Frauen - willige Opfer der Medizin?
Früherkennung, Hormone, Geburtsmedizin auf dem Prüfstand kritischer Wissenschaft
- Wege zu einer zeitgemässen Praxis


Autor: Dieter Bitterli und Angelika Krautzberger
Keywords: Frauenheilkunde, evidence based medizine, klinische Forschung, Medizinkritik, Patienteninformation, Evaluation, Geburtshilfe, Hebamme, 
Abstract:
Copyright: Texte: Stiftung PARACELSUS HEUTE
Copyright der HTML-Gestaltung:  Bernhard Harrer Wissenstransfer

Autoren
Begrüßungen
Die alternde Frau
Die schwarze Madonna/Theater

Dr. Alois Maria Payer, M.A.,
Die schwarze Madonna - Nicht zensurierende Urmutter und alte schwarze Bauern-Gottheit
Dieter Bitterli, Regisseur und Angelika Krautzberger,
Sonja findet sich hässlich, das macht sie schön - Eine Theaterprobe mit der Rolle der Sonja aus Tschechows "Onkel Wanja"
Die schwangere Frau
Die krebsgefährdete Frau
Moderne Medizin

Sonja findet sich hässlich, das macht sie schön - Eine Theaterprobe

Dieter Bitterli, Regisseur und Angelika Krautzberger, Schauspielerin
Hochschule der Künste, Berlin/Deutschland

Ich möchte Ihnen kurz unsere Arbeitsmethode im Hinblick auf Ihre Teilnahme erläutern.

Angelika (die Schauspielerin) und ich haben bereits an diesen Texten gearbeitet. Wir befinden uns nun also in einer Probe. Eine Theaterprobe besteht ja darin, zu erkunden, was in einer Figur, in einer Rolle, in einer bestimmten Situation und in einem bestimmten Text alles da ist. Und diese Erkundung ist noch nicht abgeschlossen. Wir versuchen also, verschiedene Texte anzugehen oder verschiedene Bewegungen zu finden, die noch nicht bewertet sind. Wir beginnen an verschiedenen Ausgangspunkten, und in einem späteren Zeitpunkt, den wir heute nicht erleben werden, werden wir eine Auswahl treffen.

Sie sehen heute also einige Texte aus der Rolle der Sonja aus dem Stück von Anton Cechow: «Onkel Wanja». Und Sie können anhand dieser Texte erleben, wie sie unter verschiedenen Gesichtspunkten jeweils anders klingen, weil diese Person, Sonja, immer wieder andere Aspekte in sich wirksam werden lässt. Und dann klingt das, was sie sagt, auch anders.

Wir haben da ein paar Kartoffeln hingelegt. Angelika kann auf diese Weise ausprobieren, wie Sonja mit den Händen umgeht. Wir haben gesehen, dass Sonja eine Frau ist, die sehr gerne etwas tut. Und sie ist sehr unglücklich, wenn sie nichts tun kann. Der Gebrauch der eigenen Hände spielt dabei eine grosse Rolle. Diese Szene mit den Kartoffeln würde in dem Stück gar nicht vorkommen, aber es ist vielleicht gut zu sehen, wie die Kartoffeln angefasst, wie sie sortiert werden, was dabei wichtig ist und in was für eine Bewegung es die Person bringt. Während Angelika daran arbeitet, werde ich Ihnen einen kurzen Überblick über das Stück geben.
 

Das Stück

Das Stück Onkel Wanja spielt kurz vor der Jahrhundertwende, also vor beinahe hundert Jahren. Die Handlung spielt sich auf dem Landgut von Sonja's Vater ab. Er ist Wissenschaftler, hat aber in Wirklichkeit in seinem ganzen Leben nichts Schöpferisches hervorgebracht. Nur sein Dünkel machte sozusagen seine Bedeutung aus. Er hat bisher in einer Grossstadt gelebt und sich von den Einkünften aus diesem Gut ernährt. Die Einkünfte werden von seiner Tochter Sonja und Onkel Wanja beigebracht. Diese beiden arbeiten, natürlich zusammen mit weiterem Personal auf dem Hof, den sie auch leiten. Und sie geben das ganze Geld dem Wissenschaftler in der Stadt, der sie eigentlich mit keinen grossen schöpferischen Taten belohnt, sondern sie eher mit seinem Dünkel drangsaliert.

