie gesammelt hat, eine Skala der Risiko-Faktoren aufgestellt (Tabelle 3). Wenn man keine höhere Ausbildung (A level or higher) hatte, hat man 1 Punkt bekommen. Wenn man rauchte, ebenfalls 1 Punkt usw. Wenn man während mehr als fünf Jahren nur einen Partner hatte 0, zwei Partner 1, drei oder mehr Partner 2. Das schlechteste Resultat, das man bekommen konnte, war das Ergebnis von 6. Sie hat dann vernünftigerweise gesagt, dass die Ergebnisse von 0 bis 3 ein sehr niedriges Risiko darstellten und die Ergebnisse darüber ein niedriges Risiko. Das war natürlich sehr erfrischend. Ein Epidemiologe, der dasselbe gemacht hätte, hätte von 0 bis 3 niedriges Risiko gesagt und über 3 hohes Risiko. Aber sie sagte bei mehr als 3 lediglich niedriges Risiko. Nachdem sie diese Einteilung vorgenommen hatte, hat sie diese auf die Ergebnisse der Abstriche ihrer Patientinnen angewandt, wie Tabelle 4 zeigt. Das sieht kompliziert aus, ist es aber nicht. Hier sind die Niedrig-Risiko-Patientinnen. Dyskariose bei sehr niedrigem Risiko: 58 von 2800; niedrig: 83 von 790 usw. Das ist eine 11-fache Zunahme der Wahrscheinlichkeit, dass ein Abstrich abnormal ist, wenn man ein Risiko-Skore von 4 und mehr hat. Diese Studie ist meines Wissens bis heute nicht wiederholt worden; sie mag also nur ein vorläufiges Resultat sein. Falls sie aber zutrifft, bringt es uns in ein sehr schwieriges Dilemma, denn dann wäre es vernünftig, diese Tests nicht allgemein durchzuführen, sondern wirklich nur auf diejenigen Patientinnen zu beschränken, die, sagen wir mal, einen Risikofaktor in den höheren Kategorien aufweisen. Es wäre interessant, dies weiterzuverfolgen.
 

Abstrich kann den (seltenen) Krebs gar nicht verhüten

Letztendlich die Frage: Funktioniert es? Tabelle 5 zeigt Daten von der Prince Edward Island in Kanada. In der Altersgruppe 30-39 gab es 11 Fälle von Gebärmutterhalskrebs, alle bei Frauen, die einen Abstrich hatten, der nur bei 1 Frau länger als 3 Jahre zurücklag. Was man im medizinischen Jargon Intervallkrebs nennt, kommt recht häufig vor. Der Test kann zu falsch negativen und falsch positiven Ergebnissen führen. Ein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen dieser Tests und den tatsächlichen Krebserkrankungen ist tatsächlich nicht herzustellen. Es gibt keine Korrelation. Man hat mir oft vorgeworfen - vielleicht zu Recht -, dass wenn ich den Test kritisiere vergesse, dass ein positives Testergebnis für die Frau doch eine gewisse Beruhigung darstellt. Nun, ich bin mir überhaupt nicht sicher, dass einer der Gründe für diese Ereignisse hier darin liegt, dass man den Frauen sagen kann, dass ihr Abstrich normal ist und dann aber die Symptome, die sie vielleicht haben, übersieht. Ich würde eher sagen - und das trifft sicherlich in Grossbritannien und Irland zu -, dass bei den meisten Methoden mehr als 10 Prozent abnormale Abstriche gemeldet werden. Abstriche, die in der einen oder anderen Weise pathologisch sind. Und das ist das Problem, weil es für die Frauen eine enorme Last mit sich bringt, indem man sie damit ihnen die Etikette aufdrückt, ein ernsthaftes Gesundheitsproblem zu haben. Frauen, die in allen anderen Aspekten gesund sind. Und all der Schaden und das Leiden, die durch diese unnötigen Untersuchungen angerichtet werden, obwohl diese Ergebnisse nicht hundertprozentig sicher sind. Ich halte es deshalb für besser, wenn Frauen, insbesondere ältere Frauen, eher auf die Gefahrensymptome hingewiesen werden, die darauf hinweisen könnten, dass irgend etwas nicht stimmt, etwas Abnormales passiert. Und dass die Frauen ermutigt würden, ihren Arzt aufzusuchen und sich untersuchen zu lassen und die Situation zu klären. Unter diesen Umständen ist ein Abstrich dann natürlich ein sehr viel wertvolleres Instrument, im Gegensatz zu einer weitverbreiteten generellen Abstrichpraxis.

