Gastfreundschaft in arabischen und islamischen Ländern
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Zusammenfassung: Werner Pieper wollte ein Buch herausbringen, das kulturübergreifende Informationen vermittelt, und viele Fragen beantwortet, wie man als Deutscher mit den Menschen anderer Länder (dort wie auch hier) umgehen sollte. Natürlich übernahm ich einen Part mit dem schwerpunkt Arabien/Islamische Länder. Das Buch "Willkommen" wurde zwar kein Bestseller, bekam aber hohes Lob aus vielen betroffenen Kreisen, so z.B. von der Berliner Ausländerbeauftragen Frau Barbara John, die sich sehr dafür begeisterte und das Buch auch wiederholt öffentlich empfahl.

Eine fremde Kultur rein intellektuell begreifen zu wollen, mag im Grunde eine lobenswerte und harte Arbeit sein. Hat man sie erst einmal bewältigt, dann 'weiß' man sogar einiges, das hie und da nutzbringend anzuwenden ist. Und doch bleibt man den sublimen Botschaften des betreffenden kulturellen Verbandes gegenüber auch weiterhin taub und stumm, ...sofern man das zum Teil unwillkürliche Senden und Empfangen dieser Nachrichten nicht schon von Kindheit an erlernt hat. Das informelle Netz aus Gestik und Anspielung, aus Mimik und Tonfall, aus bewußt und unbewußt eingesetzten Signalen, überträgt einen beachtlichen Teil der zwischenmenschlichen Kommunikation. Wer allerdings hierfür eine gewisse Sensibilität und dazu eine rege Aufmerksamkeit besitzt, der wird sich im Orient schon bald wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser bewegen können.

Die Gastfreundschaft ist die alte Tradition der Wüste, sie entstand aus einer Notwendigkeit mit dem Ziel des Überlebens in einem der 'feindlichsten' Lebensräume des Menschen überhaupt. Und trotz Einbruch der Modernität und der damit einhergehenden allgemeinen Verwestlichung wird die Gastfreundschaft auch heute noch großgeschrieben ! Wer nicht bereit ist, den Freund UND den Fremden einzuladen und mit ihm zu teilen, der gilt in allen arabischen Ländern als geizig und unerträglich.

Nein ! Der Gast ist keine Last - sondern eine große Ehre, über die man sich freut...

Es mag zwar regionale Unterschiede geben zwischen den islamischen Ländern im allgemeinen und den arabischen Ländern im speziellen, auch sind ferner lokale und historisch erklärbare Differenzen zwischen den einzelnen Ländern festzustellen, doch wenn ich mich auch in diesem Text in erster Linie mit dem gesellschaftlichen Verhalten in der primär arabisch-islamischen Region des 'Fruchtbaren Halbmond' beschäftige, so kann man das hier notierte in den meisten Fällen trotzdem pauschalisieren.

Im Grunde sollte sich mensch -als Gast, wie auch als Gastgeber- , sofern er aus deutschen Landen kommt, an Knigge halten (mit Ausnahme des Bereiches der zwischengeschlechtlichen Kommunikation !). Denn wenn man 'Benimm' hat, wird dies auch im Ausland, ebenso wie von Ausländern im Inland, freundlich zur Kenntnis genommen. Die unvermeidlichen Patzer werden dem Fremden viel leichter nachgesehen wann man weiß, daß er sie aus Unkenntnis, und nicht aus mangelndem Interesse oder gar aus Rücksichtslosigkeit gemacht hat.

Doch besser als alle Theorien sind die wirklichen Bilder aus dem praktischen Alltag. Blicken wir doch einmal hinüber :

Treffen sich zwei Araber, die sich bereits kennen, so könnte man annehmen, die beiden hätten sich mindestens seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Sie fallen sich um den Hals und küssen sich auf die Wangen (selten auch auf den Mund), sie umarmen sich mehrfach und reden dabei gleichzeitig und laut aufeinander ein. Es hagelt Beteuerungen, wie stark man schon Sehnsucht nach einander hatte, Segenswünsche prasseln herab und ein jeder fragt den anderen mindestens fünf mal, wie es ihm denn ginge. Nur der Eingeweihte weiß, daß sich die beiden gerade am letzten Freitag fast genauso gestenreich voneinander verabschiedet haben.

Die modernen Städter aus Damaskus, Beirut oder Bagdad wirken heutzutage allerdings schon etwas 'steifer', etwas europäischer und distanzierter bei ihren Begrüßungen. Sie sind eben nicht mehr so locker wie der Bauer, der Fellache, oder gar der Hirt, der meistens aus beduinischem oder zumindest ehemals beduinischem Umfeld stammt. Doch genau aus diesem Umfeld stammen die noch heute gelebten Regeln des (Bilderbuch-)Arabers, der in diesem Text wohl auch noch einige Male auftauchen wird...