Sonja's Mutter ist gestorben. Sie hat aber eine Stiefmutter, die Helena. Eine junge und sehr schöne Frau, die ihr Vater geheiratet hat. Sonja und Onkel Wanja haben also das Gut bewirtschaftet, und es ging, obwohl sehr viel Arbeit da war, sehr gut, solange der Vater,
dieser Wissenschaftler mit seiner jungen Frau, in der Stadt lebte. Aber besondere Umstände - er verarmte, weil seine Wissenschaft nichts abgeworfen hatte - führten dazu, dass er aus der Stadt wieder auf dieses Landgut zog. Er ist auch krank und streitet sich mit den Ärzten herum, ob es Rheuma oder Gicht sei. Auch da weiss er alles besser. Er ist also auf sein Landgut zurückgekehrt und seine und die Anwesenheit dieser jungen Frau, die Anwesenheit von der unfruchtbaren Wissenschaft und die Untätigkeit der jungen Frau zersetzen das Leben auf diesem Gut. Onkel Wanja arbeitet nichts mehr, verfällt in Depression und ergibt sich der Trunksucht. Und Sonja allein ist diejenige, die immer wieder versucht, das Anwesen in Schwung zu halten. Und so muss sie überall mitanpacken, wo es überhaupt nur geht.

Für ihr eigenes Leben und ihre eigenen Sehnsüchte bleibt sehr sehr wenig Raum. Sie denkt an eine tätige, aktive Zukunft. Für sie wäre es wichtig, dass man aus dieser Welt etwas macht und sie nicht nur verbraucht. Den Arzt aus einer Nachbargemeinde, Astrow, findet sie ganz wunderbar, weil er sich neben seinem Beruf als Arzt auch um die Forstwirtschaft kümmert, weil der Wald nicht richtig bearbeitet und verwaltet wird. Dieser Arzt glaubt an eine andere Verwendung der Ressourcen der Natur, als es im damaligen Russland sonst der Fall war. Und Sonja fühlt sich diesem Arzt sehr verbunden. Er ist älter als sie. Der Ausschnitt, den wir sehen werden - ich erkläre es an der entsprechenden Stelle dann genauer - ist der Moment, in dem Sonja versucht, diesem Arzt etwas von ihrer Liebe zu erzählen. Aber der Arzt ist nicht in der Lage, es zu verstehen oder diese Liebe zu erwidern. Das ist die Geschichte bis dahin.

Das Stück handelt also irgendwie davon, wie eine unzeitgemässe, unfruchtbare Wissenschaft die Tätigkeit und das Leben in diesem Land reduziert und die Gebräuche der Leute zerstört. Ich denke, dass das Russland damals sehr beschäftigt hat. Aber ich habe manchmal das Gefühl, es könnte uns auch heute noch beschäftigen.
 

Die Regiearbeit

Wir haben nicht so gearbeitet, wie das am Theater so allgemein üblich ist. Also ein Regisseur - das wäre in diesem Fall ich -, der eine Vision hat und die Schauspieler, die versuchen, diese Vision zu realisieren. Wir haben einen anderen Weg eingeschlagen und haben versucht, immer wieder mit bestimmten Themen zu arbeiten und in eine Konzentration hineinzugehen, so dass dabei jeweils das herauskommt, je nachdem, welche Haltung Angelika dieser Figur gegenüber einnehmen kann. Wir haben nicht sehr viel geredet, sondern wir haben für verschiedene Abschnitte bestimmte Konzentrationsmomente geschaffen. Diese Konzentrationsmomente sind kein stures Fixieren auf ein bestimmtes Thema. Sondern wir haben versucht, die Konzentration als eine lebendige Tätigkeit des Verstandes, der Gefühle
und des Willens zu verstehen. Das ist gar nicht so schwierig. Wir haben also ein Thema gegeben und Angelika hat sich in einer bequemen Haltung auf diese Matten gelegt. Und ich habe ihr mit einigen Stichworten den Weg zu dieser Konzentration gebahnt. Sie ist dann aufgestanden und hat aus dem Erlebnis heraus, das sie dabei hatte, z.B. einen Text gelesen oder einen anderen Text gespielt.
 