Meine These ist also, dass unter den gegenwärtig herrschenden Umständen unserer Ignoranz, die allgemein gängige Abstrichpraxis mehr Schaden anrichtet und Leid verursacht, als Gutes mit sich bringt. Ich möchte nicht in Frage stellen, dass eine Frühdiagnose Vorteile bringt und dass eine kleine Anzahl von Frauen bei dieser allgemeinen Abstrich-Praxis geheilt werden können, die sonst an der Krankheit gestorben wären. Ich würde aber sagen, dass der Preis, der dafür bezahlt werden muss, zu hoch ist.

Dr. Raffle ist im Publikum. Vielleicht möchte sie noch etwas hinzufügen oder mir in einigen Punkten wider-
sprechen?
 

Statement Dr. Raffle

Ich möchte Prof. McCormick in keinem einzigen Wort widersprechen, sondern ich bin äusserst dankbar für das, was er gesagt hat. Das einzige, was ich und meine Kollegen in Bristol in unserer im Lancet (10. Juni 1995) publizierten Forschungsarbeit hinzugefügt haben, ist, dass diese Vorsorgeuntersuchungen gut sind für Frauen, die seit Jahren nicht mehr an einem Untersuch teilgenommen haben. Und dass sie wirklich so gut organisiert wird, wie das erwartet wird. Und wir haben uns dafür eingesetzt. Aber wir sind immer noch nach wie vor der Auffassung, dass wir damit viel mehr Schaden anrichten als Gutes tun. Uns beunruhigt die immense Anzahl der Frauen, die untersucht werden müssen, die dann aufgrund dieser Tests eine Abnormität aufweisen, die aber in Wirklichkeit nicht auf eine Krankheit hindeutet! Und das ist ja nicht nur auf Bristol beschränkt. Wenn man 10 junge Frauen hat, die einen Abstrich machen liessen und man ihnen sagen muss, dass ihr Test darauf hinweist, dass irgend etwas nicht stimmt, dann ist das sehr beunruhigend! In Wirklichkeit hat vielleicht nur eine von vielen Hunderttausend von ihnen wirklich einen Grund, sich Sorgen zu machen.

Theoretisch könnten wir mit dieser Vorsorgeuntersuchung, die in Bristol generell alle fünf Jahre durchgeführt wird, jährlich höchstens etwa 30 Frauen helfen. Denn das ist die Anzahl der Frauen, die in Bristol jährlich an dieser Krankheit gestorben ist, bevor die Vorsorgeuntersuchungen begannen. Das sind also 150 Frauen in 5 Jahren. Aber die Anzahl Frauen, denen wir - jedesmal, bei jeder Untersuchung wieder neu - sagen, dass etwas nicht stimmt, liegt bei 15'500 Frauen, und trotzdem liegt die Zahl der Todesfälle in Bristol auch heute noch bei etwa 30 pro Jahr! Die Ergebnisse, die wir veröffentlicht haben, stimmen zwar nicht mit denen aus Island, und Finnland überein. Wenn man aber diese Studien unter die Lupe nimmt, ist es so, dass sie alle sehr unzureichend sind und nie einen längeren Zeitraum umfassten. In diesen Studien war die Untersuchungsgruppe selektioniert, diese Statistiken sind deshalb nicht verlässlich. Wir stehen überdies unter enormem Druck, dieses Vorsorgeuntersuchungs-Programme auszudehnen mit dem Argument der Geschlechtskrankheiten. Dies wird die Kosten explosionsartig ansteigen lassen, weil die ganze Vorsorgeuntersuchung komplexer wird. Und wir fürchten wirklich, dass der Abstrich eine Art Felduntersuchung ist, die zwar sehr kostspielig ist, aber doch nicht zu verlässlichen Ergebnissen führt. Und es ist ein grosses Problem, dass so viele internationale Organisationen in ihrer Arbeit keine wirklich kritische Auseinandersetzung über den Nutzen des Abstriches zulassen. Es wird einfach davon ausgegangen, dass es nützlich ist. Sie sagen einfach, schweigen Sie, gehen Sie.

