Quantenphysikalische Ansätze des Bewußtseins
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Autor: | Werner Held | |
Keywords: | Informationstheorie, Quantenphysik, Bewußtsein, Penrose, Hameroff | |
Abstract: |
Bestandsaufnahme verschiedener quantenphysikalischer Ansätze des Bewusstseins (vor allem der Mikrotubuli-Theorie von Penrose/Hameroff) und deren Schwierigkeiten. |
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Copyright: | Werner Held | |
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9. Mai 2001
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Inhalt:
Manchem wird nicht unmittelbar einleuchten, warum man
eine Theorie für hochartifizielle mikrophysikalische Bereiche als
Erklärung für biologische und mentale Bereiche heranziehen sollte.
Wenn man sich aber die Phänomene ansieht, die in der Quantenphysik
vorherrschen, wird man sehr schnell bemerken, daß Gehirnaktivität
und bewußte Gedanken eine größere Ähnlichkeit besteht
zur Quantenphysik als zur klassischen Physik mit ihren ausschließlich
lokal operierenden Teilchen und Feldern. Die verteilte, parallele Verarbeitung
in unseren Gehirnen, die Einheitlichkeit und Globalität einer aus
vielen Einzelaspekten zusammengefügten Wahrnehmung (Binding), die
gleichzeitige Nichtreduzierbarkeit dieses emergenten Phänomens auf
Einzelbestandteile und die immer deutlicher werdende Nichtdeterminiertheit
biologischen und mentalen Geschehens benötigt beinahe zwingend einen
konzeptionellen Rahmen, der solche nichtlokalen, nichtreduktionistischen,
nichtdeterminierten Prozesse aufnehmen kann. Die Quantentheorie scheint
sich genau dafür anzubieten. Sie beherbergt nichtlokale Phänomene
wie das EPR-Paradoxon (mit seiner raumzeitunabhängigen Verbindung
zweier korrelierter Teilchen), weist diskontinuierliche, sogenannte Quantensprünge
auf und sie ist eine Wahrscheinlichkeitstheorie, in der das Einzelereignis
nicht physikalisch bestimmbar ist. Der engagierte
Neurophilosoph Chalmers fügte ironisch an, daß es sich bei diesen
quantenphysikalischen Ansätzen um das Prinzip der Minimierung von
Rätseln handelt: "Quantenphysik ist ein Rätsel, Bewußtsein
ist ein Rätsel, also haben wir durch eine Verknüpfung ein Rätsel
eingespart".
Die Idee, daß quantenphysikalische Vorgänge
eine Bedeutung für die Nervenaktivität oder für das Bewußtsein
haben könnten, ist vereinzelt schon in der Frühzeit der Debatte
um die Quantenphysik in den Zwanziger und Dreißiger Jahren geäußert
worden. Doch die Gegenstimmen überwogen. Niels Bohr ist bekannt für
mehrere deutliche Absagen an den Glauben, daß die Quantentheorie
tauglich für die Erklärung biologischer Prozesse sein könnte.
Sein Einwand war die scheinbare Unmöglichkeit der direkten Messung:
einen biologischen Organismus für eine Messung aufzubereiten, hieße
ihn zu töten. Die Quantentheorie wäre daher nur für unbelebte
Materie geeignet, da die Bedingung einer Isolation quantenphysikalischer
Systeme von ihrer Umgebung gegeben sein muß. Das sei in biologischen
Systemen nicht der Fall, da sie in permanenten Energieaustausch mit ihrer
Umgebung stehen. Ein weiteres Problem in der damaligen Debatte waren die
unterschiedlichen Größenordnungen. Quanteneffekte spielten damals
nur in mikroskopischen Bereichen eine Rolle. Nach Wigners Auffassung ließe
sich keine Messung auf makroskopische Bereiche (nicht einmal auf anorganische
Systeme) ausdehnen, da nach seinen Berechnungen bereits die kosmische Hintergrundstrahlung
von 3 K bereits 2,3 x 10 hoch 13 Photonen pro Sekunde auf einem Kubikcentimeter
Wolfram hinterläßt. Dieser Einfluß sei groß genug,
um jede präzise Messung unmöglich zu machen. Einwände wie
diese ließen für mehrere Jahrzehnte die Bemühungen ruhen.
Inzwischen ist es allerdings bereits möglich, bei ganzen Atomen und
nicht nur Elektronen oder Photonen diesselben Quantenphänomene nachzuweisen.
Im nächsten Schritt werden es Moleküle sein. Wie Anton Zeilinger,
Physiker aus Innsbruck, bemerkte, ist die Frage nach der makrophysikalischen
Ausdehnung nur eine Frage des Geldes geworden.