Mitvollziehen der inneren Haltung

Wir werden jetzt insgesamt vier solche Phasen durchgehen, in denen drei verschiedene Textblöcke aufgeladen werden mit einer durch die Konzentration hergestellten inneren Haltung. Sie können daran teilnehmen, indem ich auch Ihnen diese Themen der Konzentration gebe, und Sie können meinen Anleitungen genauso folgen. Wir können für Sie leider nicht dieselbe Bequemlichkeit herstellen, was ganz gut wäre, weil man sich im Liegen besser entspannen kann. Sie können aber auf diesen Stühlen recht gut sitzen, wenn Sie möglichst geradeauf sitzen, das Kreuz an die Rücklehne abgeben und die Füsse parallel vor sich hinstellen, so dass die Oberschenkel nicht in irgend einer Weise gekniffen werden, und die Hände auf die Oberschenkel legen. Sie müssen selbst ein bisschen experimentieren, wie Sie sich am besten hinsetzen können, so dass es für Sie gut ist.

Wir fangen mit dem ersten Thema an, das an den Versuch anschliesst, mit den Händen, mit den Kartoffeln umzugehen. Das Thema nenne ich jetzt mal «Die Hände», die Hände und die Lust, mit den Händen etwas zu schaffen. Wir werden einen Durchgang durch die ganze Konzentration machen. Für Sie wird das damit enden, dass Sie aufgrund Ihrer Erfahrung, die Sie durch diese Konzentrationsübung machen, erleben und beobachten können, was sich in Ihnen verändert. Angelika wird versuchen, die besondere Art des Gebrauchs der Hände für diese Figur Sonja einmal damit zu zeigen, indem sie sich umzieht von der Trainingskleidung in ein vorbereitetes Kleid für Sonja. Sie können also sehen, dass da die Hände mitspielen und die Hände ein bestimmter Ausdruck dafür sind. Und dass man anhand der Hände ablesen kann, wie diese Frau zum Leben steht. Das wird dann aber so sein, wie Angelika es empfindet. Wir haben das noch nie gemacht. Und anschliessend, nach dem Ankleiden, wird sie aus einer bestimmten inneren Haltung heraus einen Text lesen, in dem sie Astrow, diesen Arzt beschreibt. Und sie beschreibt den Arzt, den sie liebt und der ihre Liebe bis jetzt nicht bemerkt hat oder nicht erwidern kann. Sie beschreibt, dass er ein Mensch ist, der eben Wälder anpflanzt und dafür sorgt, dass die Wälder nicht vernichtet werden. Er ist ein Mensch, der es versteht, die Menschen zu lehren, das Schöne zu verstehen. Die Wälder, die er anpflanzt, mildern das Klima. In Ländern mit mildem Klima verwendet man weniger Kräfte im Kampf mit der Natur. Deswegen sind dort die Menschen geschmeidiger, leicht erregbar. Sie sind elegant in ihrer Rede. Ihre Bewegungen sind graziös. In ihnen blühen Wissenschaften und Künste. Ihre Philosophie ist nicht düster. Ihr Verhältnis zur Frau ist von ausgesuchtem Adel. Das, denkt sie, ist dieser Mann. Und diesen Text werden Sie dann hören.

Jetzt machen wir uns auf eine kleine Reise durch eine Konzentration gefasst. Und zwar so, dass Sie möglichst gut sitzen, möglichst entspannt sind und in Ihrer Phantasie dem folgen können, was wir jetzt machen. Es ist klar, dass bei jeder Art von Konzentration die
Abschweifung und der Misserfolg das Normale sind. Also zensieren Sie sich nicht, wenn Ihnen das nicht immer gelingt. Sondern gehen Sie wieder dazu zurück, tragen Sie Ihre Konzentration wieder zu sich zurück, und dann geht es weiter. Das Thema heisst also «Hände, die Lust mit den Händen etwas zu schaffen». Nehmen Sie das persönlich. Die erste Phase dieser Konzentration besteht darin, dass Sie versuchen, sich in Erinnerung zu rufen, was Sie mit Ihren Händen alles tun und wo Sie am deutlichsten das Gefühl haben, dass Ihre Hände wichtig sind. Das kann in allen Bereichen sein. Versuchen Sie, sich daran zu erinnern und es zu beschreiben. Beschreiben Sie es auf jede erdenkliche Art. Sie können die Handlungen sehr sachlich beschreiben. Sie können aber auch innerlich eine poetische Beschreibung davon machen.