Wenn man aber einzelnen Ärzten und auch Frauen zeigen, ihnen erklären kann, dass dieser Gebärmutterhals-Krebsabstrich auch Risiken enthält, was man damit anrichtet, wenn man wirklich nicht weiss, was es nützt oder was nicht stimmt, dann sollte man das tun. Wie Prof. McCormick gesagt hat, sollten wir gezielter diejenigen Frauen untersuchen, die gewisse Risiko-Merkmale aufweisen, und dann sind die Chancen, einen signifikant pathologischen Zustand zu finden, wesentlich höher. Wenn wir unsere Arbeit auf diese Frauen konzentrieren, dann könnten wir vielleicht etwas Positives leisten und nicht nur Schaden anrichten bei all den gesunden Frauen.
Welcher Anteil der Frauenbevölkerung hat denn tatsächlich eine Pathologie entwickelt? Wir wissen nämlich, dass abnorme Zellen im Abstrich so häufig sind, dass unsere Etikettierung Krebs-Frühstadium sicherlich absolut nichts hilft. Sie sind so alltäglich, dass man es übersieht, dass sie normal sind. Wenn wir alle eine detaillierte Biopsie und Histopathologie aller Organe auf uns nehmen würden, dann würde sicherlich bei jedem von uns irgendwo etwas gefunden werden, was irgend jemand als Frühstadium von Krebs diagnostizieren würde. Soll das bedeuten, dass es tatsächlich hilfreich ist und dass sich deshalb jeder einer Biopsie unterziehen sollte, um so etwas zu finden und zu behandeln!?
 

Diskussion

Johannes G. Schmidt:
Ich hoffe, dass in der Schweiz, wo die bodenständige Kultur uns im allgemeinen dazu veranlasst, misstrauischer zu sein, als es in anderen Ländern der Fall ist, es vielleicht in fünf bis zehn Jahren möglich wird, das erwähnte ethische Dilemma umzukehren. Dass erkannt wird, dass die Empfehlung des Abstrichs bei dem mehr als fraglichen Nutzen als unethisch erkannt wird, und man sich auf die Notwendigkeit randomisierter Studien einigt. Ich bin überzeugt, dass das möglich ist. Aber fünf bis zehn Jahre könnte es noch dauern.

James McCormick:
Ich denke, dass ich da ein Problem habe. Ich bin genügend sicher, dass der generelle Abstrich schädlich ist, dass es mir grosse Sorgen bereiten würde, wenn einige meiner Patientinnen in randomisierten Studien untersucht würden. Ich würde mir in Bezug auf die Ethik Sorgen machen. Ich würde mir hinsichtlich der Ethik Sorgen machen, auch einer Gruppe von Frauen im Rahmen einer Studie diese Massnahme zu empfehlen. Es ist also eine ziemlich bizarre Situation. Ich bin gegen randomisierte Studien, aber aus anderen Gründen als die meisten andern.

Anonyma:
Kann man sich wirklich ausschliesslich auf die Mortalitätszahlen verlassen? Muss man nicht vielmehr auch die Morbiditätsziffern und die therapierten Fälle einbeziehen? Es scheint mir fraglich, wenn man in Statistiken nur die Mortalitätszahlen heranzieht, im Vergleich zu früher, als die Abstriche nicht gemacht wurden. Denn schliesslich und endlich ist ja der Effekt von den Abstrichen auch, dass frühzeitig festgestellte Fälle (Frühstadien von Krebs) noch therapiert werden können, ob jetzt operativ oder durch Strahlenbehandlung. Diese Fälle müssten in diesen Statistiken auf jeden Fall mitberücksichtigt werden.
Zweite Frage: Was meinen Sie denn mit der «Symptomatik», auf die man die Frauen hinweisen sollte? Ich denke, wenn eine Frau Symptomatik hat, dann hat sie ein Makrokarzinom. Worauf würden Sie die Frau also hinweisen?