Ernsthafte Versuche, eine quantenphysikalische Theorie für biologische Systeme aufzustellen, begannen dann erst gut dreißig Jahre später. 1967 stellten Umezawa und Ricciardi die Hypothese vor, die Quantenfeldtheorie auf das Gehirn anzuwenden. Spontane Verletzungen der Symmetrie sollten Quantenzustände im Hirn erzeugen. Die Quantenzustände nennt man Goldstone-Bosone, das sind weitreichende, korrelierte Wellen (long-range correlation waves). Diese spontanen Symmetriebrüche stellen also eine Art natürlichen Quantenmeßvorgang dar. Ein Jahr später, 1968, veröffentlichte der theoretische Physiker Herbert Fröhlich seine Untersuchungen an der Zellmembran. Dort hatte er in einer Schicht unterhalb der Membran kohärente Dipolwellen entdeckt, die sogenannten Fröhlich-Wellen. Er erkannte, daß die Ausrichtung dieser Dipole einen allgemeinen Kontroll bzw. Ordnungsparameter in biologischen Prozessen darstellt. Seine Hypothese nach kann die Quantenkohärenz unterhalb der Zellmembran sich sogar über mehrere Zentimeter ausdehnen, die sogenannten Dipolaufreihungen. Es fehlt dafür allerdings jeglicher Nachweis, verschiedene Forscher, die diese Phänomene untersucht haben (wie Tusczynski), haben keine langanhaltenden, großflächigen Kohärenzen gefunden.
2. Mikrotubuli
1974 brachte erstmals der texanische Anästhesist Stuart Hameroff die Überlegung vor, daß Mikrotubuli als holographische Biocomputer Quanteneffekte beheimaten könnten, diese wiesen endlich eine passende Größenordnung für Quantenphänomene auf. Hameroff brachte die Mikrotubuli als Wirkungsort der Fröhlich-Wellen ins Blickfeld. Änderungen der Dipoldichte in der Umwelt der Zelle bewirken Veränderungen in den Quantenzustände der Mikrotubuli (d.h. den kohärenten Goldstone/Fröhlich-Wellen).
Mikrotubuli sind in allen Zellen vorkommende, winzig kleine Eiweißröhrchen mit einem etwa 25 Millionstel Millimeter Durchmesser und stark variabler Länge von wenigen Nanometern zu mehreren Millimetern in den Axonen der Nervenzellen, die aus 13 parallel oder spiralförmig angeordneten Strängen des Proteins Tubulin zusammengesetzt sind. Das dipolare Tubulin ist ein Dimer und besteht aus einem Alpha-Monomer und einem Beta-Monomer und kann dabei in zwei zusammenhängenden Formationen auftreten. Erst Fortschritte in der Mikroskopie konnten die winzigen Strukturen beobachtbar machen. Außer bei der Kontrolle der Zellteilung (die entwickelten Spindelapparate während der Mitose bestehen ebenso wie die Zentriolen aus Mikrotubuli) spielen diese äußerst plastischen Mikrotubuli auch bei der Organisation des Zellskeletts (Cytoskeleton), beim Stofftransport in der Zelle (Plasma und Proteine), bei der Kommunikation mit den Nachbarzellen, bei der Formgestaltung und der Bewegung in der Zelle eine entscheidende Rolle. Mikrotubuli sind in Nervenzellen parallel angeordnet und durch sogenannte MAPs (Microtubuli Associated Proteins) mit weiteren Mikrotubuli und anderen Zellstrukturen verbunden.
Hameroff untersuchte Einzeller wie das sogenannte Pantoffeltierchen (Paramecium), die über keine Neuronen oder Synapsen aber über Mikrotubuli verfügen und trotzdem primitive sensorische Fähigkeiten und gewisse Lernleistungen in Labyrinthen aufweisen. Der englische Neurologe John Cronley-Dillon zeigte, daß Ratten, die in einer reizarmen Umgebung aufwuchsen, eine deutlich geringere Dichte an Mikrotubuli aufweisen als jene, die in einer stimulierenderen Umgebung gehalten wurden. Gleichzeitig setzen Drogen, die den Aufbau von Mikrotubuli verhindern, die Gedächtnisleistungen herab (gilt auch bei Narkosemitteln).
Für ein breites Aufkommen der Diskussionen quantenphysikalischer
Ansätze sorgten dann vor allem das Buch "The Emperors New Clothes"
(1989, deutscher Titel "Computerdenken") von Roger Penrose. Nach einigen
Jahren verhältnismäßiger Ruhe flammten die öffentlichen
Diskussionen anläßlich der Bücher von Eccles / Beck "Wie
das Selbst sein Gehirn steuert", die 1994 eine quantenphysikalische Erklärung
für die Ausschüttungswahrscheinlichkeit der Transmitter aus den
präsynaptischen Vesikeln nahelegten und Penroses Buch "Die Schatten
des Geistes" wieder verstärkt auf. In diesem Buch übernimmt er
die Vorstellungen Hameroffs zu den Mikrotubuli und versucht äußerst
spekulativ den großen Wurf, die Quantenphysik mit der Gravitationstheorie
(= Quantengravitation) zu verbinden und damit die physikalische
Erklärung für den Übergang von unbewußter Nerventätigkeit
zum Bewußtsein zu liefern. Die dahinter liegende Überlegung,
daß alle Dinge in unserem Raumzeitkontinuum mit einer Theorie des
vierdimensionalen Raums erfaßt werden könnten, ist vielleicht
der offenbarenste Aspekt Penroses.