Jetzt gibt es einen nächsten Schritt. Versuchen Sie, die Hände so, wie Sie sie jetzt beschrieben haben, innerlich zu sich heranzuziehen, ganz nah zu sich zu ziehen, so dass Sie spüren, wie Sie auf die eigenen Hände, so wie Sie sie beschrieben haben, reagieren. Gefallen sie Ihnen? Sehnen Sie sich danach? Fühlen Sie sich davon abgestossen? Wie ist es genau? Lassen Sie den Gefühlen freien Lauf. Wenn das ein Vorgang ist, der sehr schnell geht, können Sie ihn auch wiederholen, mehrfach.

Setzen Sie die Hände nun so, wie Sie sie beschrieben haben, ganz weit weg, dass sie Ihnen ganz fremd werden. An das äusserste Ende des Horizonts. Und gehen Sie darauf zu. Entdecken Sie sie neu. Seien Sie neugierig, entdecken Sie die Hände neu. Gehen Sie darauf zu. Wiederholen Sie es vielleicht, wenn es ein schneller Vorgang ist. Und wenn Sie da sind, dringen Sie in die Hände ein, mit Ihrem ganzen Körper in die Hände ein. Als ob Sie in die Hände hineingehen.

Die Schauspielerin

Und Du (Angelika), versuch Dir vorzustellen, wie sich die Hände bewegen. Schon beim Aufstehen. Wie sich die Hände bewegen, wenn Du Dich umziehst und wenn Du die ganze Abfolge von Bewegungen spürst in Dir, ganz sinnlich, dann führ das aus.

«Nein! Es ist ausserordentlich interessant! Michael pflanzt jedes Jahr neue Wälder an. Er sorgt dafür, dass die alten Wälder nicht vernichtet werden. Wenn Sie ihm zuhören, werden Sie völlig mit ihm übereinstimmen. Er sagt, Wälder verschönern die Erde. Sie lehren den Menschen, das Schöne zu verstehen und flössen ihm eine erhabene Stimmung ein. (Lacht fröhlich.) Wälder mildern das graue Klima. In Ländern mit mildem Klima verwendet man weniger Kräfte auf den Kampf mit der Natur, und darum ist dort der Mensch auch weicher, milder. Dort sind die Menschen schön, geschmeidig, leicht erregbar. Ihre Rede ist elegant. Ihre Bewegungen sind graziös. Bei ihnen blühen Wissenschaften und Künste. Ihre Philosophie ist nicht düster. Ihr Verhältnis zu Frauen ist von ausgesuchtem Adel!»

Gut. Das war eine Version, diesen Text zu lesen. Eigentlich ist er ja in einem Gespräch mit der jungen Frau des Vaters. Und Du hast ihn jetzt sehr leicht gelesen. Ich habe das Gefühl, dass Dir die Schwere der Hände eine Leichtigkeit verursacht hat.

Zweite Probe

Wir gehen jetzt mal weiter zu einem nächsten Punkt. Wir steuern einen Punkt, einen kleinen Monolog in dem Stück von Sonja an. Und dieser Monolog erzählt, wie sie das Gespräch mit diesem Arzt erlebt hat. Und wie er eben, wie gesagt, nicht gespürt hat, dass sie ihm eigentlich ihre Liebe gestanden hat. Und trotz alledem ist sie von einer eigenartigen Glückseligkeit nach diesem Gespräch. Aber sie merkt auch, dass diese Glückseligkeit vielleicht nicht den Tatsachen entspricht. Und so versucht sie, einen Ausweg zu finden. Wie kann sie sich erklären, dass dieser Arzt sie nicht sieht und ihre Liebe nicht erwidern kann? Und so findet sie eine Möglichkeit, indem sie sich sagt, dass sie halt hässlich ist. Das ist eine Lösung. Dadurch kann sie bei sich bleiben und sich gleichzeitig erklären, warum er sie nicht gesehen hat.