Treffen nun allerdings zwei Araber zusammen, die sich bisher noch nicht gekannt haben (besonders gut ist dies im Ausland, im Transitraum eines Flughafens z.B. zu beobachten), dann wird höflich bis verbissen gegenseitig und abwechselnd so lange gefragt und gebohrt, bis auch die letzten Verästelungen von Verwandschaftverhältnissen geklärt sind - oder man zumindest irgendeinen gemeinsamen Bekannten gefunden hat, was überraschenderweise trotz der relativen Größe der arabischen Welt auch fast immer der Fall ist ! An dieser Stelle verwandelt sich das ursprüngliche vorsichtige Lavieren spontan in eine fast brüderliche Solidar- und Interessengemeinschaft, "da man sich nun ja schon gut kennt".

Kein Araber kann deshalb verstehen, warum sich Deutsche und andere 'Westler' im Ausland nicht über ihre Landsleute freuen und nicht auch sofort daran gehen, neue Freund- und Schwägerschaften zu knüpfen. Stammen gar zwei Fremde aus derselben Stadt, dann sind sicherlich auch andere Orientalen mehr als verblüfft, daß diese sich überhaupt nicht kennen und sich vielleicht noch nicht einmal gegenseitig grüßen !!

Was das Fragen anbelangt, so können Araber auch gegenüber Fremden recht neugierig sein. Fairerweise sind sie aber auch gerne bereit, sich selber von den Fremden genauso ausfragen zu lassen. Keine falsche Scham also, man sollte jedoch überlegen, ob man auch alles beantworten will. Lächelndes Schweigen wird ebenfalls lächelnd akzeptiert. Nur nicht drängen lassen !

Ich sollte wohl hinzufügen, daß die Begrüßungen unter Frauen ganz ähnlich ablaufen, wie unter Männern (s.o.) - keinesfalls jedoch über die Geschlechtergrenze hinweg !! An dieser sind auch die meisten Fettnäpfchen aufgestellt, in die man als aufgeklärter Mitteleuropäer so schön hineintapsen kann. Vielleicht ist sogar das geschlechterspezifische (korrekte, d.h. Konsens-gestützte) Verhalten überhaupt das wichtigste Element der Höflichkeit und der kulturellen Akzeptanz, das es arabischen und islamischen Menschen und Ländern gegenüber zu beherzigen gilt. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Ausländerin recht gut daran tut, nicht jedem Mann die Hand zu geben. Immer daran denken, Zurückhaltung bringt Achtung ein.

Aus dem Off höre ich nun eine Stimme :

"Aber diese arabischen Machos pfeifen doch jeder blonden Frau nach und machen sicherlich noch schlimmeres, wenn man sie sich nicht vom Leibe hält".

Dazu kann ich nur sagen : Stimmt !

"Aber wehe, wenn mein Freund einer ihrer glutäugigen Frauen zulächelt, dann drohen sie gleich mit dem Messer..."

Stimmt ebenfalls. Allerdings sollte noch einen weiteren Blick auf die Situation geworfen werden.

Wer etwas aufpaßt, wird bald feststellen, daß die Männer ja auch die einheimischen Mädchen und Frauen 'anmachen'. Nur muß man da eben etwas vorsichtiger sein - von wegen Bruder, Cousin, Neffe usw.-, ist daher also auch selten so dreist, wie gegenüber Ausländerinnen. (Sorry, aber hunderte von im Westen produzierten, und zumeist unsäglich schlechten Fernsehserien haben das westliche Frauenbild des Orientalen sehr stark, und leider auch sehr negativ, mitgeprägt !!). Hinzu kommt, daß ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen kann, daß sich die Damaszener Schönheiten regelrecht übergangen fühlten, wenn man ihnen KEIN 'Psst-psst' hinterhersäuselte...

Etwas wissenschaftlicher : Die in vielen Fällen unerwartete, überaus rasante und auch noch keineswegs verarbeitete 'Überstülpung westlicher Wertmaßstäbe' hat zu tiefen kulturellen Entfremdungs- und Entwurzelungserscheinungen und Gefühlen der Orientierungslosigkeit geführt. Oftmals blieb den Familien im Zuge sozialer, kultureller und auch materieller Verarmung kaum mehr, als ein instinktives Festhalten an der sogenannten Familien- oder Stammesehre - und bei dieser steht der Schutz der Frauen der Familie oder des Stammes an allererster Stelle.

Doch soll es ja hier nicht um die Emanzipation des Mannes gehen (...), sondern um die Optimierung zwischenkultureller Beziehungen !