2.1. Zusammenfassung des Bewußtseinsmodells nach
Hameroff/Penrose
"Orchestrated
objective Model for Consciousness" und erweitert:
The
ORCH OR Model for Consciousness
In den Mikrotubuli und anderen Strukturen der Neuronen im Hirn finden nach Hameroff/Penrose quantenphysikalische Vorgänge statt. Der Baustein der Mikrotubuli, das Protein Tubulin, kann in zwei verschiedenen Zuständen vorkommen (bedingt durch unterschiedliche Elektronenlokalisationen, die mit unterschiedlichen Masseverteilungen einhergehen). Diese beiden Möglichkeiten befinden sich vor einer Entscheidung für einen definitiven Zustand in einer quantenphysikalischen Superposition, einer Verschränkung. Diese Quantenkohärenz (verschiedene Teile gehen in einen einheitlichen Zustand über, der mit einer Schrödingerschen Wellengleichung beschrieben werden kann (man nennt diesen Zustand auch Bose-Einstein-Kondensat) soll sich nun auf größere Bereiche ausdehnen können, vermutlich angetrieben durch thermale and biochemische Energien (wie von Fröhlich beschrieben). Penroses Idee (basierend auf Karolyhazys) ist jetzt, daß die beiden unterschiedlichen potentiellen Zustände des Tubulins mit zunehmender Kohärenzzeit unterschiedliche Masseverteilungen annehmen und sich dadurch ein Auseinanderklaffen der Raumzeit-Geometrie der beiden Möglichkeiten ergibt, bis, ja bis eine (bislang nicht definierte) Schwelle in der Quantengravitation überschritten wird und sich ein selbstorganisierter Kollaps der Wellenfunktion, also das Ende des verschränkten Zustand zugunsten eines realen Zustands der Tubulinproteine, ergibt.
Diese Reduktion des Wellenpakets nennt er in den Mikrotubuli jetzt "Orchestrated Objektive Reduction" Orch OR im Unterschied zu seiner früheren (1994) Bezeichnung "Objective Reduction" OR (weshalb und wofür er aber immer noch OR verwendet, bleibt ungeklärt) , weil bei dieser Art natürlichen Meßvorgangs die MAPs, genetische und andere Veränderungen der Tubulin-Proteine diesen Prozeß auf eine nicht näher beschriebene, aber jedenfalls nicht kausale Weise bestimmen, sozusagen tunen. Die gängige Kopenhagener Interpretation der Quantenphysik, die natürlich keine Aussagen zu Quantenphänomen in lebenden Systemen macht, geht hingegen von der zufälligen Reduktion R des Wellenpakets aus, die Bewußtseinsinterpretation (in der Folge Wigners) geht dagegen von einer durch das Bewußtsein erwirkten subjektiven Reduktion aus SR. Penroses Idee der OR stellt eine Art natürlicher Meßvorgang durch die Wirkung der hypothetischen Quantengravitation dar. Er meint, daß ein objektives Kriterium für einen Kollaps in Sinne einer Quantengravitationsschwelle vorliegen würde. Mit Penroses zunehmender Hinwendung zum lebendigen Organismus nimmt er mit der selbstorganisierten Orch OR eine notwendige Erweiterung vor. Wie man aber die ganz und gar nicht objektiven, sondern zustands- und erfahrungsabhängigen Prozesse in Organismen mit einer objektiven Reduktion zusammenbringen will, bleibt sein Geheimnis. Er sieht zwar die OR - aufgrund seiner früheren Überlegungen zu Gödels Unvollständigkeitstheorem und seiner daraus folgenden Absage an die prinzipielle Möglichkeit einer künstlichen Intelligenz - als nicht algorithmisierbar und damit nicht komputierbar an, löst aber damit nicht den grundsätzlichen Widerspruch zwischen seinem als objektiv formulierten Konzept und den Wahrscheinlichkeitsaussagen der Quantenphysik und der Selbstorganisation.
2.1.1. Berechnung der Quantengravitationsschwelle
Penrose übernimmt nun die von dem Neurophysiologen Benjamin Libet in seiner time-on Theorie geäußerte Vermutung, daß lediglich die Dauer der Nervenaktivität bestimmen könnte, was bewußt wird. Libet kam zu etwa einer Drittel bis einer halben Sekunde notwendiger Vorlaufzeit der unbewußten Nervenaktivität (in Form eines seit den sechziger Jahren (Kornhuber und Deecke) bekannten Bereitschaftspotentials, d.h. einer langsam ansteigenden negativen Spannungsverschiebung, die untrüglich auf eine gleich einsetzende Tätigkeit hinweist) Penrose setzt dann die Dauer der Kohärenz der Mikrotubuli mit der halben Sekunde unbewußter Nerventätigkeit gleich und versucht somit den Übergang von unbewußten Vorgängen zu bewußten Vorgängen mit den Vorgängen in den Mikrotubuli gleich zu setzen. Die verschiedenen Formationen der Mikrotubulibausteine, des Proteins Tubulin stellen für Penrose die Schwelle für den Übergang der quantenphysikalischen zur klassischen Beschreibung dar, da nach dem Selbstkollaps der Anstoß für die weiteren neurophysiologischen Vorgänge und Funktionen dann klassisch (also kausal und lokal) beschrieben werden kann.