Wir gehen nochmals in eine nächste Konzentrationsphase. Vielleicht müssen Sie sich einen Moment anders hinsetzen oder bewegen, damit es für Sie nicht zu anstrengend wird. Ich muss die Aufgabenstellung diesmal etwas aufteilen.

Das Thema für Angelika ist ein Satz, der den Arzt beschreibt. Er heisst: «Er ist klug, er versteht alles, kann alles, er ist Arzt, und er pflanzt Wälder.» Das ist ein Satz, in den Angelika eindringen kann.

Und Sie, das Publikum, können sich mit einer Person beschäftigen, in die Sie sich verliebt haben, die aber damals oder vielleicht bis heute nicht darauf reagiert hat. Der Gegenstand Ihrer Konzentration wäre also diese Person. Es beginnt wieder mit einem längeren Moment, in dem Sie diese Person mit dem Verstand beschreiben. Diese Person ist beschreibbar auf jeder Ebene.

Wir haben versucht, sozusagen in den inneren Gestus und die innere Stimmung von Sätzen einzudringen. Das würde jetzt für Angelika gelten. Für Angelika heisst der Satz also: «Er ist klug, er versteht alles, kann alles, er ist Arzt, und er pflanzt Wälder.»

Und für Sie wäre das Thema eine Person, in die Sie sich verliebt haben, die damals oder bis jetzt nicht darauf reagiert hat. Und die erste innere Tätigkeit, die Sie ausüben, ist die Beschreibung dieser Person.

Gehen Sie auch da in alle Details. Beschreiben Sie auch das Äussere, aber auch bestimmte Eindrücke, die Sie von dieser Person haben. Lassen Sie auch Assoziationen zu, z.B. mit wem Sie diese Person vergleichen oder womit Sie diese Person vergleichen. Versuchen Sie, beschreibend ein Portrait herzustellen.

Wählen Sie eine der Beschreibungen aus, die Sie am meisten bewegt. Und halten Sie diese Beschreibung, so wie Sie sie jetzt gemacht haben, fest. Entscheiden Sie sich dafür!

Wenn Sie sich entschieden haben, versuchen Sie, diese Person in der Beschreibung, wie Sie sich jetzt dafür entschieden haben, zu sich heranzuziehen. Und schauen Sie, wie diese Person, wie das heute emotional auf Sie wirkt. Wie können Sie diese Nähe ertragen? Was gibt Ihnen diese Nähe? Was ist für Sie diese Nähe, in Ihren Gefühlen?

Sie können diesen Vorgang, wenn sich das Gefühl sehr rasch einstellt, ebenfalls wiederholen, es mehrfach erleben. Lassen Sie diesen Gefühlen freien Lauf!
Rücken Sie die Person, so wie Sie sie beschrieben haben, weit von sich. Machen Sie sie sich fremd. Vielleicht fast unsichtbar.

Und gehen Sie auf diese Person zu. Sind Sie neugierig? Wie gehen Sie auf die Person zu? Gehen Sie langsam auf sie zu, entdecken Sie etwas? Was entdecken Sie neues? Was wollen Sie von ihr?

Und wenn Sie da sind, versuchen Sie, folgendes Experiment zu machen: Gehen Sie mit Ihrem Körper in diese Person hinein. So, dass Ihr Körper sich entweder in diese Person hineinpresst oder sich in ihr ausdehnt, je nachdem. Versuchen Sie das ganz genau, bis in die letzte Empfindung, ganz sinnlich herzustellen, in diese Person hineinzudringen.

Und für Angelika ist es der Versuch, diesen Satz, so wie Du ihn jetzt beschrieben und so wie Du ihn erlebt hast, mit Deinem Körper auszufüllen. So, dass dieser Satz durch Dich einen Körper bekommt. Und wenn es soweit ist, führ diese Bewegungen aus. Und wende Dich dem Spielen des Monologes zu.