James McCormick:
Die Mortalitätsdaten sind oft unerheblich. Was auf der Todesbescheinigung steht, das sollte sowieso ignoriert werden, insbesondere bei internationalen Vergleichen. Beim Krebsfällen, insbesondere bei jüngeren Frauen, sind diese Zahlen aber nicht schlecht. Die Mortalitätsdaten sind also immer nützlich. Die Anzahl der Todesfälle ist sicher dann hilfreich, wenn man den Nutzen gewisser Tests beurteilen will.
Ihre zweite Frage: Ich sprach von anderer «Symptomatik», von anderen Symptomen, die die Frauen eher oder an Stelle des regelmässigen Abstriches beachten sollten. Eines der wichtigsten Symptome sind Blutungen, die sich von Menstruationsblutungen unterscheiden, postkoitale Tropfblutungen, jegliche Zwischenblutungen. Bei anderen Beschwerden, wie Schmerzen oder Ausfluss, der Blut enthält, da würde ich sicherlich nicht vor einer frühzeitigen Diagnostik abraten. Natürlich haben Sie da Recht.

Anonyma:
(Zu Dr. Raffle:) Sie sagten, Sie können sowieso nicht mehr als eben diesen jährlich etwa 30 Frauen) helfen, wenn Sie diese Früherkennungsprogramme durchführen. Was tun Sie aber mit den 15'000 Frauen, die untersucht worden sind und eine Verdachts-Diagnose erhalten haben? Welches Vorgehen bieten Sie ihnen an, ohne dass sie Schaden davontragen?
Eine zweite Frage: Eine der Tabellen zeigte, dass jüngere Frauen, die ein Zervixkarzinom hatten, untersucht waren und dass die ältern Frauen mit Gebärmutter-Krebs nicht untersucht wurden. Wie könnten Sie die älteren Frauen erreichen? Denn die würden ja von dieser Untersuchung profitieren.

Angela Raffle:
Ihre erste Frage: Was wir mit den 15'000 Frauen tun? Wie behandeln wir sie weiter, ohne ihnen zu schaden? Wir können sie nicht weiter behandeln. Wir haben ihnen mitgeteilt, dass ihr Abstrich nicht normal ist, und wir wenden ansonsten die Regeln an, die uns obliegen. Das heisst, wenn sie aufgrund des Abstrichs eine ernsthafte oder mässige Dyskariosis haben, werden sie unverzüglich an Gynäkologen weiterverwiesen, und man wird eine Kolposkopie durchführen. Wenn ihre Werte Grenzwerte sind, dann wird der Abstrich lediglich nach etwa zwei Jahren wiederholt. Wenn dann weiterhin abnormale Ergebnisse vorliegen, werden sie zum Gynäkologen überwiesen. Aber mein Argument ist, dass für all diese Frauen sehr viel Belastung und Sorge entstehen, wenn sie mit diesem Wissen herumlaufen müssen.
Was Ihre zweite Frage angeht, die Beobachtung, dass ältere Frauen keine Vorsorgeuntersuchung hatten: Das ist ja nichts aussergewöhnliches bei älteren Frauen. Als sie jünger waren, gab es noch keine Routine-Untersuchung. Ob also bei ihnen die Vorsorgeuntersuchung einen Unterschied gemacht hätte oder nicht, kann man nicht sagen. Die Todesfälle infolge Gebärmutterhalskrebs gingen in England und Wales vor allem bei den älteren Frauen zurück. Frauen also, die nie eine Vorsorgeuntersuchung gehabt haben. Wir laden routinemässig alle Frauen bis zum Alter von 64 ein, und die meisten Frauen folgen diesem Programm auch. Diese Daten sind im Lancet-Artikel vom 10. Juni 1995 enthalten.

James McCormick:
Als ich das letzte Mal in Einsiedeln war, war mein Kollege und Freund Petr Skrabanek bei uns. Er hatte Prostata-Krebs und musste Morphium nehmen; er war schon sehr leidend. Aber jene von Ihnen, die ihn nicht gekannt haben, sollten ihn hiermit doch auch noch kennenlernen. Er war ein wunderbarer Mann, ein sehr wertvoller Freund und ein hervorragender Intellektueller (zeigt Photo). Und wir sind dabei, eine Skrabanek-Stiftung auf die Beine zu stellen, für die Ermutigung und Förderung von «Skeptikämie». Das war Peters letztes Buch, das nach seinem Tod herauskam. Sie können das Buch auch in London bestellen (The Death of Humane Medicine).

Abbildungen, Diagramme und Tabellen sind erhältlich über:
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