Die Formel für die Quantifizierung der Quantengravitationsschwelle lautet dabei T = h/E, wobei T die zeitliche Dauer der Superposition zwischen den Tubulins ist, h Plancks Konstante darstellt und E die Gravitationsenergie der unterschiedlichen Massenverteilungen der zwei Tubulinzustände (abhängig von der Zahl der kohärenten Tubulinproteine). Penrose nimmt dabei als durchschnittliche Superpositionszeit eine halbe Sekunde an. Penrose kommt nun zu folgenden Rechnungen: Ein typisches Neuron weist ungefähr 10 hoch 7 Tubulins auf. Wenn jetzt etwa 10 % (also 10 hoch 6) davon einen Zustand der Quantenkohärenz bilden, würden 1000 Neurone, die für eine halbe Sekunde korreliert wären, die Schwelle der Quantengravitation überschreiten = Orchestrated Objective Reduction Orch OR der Wellenfunktion.
Folgerung: Ein Organismus, der fähig ist, eine Quantenkohärenz über 10 hoch 9 Tubulins für 500 msec aufrechtzuerhalten, ist in der Lage bewußte Erfahrungen zu haben. Mehr Tubulins für eine kürzere Zeit oder weniger für eine längere Zeit erreichen dasselbe.
Da jetzt Quantenzustände nichtlokal sind, kann jede
Orch OR verschiedene Superpositionen zusammenbinden, die entweder
räumlich verteilt entstanden sind oder aber zu verschiedenen Zeiten!
entstanden sind. Die einzige Bedingung wäre die Überschreitung
der Gravitationsschwelle zu einem Moment. Nach seiner Berechnung könnte
auch das einzelne Elektron Bewußtsein erlangen (hier wird Penroses
Konzept der völligen Beliebigkeit des Auftretens von Bewußtsein
deutlich) Dazu müßte es aber seine Superposition in ungestörter
Isolation längere Zeit (und zwar länger als das uns bekannte
Alter des Universums) aufrechterhalten können. Kann es das nicht,
erfolgt die jetzt dann zufällige Reduktion R mit seiner Umgebung.
Penrose unterscheidet also zwischen zufälliger R und nichtzufällige,
nichtalgorithmisierbare Reduktion OR. Die Fragwürdigkeit dieser
Unterscheidung zeigt sich darin, daß also gewisse Teile des Organismus
nur völlig zufällig funktionieren, die Mikrotubuli hingegen nichtzufällige
Prozesse bewirken. Aber dies auch nicht ausschließlich! Denn die
Mikrotubuli beheimaten nach Penrose sowohl klassische als auch quantenmechanische
Prozesse. Die Polarität der Tubulin-Endzustände, die sich in
Nanosekundenschritten (10 hoch -9 sec) ändern können, pflanzt
sich lokal (klassisch) auf benachbarte Regionen fort, bildet damit Muster
und kann als Signalvermittlung fungieren. Das kann mit einer Geschwindigkeit
von 8 bis 800 Metern pro Sekunde geschehen und ist daher genau so schnell
die Weiterleitung der Aktionspotentiale. Diesen klassischen Prozeß
setzen Hameroff und Penrose rätselhafterweise mit autonomen, nicht
bewußtseinsfähigen Aktivitäten gleich, während die
weitreichenden, langanhaltenden (quantenphysikalischen) Kohärenzen
in den Mikrotubuli mit unbewußten, aber zum Bewußtsein führenden
Prozessen gleichgesetzt werden.
2.1.2. Probleme der Theorie
Die Theorie steht und fällt jedoch mit der Möglichkeit der oben beschriebenen Kohärenzen (Stapps Modell kommt beispielsweise ohne diese aus). Dazu benötigt man eine Isolation, also eine Energielücke zur Umgebung. Hameroff / Penrose geben dafür drei mögliche Mechanismen an. Erstens könnte das bis zu 3 Nanometer um die MT herumreichende geordnete Wasser diese Isolation herbeiführen. Zweitens könnte eine Gelatinhülle die Mikrotubuli abschirmen (das umgebende Cytoplasma kann in zwei Phasen auftreten als Lösung oder als Gel). Drittens könnte die Innenraum der MT diese isolierende Funktion ausführen. Keine der drei Möglichkeiten ist jedoch durch kaum mehr als dürftige Indizien gedeckt. Selbst wenn die Isolation der Mikrotubuli auf eine dieser Weisen gegeben wäre, kann man sich dann immer noch fragen, wie denn Synapsen, die Zwischenräume zu anderen Nervenzellen überbrückt werden sollen.
Ein besonders widersprüchliches Kapitel ist seine Vorstellung des Übergangs von unbewußten zu bewußten Vorgänge. Penrose argumentiert einerseits so, als würde nach einer halben Sekunde der Kollaps und damit ohne Zwischenschritte das Bewußtsein entstehen. Nun sind aber viele definitive Prozesse bereits in diesem Intervall der halben Sekunde entstanden. Ereigniskorrelierte Potentiale nach 100, 200, 300 msec (P100, N 200, P300) stehen für erkennbare Vorgänge, wo die Orch OR bereits geschehen sein muß (allerdings kann das wiederum nur ein bewußter Beobachter feststellen). Wenn dies aber klassisch beschreibbare Vorgänge darstellt, dann kann man sich fragen, wann denn die Zeit für den Aufbau der Kluft in der Raumzeit-Geometrie sein soll. Die Vorstellung, daß sich eine gigantische langanhaltende Quantenkohärenz aufbaut und direkt in einen Bewußtseinsakt überführt hat wenig Plausibilität. Andererseits nimmt er die Entscheidung für die Endzustände auf Nanometer-Niveau als Wechsel zur klassischen Beschreibung an und zeigt damit noch den langen Weg auf, den es bis zur Entstehung einer bewußten Wahrnehmung braucht. Diese Passagen sind daher auch am unausgereiftesten.