«Er hat nichts zu mir gesagt (lacht, traurig, wütend). Seine Seele und sein Herz sind mir immer noch verschlossen. Aber wieso fühle ich mich so glücklich? - Ich habe ihm gesagt: 'Sie sind so fein, so vornehm. Sie haben so eine sanfte Stimme.' War das etwa unpassend?! - Seine Stimme klingt - sie schmeichelt. Ich spüre sie noch immer. - Aber als ich das von meiner jüngeren Schwester sagte, hat er nichts verstanden! - Wie entsetzlich, dass ich - hässlich bin! Wie entsetzlich! Und ich weiss, dass ich hässlich bin! Ich weiss es, ich weiss! Letzten Sonntag, als wir aus der Kirche kamen, habe ich gehört, wie sie über mich reden! Und eine Frau hat gesagt: Sie ist gütig, grosszügig, nur schade, dass sie so hässlich ist!' Hässlich!»

Ja, das ist dieser kleine Monolog unter diesem einen Aspekt gesprochen. Wir werden diesen Monolog und die nachfolgenden Texte später noch einmal, unter einem anderen Aspekt hören. Und Sie werden sehen, dass es eine ganz andere Wirkung hat, wenn Angelika von einem andern Gesichtspunkt aus, in einer anderen Haltung daran geht.
 

Dritte Probe

Wir machen jetzt noch eine bzw. zwei dieser Konzentrationen. Und zwar dient die jetzige dem Ende des Stückes. Nämlich dann, wenn die ganze Gesellschaft auseinandergebrochen ist und sich die Hoffnungen von allen Menschen in diesem Stück mehr oder weniger zerschlagen haben, gibt es für Sonja immer noch einen Punkt. Sie versucht immer noch, einen Weg zu finden, um aus dieser Zerstörung und aus dieser Hoffnungslosigkeit rauszukommen. Und sie findet für sich eine bestimmte Art von Weg. Er wird am Schluss des Stückes in einer Rede von ihr ausgedrückt. Man muss sich dabei vorstellen, dass sie mit Onkel Wanja, der mit ihr in dem Haus übriggeblieben ist, spricht. Er ist jetzt nicht da, aber Sie können sich das vorstellen. Es geht also darum, welchen Weg Sonja findet.

Ich werde kurz andeuten, worum es geht: Es gibt einen Moment, wo sie sagt: «Was sollen wir tun? Wir müssen leben!» Sie muss ja leben! Also muss ja irgend etwas geschehen. Und sie sagt dem Onkel, dass sie leben werden und dass sie für andere Leute arbeiten werden. Sie spricht über die Realitäten, aber sie versucht in die-
ser verzweifelten Situation sozusagen auch zu denken, dass das eigentliche Leben eigentlich nach diesem Leben stattfindet. Und das ist gleichzeitig ein Ausweg für sie. Es bleibt ihr vielleicht kein anderer übrig. Und zugleich ist es aber etwas sehr Trauriges.

Wir gehen wieder in eine kleine Aktivitätsphase, in eine innere Konzentration. Und zwar geht es diesmal nicht um einen Gegenstand oder einen Menschen. Es geht auch für Sie um einen Satz. Ein Satz, der vielleicht für Sie, unabhängig von dem Stück jetzt, auch eine Rolle spielen kann. Es ist ein Satz von Cechow. Er hat gesagt: «Eine Krise kann jeder Idiot erleben. Aber was uns auslaugt, das ist der Alltag.»

Wir gehen jetzt in ein Gebiet hinein, das etwas anders aussieht. Man kann eine Person natürlich leichter beschreiben als beispielsweise einen Satz. Versuchen Sie aber mal, für sich zu beschreiben, was in dem Satz gesagt wird.

Versuchen Sie, auch Ihre Assoziationen zu diesem Satz zu beschreiben. So dass Sie von diesem Satz ein reiches Bild für sich bekommen.

Entscheiden Sie sich für eine der Beschreibungen. Versuchen Sie, sich für eine bestimmte Lesart dieses Satzes zu entscheiden. Halten Sie das fest. Und ziehen Sie das, wofür Sie sich entschieden haben, diese Lesart, diese Beschreibung zu sich heran. Und schauen Sie, wie Sie darauf reagieren. Wie Sie dazu stehen, wie Sie emotional dazu stehen.