Außerdem muß man sich nach Lektüre der Theorie fragen, warum die Natur überhaupt die klassische Nervenimpulsweiterleitung mittels Aktionspotentialen über Dentriten, Zellkörper, Axon und Synapsen erfunden hat. Auf diese Standardverarbeitung wird nicht Bezug genommen, ebenso fehlt die viel schnellere reine Dentritenverarbeitung, die momentan als ein großer Favorit für parallele Prozesse wie das Bewußtsein gilt. Da alle Körperzellen Mikrotubuli enthalten, sie aber nach Penrose / Hameroff für Bewußtseinsprozesse mitverantwortlich, stellt sich außerdem die Frage, warum Bewußtsein im Gehirn entsteht und nicht in den Zehen. Hameroff verweist hierzu einerseits auf mehrere Unterschiede in den Bauweisen der Mikrotubuli, so sind sie in den Hirnneuronen parallel statt radial angeordnet, sind stabiler (durch Proteine gestützt), dichter verteilt und formen größere Netzwerke.
Nach Penrose ist das Bewußtsein nicht immer schon vorhanden, sondern entstand mit dem Selbstkollaps durch die Quantengravitationsschwelle. Vorher ist nach Penrose alles Zufall, erst danach folgen die "getunten"Reduktionen den Prinzipien der Selbstorganisation. Diese nimmt allerdings nur äußerst spärlichen Raum in ihrer Theorie ein, denn der primäre "Sinn" der Selbstorganisation, nämlich Selbsterhaltung und damit die Unterscheidung, welche Bedeutung innere und äußere Vorgänge für die Aufrechterhaltung der Systemoperationen besitzen, taucht bei Penrose niemals auf. Seine Theorie ist völlig frei von Bedeutung, von qualitativen Aspekten. Diese Einseitigkeit liegt daran, daß er nur die physikalische Basis biologischer und mentaler Phänomene beschreiben will.
Andererseits zeigt Hameroff eine gewisse Vorliebe für einen (nicht metaphysisch verstandenen) Panpsychismus. "Die einzige Sichtweise, die Sinn macht, ist die, daß Qualia der Natur intrinsisch sind, als eine Komponente der Realität". Vorgänge in den Mikrotubuli liefern das "Rohmaterial, aus dem die bewußte Erfahrung entspringt". Er erklärt im Einklang mit Penrose: Der Duft einer Rose, die Erfahrung der Röte ist eine besondere Geometrie der fundamentalen Raum-Zeit. Die Konzentration auf Mikrotubuli birgt naturgemäß eine Tendenz zum Reduktionismus in sich und tatsächlich neigen Hameroff und Penrose verstärkt zur Mißachtung von emergenten Prozessen höherer Ordnung. Penrose neigt also dazu, den Satz: "Das Gehirn ist nichts anderes als ein Computer" durch der Satz: "Das Gehirn ist nichts anderes als Quantenphysik bzw. Quantengravitation" zu ersetzen.
2.1.3. Ergänzende Betrachtungen
Für Penroses Argumentationen benötigt beträchtliche Geduld. Sein Umgang mit Begriffen ist sehr ungeordnet, seine erkenntnistheoretische Position ist häufig diffus und selbstwidersprüchlich (so meint er fälschlicherweise das Problem der Erlebnisqualitäten (Qualia) mit seiner rein quantitativen Theorie erklärend angehen zu können). Es dauert daher mitunter eine ganze Weile, bis man begreift, wie er die Dinge tatsächlich meint. Er nimmt an zahlreichen grundsätzlichen Stellen unbewiesene und leider nicht immer erklärte Vorannahmen in seine Hypothese hinein und trennt unzureichend zwischen Folgerungen, die durch Experimente belegt sind und Gedanken, die durch keinerlei Befunde gestützt sind. Diese Verstöße gegen wissenschaftliche Angewohnheiten sind in diesem heißen Forschungsgebiet leider viel zu häufig. Es wird also noch einige Jahre dauern, bis dort eine gewisse Klarheit einkehren wird. Trotzdem bewirkt aber die erstaunliche Simplizität seiner Theorie, wenn sie sich auch wohl keinesfalls in dieser Form bewahrheiten wird, eine Möglichkeit des Zusammendenkens von bislang nicht verknüpften Bereichen, wobei viele Verknüpfungen sicherlich nur zurecht geschneidert sind. So werden weitere Experimente wohl zeigen, daß die Zusammenhänge noch um vieles komplexer sind. Seine exponierte Rolle als spekulativer Vordenker dient jedenfalls dazu, öffentliche Aufmerksamkeit und Forschungsgelder für diese noch weit klaffende Lücke im physikalischen Verständnis von Lebensprozessen anzuziehen.
2.1.4. Wo ist der Schnitt zur Erzeugung der Wirklichkeit?
Die vielleicht wichtigsten Erklärungslücken
der Quantenphysik lauten: Warum kommt es zum Kollaps der Wellenfunktion?
Und wann findet der Kollaps statt? Penrose bietet auf die erste Frage eine
rein formale Antwort (geht damit immerhin weiter als andere Theoretiker):
Es kommt zum Kollaps, weil die Quantengravitationsschwelle überschritten
wird. Die zweite Frage ist ein schwerwiegendes erkenntnistheoretisches
Problem, denn man kann nur fundierte Aussagen über gemachte Beobachtungen
/ Messungen machen. Seine Ablehnung der subjektiven Deutung SR (Kollaps,
wenn ein bewußter Beobachter die Messung ausführt), kann nicht
wirklich überzeugend begründet werden, da weiterhin Maturanas
Satz gilt: alle Aussagen sind Aussagen von einem bewußten Beobachter.
Es ist unmöglich, den Beobachter zu eliminieren. Seine Unterscheidung
zwischen zufälligen Reduktionen und "besonderen" Reduktionen, die
Bewußtsein nach sich ziehen können ist zwar interessant aber
aus o.g. Gründen trotzdem fragwürdig. Sein Modell kennt also
zwei Schnittpunkte. Seine Vermutung, daß der "besondere" Kollaps
der Wellenfunktion jedesmal dann auftritt, wenn sich eine Entscheidungssituation
aufbaut und aus zwei oder mehreren möglichen Alternativen sich für
eine tatsächliche Realität entschieden wird, scheint zuerst ein
plausibles Bild zu sein. Denn jedesmal wenn eine Information (eine statt
einer anderen bzw. vielen anderen Möglichkeiten) entsteht, kommt es
zum Kollaps. Eine Information ist aber immer eine Information für
einen Beobachter. Diese Zweigliedrigkeit hatte Bateson in seinem berühmten
Satz: Ein Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht.
Doch wann kann es nun einen Unterschied machen? Vielleicht wenn es zu einer
"occasion of experience" kommt. Penrose bezieht sich auch auf diesen Begriff
Whiteheads, nennt sie auch Momente des "Jetzts" . Zu einer Erfahrung kann
es aber nur kommen, wenn der erfahrende Organismus dies auch bewußt
merkt, oder? Um uns herum ergeben sich fortwährend Unterschiede beispielsweise
in der Teilchendichte (Temperatur, Druck) oder in der Frequenz von Wellen
(optisch und akustisch). Unser Organismus reagiert auf aktive Weise darauf.
Ist das bereits der zweite Unterschied? Oder ist das erst dann der Fall,
wenn die Erwartungshaltung an die Umwelt zu großen Irritationen ausgesetzt
ist (zu große Unterschiede) und uns diese Diskrepanz bewußt
wird, weil wir eine Unterscheidung über verschiedene Reaktionsweisen
treffen müssen (spätestens hier wird die fehlende Bedeutungsebene
bei Penrose schmerzlich klar). Ein Beobachter eines solchen aufgeschreckten
Organismus, der an einer EEG-Apparatur hängt, wird bereits nach 200
msec eine eindeutige Reaktion der Gehirnaktivität feststellen können,
die auf einen Mismatch hindeutet; während es für den anderen
erst später bewußt wird. Wann ist jetzt für den Beobachter
und den Selbst-Beobachter eine Erfahrung entstanden, die mit einem Kollaps
der Wellenfunktion einhergeht? Wenn man sich jetzt bei schwierigeren Problemen
lange Zeit nicht für eine Lösung entscheiden kann, gehorcht dann
die Kohärenzzeit in den Mikrotubuli nicht der Quantengravitationsschwelle?
2.2. Weitere Ansätze, die auf die Mikrotubuli-Hypothese
aufbauen
Der Physiker Del Giudice (1988) aus Mailand geht mit seiner
Hypothese noch über die von Hameroff beschriebenen optischen Leitungsfähigkeiten
der Mikrotubuli hinaus: er behauptet, daß Mikrotubuli nicht nur Lichtphotonen
weiterleiten, sondern auch aus Lichtphotonen aufgebaut und strukturiert
werden. Ursache dieses Phänomens ist die Fokussierung kohärenter
Wellen, die die Bedingungen dafür schafft, Materie entsprechend dem
Strahlenkegel anzuordnen und zu verketten. Es handelt sich also um eine
gegenseitige Stabilisierung von kohärenter Strahlung und Materie.
Yasue, Jibu und Pribram (aufbauend auf Umezawa 1967)
stellten in ihrer Theorie der "quantum brain dynamics" eine Neurale Wellengleichung
auf, die dieselbe Form wie die Schrödingersche Wellengleichung in
der Quantenmechanik aufweist. Welleninterferenz spielt bei der Neuralen
Wellengleichung eine entscheidende Rolle, denn nach David Bohm geht jede
raumzeitliche Ordnung in eine nichtlokale implizite Ordnung über,
wenn sie in eine Interferenz eingeht. Betrachtet man das Gehirn also aus
der Sichtweise der Quantenmechanik, so bedeutet dies, daß wenn ein
Input die Interferenz der Gehirnwellen erreicht, er in eine nichtlokale,
also überall verbreitete Ordnung übergeht, er also durch andere
Muster interpenetriert wird und keine Spur von ihm zurückbleibt. Diese
implizite, nichtlokale, quantenphysikalische Ordnung muß unterschieden
werden von der makrophysikalischen, lokalen Ordnung topologischer Zuordnungen,
die der Hauptzweig der Hirnforscher in seiner Beschreibung der gehirnarealgebunden
Funktionen versucht.