Versuchen Sie den Satz, so wie Sie ihn beschrieben und festgehalten haben, mit Ihren Gefühlen, in Ihren Gefühlen, Ihre Gefühle dazu zu erleben.

Und weisen Sie das ganz weit von sich. Machen Sie es ganz weit entfernt und fremd. Als ob Sie es nicht sehen und verstehen könnten. Entfernen Sie es sehr weit von sich.

Und gehen Sie darauf zu. Entdecken Sie es nochmals neu.

Vielleicht sehen Sie dadurch noch andere Dinge. Was wollen Sie von diesem Satz?

Und wenn Sie in der Nähe dieses Satzes sind und wissen, was Sie von ihm wollen, versuchen Sie wieder, diesmal mit Ihrem Körper in diese Vorstellung, in das, was der Satz jetzt für Sie ist, einzusteigen. Versuchen Sie, darin eine Bewegung zu sehen, die durch Ihren Körper dargestellt werden könnte. Und versuchen Sie es möglichst sinnlich zu erleben, ohne es jetzt auszuführen. Aber Sie können es, wenn die Angelika soweit ist, bei ihr sehen, wie sie es macht. Sie spielt dann die beiden Teile des Schlusses des Stücks.

«Onkel Wanja, was sollen wir tun? Wir müssen leben! - Wir werden leben, Onkel Wanja! - Wir werden eine lange, lange Reihe von Tagen und langen Abenden verbringen. Wir werden geduldig die Versuchungen ertragen, was das Schicksal uns bringt. - Wir werden für die anderen arbeiten, jetzt und auch im Alter. Ohne Ruhe zu kennen. Und wenn unsere Stunde gekommen ist, werden wir ergeben sterben und dort, jenseits des Grabes sagen, dass wir gelitten haben, dass wir geweint haben, dass es uns bitter schwer war. Und Gott wird sich unser erbarmen! Und wir beide, Du und ich Onkel, lieber Onkel, wir werden das helle, das schöne, das herrliche Leben erblicken! Wir werden uns freuen! Und
auf unser jetziges Unglück mit Rührung zurückblicken, mit einem Lächeln! Und werden ausruhen! Ich glaube es! - Ich, ich - glaube es - innig - leidenschaftlich - wir werden ausruhen. - Wir werden ausruhen! Wir werden die Engel hören. Wir werden den Himmel erblicken, ganz in Diamanten. Wir werden sehen, wie alles Irdische, Böse, all unsere Leiden in der Barmherzigkeit versinken und dann die ganze Welt erfüllt. (lacht) Und unser Leben wird still, sanft, süss, wie ein Streicheln. Ich glaube es. Ich glaube. - (sehr leise) Armer Onkel Wanja. Ich weiss, was in den (...) folgen kann. Aber warte - Onklel - warte! Wir werden ausruhen. Wir werden ausruhen! (lacht) Wir werden ausruhn!»

Wir werden jetzt versuchen, diesen Monolog und den Schluss, den Sie jetzt gesehen und gehört haben, zusammenzufügen. Wir arbeiten nach einem neuen Impuls durch eine Konzentrationsphase mit einem Licht, das diese beiden Szenen in eine jeweils andere Stimmung taucht. Und wir werden am Schluss dieses Teils, den Sie eben gesehen haben, noch eine Musik, die wir ebenfalls vorbereitet haben, hinzufügen.
 

Vierte Probe

Aber zunächst folgt jetzt noch einmal eine letzte Phase der Konzentration. Und dann diese zwei Teile zusammen, mit einem speziell eingerichteten Licht und mit einem dafür ausgesuchten Ton.

Dasselbe Thema für Angelika und für das Publikum: Das Lachen vor Glück.

Erinnern Sie sich, wann Sie vor Glück gelacht haben?

Versuchen Sie, auch das Lachen und alles zu beschreiben, was zu diesem Lachen gehört. Auch die Umgebung, die Situation, der Anlass. Die andern Menschen vielleicht, wenn welche dabei waren. Den Ton, die Stimme. Die Jahreszeit vielleicht. Die Wärme, die Sonne, die Nacht - was es auch war.