Gordon Globus, der besonders Yasues, Jibus und Pribrams (Y, J & P) Auffassungen zuneigt, beschreibt einen Übergang von einem lokalen zusammengesetzten Muster (Computation), d.h. einer bedeutungslosen syntaktischen Form zu einer nichtlokalen Aktivität (beispielsweise wenn Formaspekte zu einem Bild eines Dreiecks zusammengesetzt werden). Der Gestaltsprung wird also als nichtlokales Phänomen gedeutet. Globus erweitert die Mikrotubuli-Hypothese über die Membran hinaus auch auf den extrazellulären Raum und damit in den synaptischen Spalt. Extrazellulär nennt man diese Eiweißröhrchen Matrix. Diese Fäden sind vielfach von innen nach außen über Wasserstoffbindungen verknüpft (zwei Fäden teilen sich ein Wasserstoffatom) Dieses Fadennetz muß nach seiner und Y, J & Ps Meinung als quantenphysikalisches System angesehen werden, denn mit seiner Ladung "fängt" sich das Netz nichtlokale Photonen. Auch Wassermoleküle sind mit dem Fadennetz eng verbunden. Wassermoleküle habe eine schwache elektrische Ladung und fügen sich zu einem Riesenwassermolekül zusammen, das etwa 50 Mikrometer großen Regionen umspannt. Solch ein Riesenmolekül verlangt eine quantenphysikalische Beschreibung, d.h. die Nichtlokalität bleibt erhalten. Also sind die vermittelnden Instanzen der Transferfunktion der Zellen Riesenwassermoleküle und Licht.
3. Das quantenphysikalische Modell von Eccles / Beck
Der Ansatz von John C.Eccles konzentrierte sich auf die
Synapsen. Denn seiner Meinung nach können Quantenvorgänge
im gesamten elektrophysiologischen Prozeß des Neurons nur dort eine
Rolle spielen (solch eine Aussage ist allerdings nur in diesen Größenordnungen
plausibel) Zusammen mit dem Physiker Friedrich Beck entwickelte er daher
in "Wie das Selbst sein Gehirn steuert" (1994) ein Modell für die
quantentheoretische Beschreibung der Synapsentätigkeit. In den Boutons,
den grundlegenden synaptischen Einheiten (auch präsynaptische Endplatten
genannt) vollzieht sich ein Prozeß, Exozytose genannt. Das heißt
nichts anderes als die vorübergehende Öffnung eines Kanals in
der präsynatischen Membran und die Freisetzung der Transmittersubstanz
in den synaptischen Spalt. Exozytose vollzieht sich immer nach dem "Alles
oder Nichts"-Prinzip. Wenn die Transmittersubstanz ausgeschüttet wird,
dann ganz. Eine Analyse ergab, daß ein Impuls, der von einem Axon
zum Bouton weitergeleitet wird, mit einer durchschnittlichen Wahrscheinlichkeit
von sehr niedrigen 25 % eine Freisetzung auslöst. Für diesen
Wahrscheinlichkeitsprozeß entwickelten die beiden eine quantenphysikalische
Beschreibung. Dabei nahm man an, daß eine Tunnelbewegung eines Quasi-Teilchens
den Auslösemechanismus der Exozytose darstellt. Eccles Hypothese lautete
nun, daß der mentale Vorsatz (das Wollen) durch eine momentane Zunahme
der Wahrscheinlichkeit einer Exozytose in ausgewählten Bereichen des
Kortex tätig wird. In der Sprache der Quantenphysik bedeutet dies
eine Selektion von Ereignissen, die bereits mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
vorbereitet waren. In der Benennung des zeitlichen Rahmens bezieht sich
Eccles auf die Experimente Libets, die ein Intervall von 200 msec zwischen
bewußten Wollen und der Ausführung einer willentlichen Handlung
ergaben.
Eccles Ansatz einer "Rückwirkung" mentaler Vorgänge
auf physikalische Gehirnprozesse wurde von seiten der Materialisten vor
allem mit der Begründung kritisiert, daß solch ein Modell dem
Energieerhaltungssatz der Physik widerspräche. Doch wie von Lucadou
in seinen parapsychologischen Beobachterexperimenten nahelegt, könnte
man dies als sinnvolle kurzfristige Korrelation innerhalb der Zufallsfluktuationen,
also nicht als Wirkung im eigentlichen Sinn beschreiben, die - über
den gesamten Prozeß betrachtet - wieder der Zufallsverteilung und
damit dem Energieerhaltungssatz entspricht. Eccles quantenphysikalische
Beschreibung mit entsprechendem Wahrscheinlichkeitscharakter geht denselben
Weg. Die Quantenphysik widerspricht nirgends den Erhaltungssätzen,
daher ist eine Kritik von dieser Seite recht unplausibel. Eccles verwendet
allerdings die Quantenphysik, um eine mit ihr nicht mehr machbare Ursache-Wirkungs-Hypothese
zu untermauern. Eine Aussage wie: "der Geist steuert sein Gehirn" bringt
uns leider erkenntnistheoretisch nicht mehr weiter. Mit den Erkenntnisprinzipien
der Quantenphysik versehen, könnte man vielleicht allerhöchstens
die Aussage formulieren, daß es lediglich nichtlokale Korrelationen
zwischen Gehirn und Geist geben kann, und keine Instanz die andere determinieren
kann. Man kann also auch von keiner kausalen Wirkung physikalischer Vorgänge
auf mentale Vorgänge sprechen, denn das emergente Auftreten von bewußten
Gedanken erfolgt diskontinuierlich und akausal. Wenn man aber das Selbst
als ewige Seele bezeichnet, die einen Dualismus mit dem Körper aufspannt,
dann tappt man in die Falle dualistischer wie metaphysischer Begründungsfiguren.
Denn alles angebliche Jenseitige ist in Wahrheit nur verschleiertes Diesseitiges.
Es gibt keine Aussagen, die sich nicht wieder auf andere diesseitige Aussagen
bezieht. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für materialistische
Glaubenssätze mit Begriffen wie "objektiver physikalischer Realität".
Solche Sätze tauchen nicht mehr auf im Weltbild der Einzelmeßzustände
/ Einzelbeobachtungen wie es aus der Kopenhagener Deutung der Quantenphysik
hervorgeht. Dieses hat sein Pendant in der konstruktivistischen Erkenntnistheorie
Luhmanns gefunden: auch hier kommt es zur sogenannten operativen Wende:
die einzelnen aktuellen Beobachtungen formen die Theorie. Auch wenn ich
Eccles Glauben teile, bleiben solche Aussagen streng genommen Geschmackssache
ohne erkenntnistheoretischen Wert. Er hätte besser daran getan, wissenschaftliche
Aussagen und religiöse Bekenntnisse etwas klarer abzugrenzen (allerdings
haben ihn die meisten doch vor allem wegen seines Glaubens und seinem Respekt
vor dem Leben in Erinnerung behalten). Wissenschaft ist nichts anderes
als Modellbildung ohne jemals eine Repräsentation der Realität
erreichen zu können. In diesem pragmatischen Wissenschaftsverständnis
(ein anderes ist für einen aufmerksamen Beobachter der Wissenschaftentwicklung
nicht mehr möglich) kann sich nur noch auf die verbesserte Konsistenz
des Theoriebaus und die Brauchbarkeit für den untersuchten Kontext
konzentriert werden.
4. Einwände gegen quantenphysikalische Ansätze
1. Quanteneffekte sind bislang nur in hochartifiziellen isolierten Systemen bis maximal -140 Grad Celsius nachgewiesen worden. Man nimmt an daß bei 37 Grad Celsius in lebendem Gewebe Quantenzustände sofort völlig "dekohärieren" , da sie mit ihrer Umwelt in Wechselwirkung stehen. Im lebenden Gewebe stößt schließlich alles permanent aneinander. Ohne Isolierung und einer daraus folgenden "Energielücke" geht die Kohärenz verloren. Man hat aber inzwischen bereits bei Wasser in normaler Zimmertemperatur die außerordentliche Wirksamkeit der Verschränkung von Protonen nachgewiesen, sodaß eine sogenannte Naturkonstante, der Streuwinkel (meßbar bei Beschuß der Protonen durch Neutronenstrahlen) keine Konstante mehr ist). Die Verschränkung der einzelnen Protonen wechselt sehr schnell 10 hoch -11 sec., aber man vermutet, daß etwa 25 - 50 % der Protonen zu jeder Zeit korreliert sind. Diese Vermutungen hängen aber noch völlig in der Luft, da bislang noch keinerlei Theorie für die Dekohärierung entwickelt wurde. Ob also ein Rest Erinnerung bei zwei Teilchen verbleibt, die sich gerade getrennt haben, ist bisher nicht bekannt.
2. Zwar weisen die Mikrotubuli und die mikrophysikalischen Quantenphänomene denselben Größenbereich auf (Nanometer), doch sind zur Auslösung einer bewußten Wahrnehmung die Tätigkeit von mehreren zehntausend Synapsen nötig. Sodaß nahe ausschließlich alle Hirnforscher eine klassische Beschreibungsweise für ausreichend halten. Hier ließe sich als Gegenargument anführen: bereits ein Photon, trifft es genau ins Auge, kann bei völliger Dunkelheit gesehen werden. Außerdem wurde bereits nachgewiesen, daß Entscheidungsprozesse in einer Zelle mindestens den Feinheitsgrad eines Moleküls aufweisen.
3. ein weiteres Argument gegen quantenphysikalische Ansätze
der Gehirntätigkeit ist das Meßproblem. Bislang ist keine Möglichkeit
in Sicht, solche Ansätze tatsächlich auch am experimentell zu
testen, denn es ist abzusehen, daß man das am lebenden Gewebe tun
muß. Denn um etwas messen zu können, muß
man es präparieren, das heißt töten.
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Stapp - Why Classical Mechanics Cannot Naturally Accommodate Consciousness
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New
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Quantum Measurement as Experience
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von R.Savage
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