Versuchen Sie, es sehr bunt zu beschreiben, damit es eine grosse Bewegung hat, die dem, wie Sie es erlebt haben, auch entspricht.

Versuchen Sie, einen Moment davon ganz besonders festzuhalten und sich dafür zu entscheiden. Sehen Sie das vor sich.

Und ziehen Sie dieses Lachen vor Glück zu sich heran, und erleben Sie, wie die Gefühle sind. Erleben Sie diese Gefühle nochmals. Versuchen Sie, die Gefühle in sich zu aktivieren.

Das können Sie mehrfach wiederholen. Es macht Spass, in diese Gefühle einzutauchen.

Und rücken Sie das Lachen nochmals ganz fern von sich. So dass Sie es kaum noch hören, dass es ganz weit, weit entfernt ist. Und entdecken Sie es wieder, indem Sie darauf zugehen. Was ist das für Sie? Wie gehen Sie darauf zu? Wie erregt sind Sie, wenn Sie darauf zugehen?

Und dringen Sie in dieses Lachen, so wie es für Sie ist, in dieses Lachen vor Glück ein. Versuchen Sie sich mit dem Körper in das Lachen hineinzugeben, so dass Sie vollständig in diesem Lachen aufgehen, in Ihrer sinnlichen Wahrnehmung aufgehen.
Zu Angelika: Und wenn Du es siehst, wenn Du es spürst, erfasst bist von dem Lachen, gib Dich dem hin und führ es aus.

«Er hat nichts zu mir gesagt. (lacht und lacht und lacht.) Seine Seele und sein Herz sind mir immer noch verschlossen. Aber wieso fühle ich mich so glücklich? - Ich habe ihm gesagt, 'Sie sind so fein und so vornehm. Sie haben so eine sanfte Stimme.' War das etwa unpassend? - Seine Stimme - seine Stimme klingt, sie schmeichelt. ich spüre sie noch immer. - Aber als ich das von meiner jüngeren Schwester sagte, hat er nichts verstanden. - Wie entsetzlich, oh wie entsetzlich, dass ich hässlich bin! Und ich weiss, dass ich hässlich bin. Ich weiss es, ich weiss! Letzten Sonntag, als wir aus der Kirche kamen, habe ich gehört, wie sie über mich reden. Und eine Frau hat gesagt: 'Sie ist gütig, grosszügig, nur schade, dass sie so hässlich ist!' Hässlich!»

«Was sollen wir tun? Wir müssen leben. Wir werden leben, Onkel Wanja. Wir werden eine lange, lange Reihe von Tagen, von langen Abenden verbringen. Wir werden geduldig die Versuchungen ertragen, die das Schicksal uns bringt. Wir werden für die anderen arbeiten, jetzt und auch im Alter. Ohne Ruhe zu kennen. Und wenn unsere Stunde gekommen ist, werden wir ergeben sterben. Und dort, jenseits des Grabes sagen, dass wir gelitten haben, dass wir geweint haben, dass es uns bitter schwer war. Und Gott wird sich unser erbarmen! Und wir beide, Du und ich Onkel, lieber Onkel, wir werden das helle, das schöne, das herrliche Leben erblicken! Wir werden uns freuen! Und auf unser jetziges Unglück mit Rührung zurückblicken, mit einem Lächeln! Und werden ausruhen! Ich glaube, ich glaube, ich glaube es. Ich glaube es! Innig! Leidenschaftlich --- Wir werden ausruhen. Wir werden die Engel hören! Wir werden den Himmel erblicken, ganz in Diamanten! Wir werden sehen, wie alles Irdische, Böse, all unsere Leiden in der Barmherzigkeit versinken, die dann die ganze Welt erfüllt. Unser Leben wird still, sanft, süss wie ein Streicheln. - Ich glaube - ich glaube - ich glaube, es. - Armer, armer Onkel Wanja. Du weisst, was in den (...) folgen kann. Aber warte - Onkel, warte! Wir werden ausruhen. - Wir werden ausruhen! - Wir werden ausruhn.»
 
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