Neben dem sehr wichtigen korrekten Verhalten beim Betreten von Moscheen (IMMER Schuhe ausziehen, Frauen müssen ihr Haar bedecken, schlimmstenfalls reicht dabei ein Handtuch), möchte ich folgendes betonen : Westliche Frauen sollten sich den lokalen Sitten (der Bekleidung einheimischer Frauen usw.) stärker anpassen, als Männer. Ein deutscher Bierbauch in kurzen Hosen wirkt nur lächerlich, eine Frau in Shorts oder im Mikromini signalisiert jedoch im Verständnis des Orientalen die eindeutige Bereitschaft, begattet zu werden. Das Hinterherpfeifen verringert sich allerdings im Quadrat zur Länge des Rocksaumes (Newton) und sollte tolerant als pflichtschuldiges Solzialverhalten von Männchen im Balzverhalten (wie Krötenrufe, Vogelzwitschern, Grillenzirpen usw.) verstanden werden. Wird jemand allerdings 'handgreiflich', dann sollte frau so reagieren, wie jede gesittete Dame von Welt : mit dem Hacken der Pumps zuschlagen und ein Riesengeschrei veranstalten ! In Damaskus konnte ich mehrfach miterleben, daß 'Grabscher' die Polizeiwache nur grün und blau verschlagen wieder verlassen haben, insbesondere dann, wenn es sich bei dem Tatopfer um eine Ausländerin gehandelt hat (und diese nicht gerade im Bikini herumspaziert war). In Syrien und anderen arabischen Ländern steht auf Vergewaltigung übrigens die Todesstrafe.

Einzelne männliche Westler sollten sich eher davon zurückhalten, einzelne Frauen vor Ort anzusprechen. Im Verständnis des Orientalen kann der fremde Mann ja nur EINES im Sinn haben, nämlich genau das, was eben er selbst -der Orientale- ständig im Sinn hat. In den seltensten Fällen handelt es sich dabei um die Uhrzeit oder den Weg zum Bahnhof. Daß ein derartiges unziemliches Verhalten allerdings unweigerlich zum 'Messer im Bauch' führen soll, ist meistens eine Übertreibung (nähere Details und Adressen entsprechender Ärzte sind auf Anfrage beim Autor erhältlich).

Kehren wir also zum Thema einer friedlichen Begegnung zurück :

Schon an der Tür, sei es die Büro-, die Wohnungs- oder die Autotür, beginnt die zwischenmenschliche Höflichkeit. Man öffnet selbst, bietet dem anderen aber den Vortritt. Selbstverständlich lehnt dieser ab. Je nach individueller Situation kann das dann zweimal, dreimal oder noch öfter hin und her gehen, manchmal entsteht ein regelrechtes Gezerre, bei dem jeder versucht, den anderen mit aller Kraft VOR sich durch die Tür zu schieben, wobei eindeutig jener im Nachteil ist, der gleichzeitig auch noch die Tür offenhalten muß. Bisher hat sich das Problem meist dadurch gelöst, daß noch andere Menschen durch die betreffende Tür hindurch wollten (und : 'der Klügere gibt nach', geht voran, und überläßt dem anderen den Triumph des Sieges).

Ausländer sollten wenigstens einmal ablehnen, können aber ruhig bei der zweiten Aufforderung hindurch- oder hineintreten. Noch häufigeres Ablehnen impliziert eine meist doch nicht vorhandene Intimität und wäre daher unangemessen. Ausnahme : Der Herr Staatssekretär öffnet eigenhändig die Tür zum Besprechungsraum. Als ausländischer (Ehren-)Gast nickt man dankend und geht sofort hinein. Staatssekretäre und ähnliche Personen haben oft langjährige Westerfahrung und meist genauso wenig Zeit, wie ihre europäischen Entsprechungen, allerdings ohne deshalb auch gleich abgestumpft sein zu müssen. Die anderen Höflichkeitsregeln sollte man dagegen -schon aus Eigennutz- um so mehr beherzigen.

Im privaten Bereich ist es sehr wichtig zu berücksichtigen, daß in den meisten Fällen das Schuhwerk vor oder gleich hinter der Wohnungstür ausgezogen wird. Wenn man nichts derartiges bemerkt, sich also auch die anderen ihre Schuhe nicht ausziehen, so kann man trotzdem höflich danach fragen. Spätestens damit erweist man sich als rücksichtsvoller Gast. Einige orientalische Familien haben sich hier in Deutschland z.B. schon derart assimiliert, daß auch sie -wie die meisten Deutschen- in ihren Wohnungen in Straßenschuhen herumlaufen - dies ist jedoch nur eine kleine Minderheit. Und in der Heimat wird fast ausnahmslos 'ausgezogen' - aller sonstigen Modernität zum Trotze. In Damaskus gibt es aber auch Gruppen, bei denen das Schuheausziehen gar nicht erwünscht ist - den Christen ! Vielleicht vergibt ja irgendeine Universität einmal einen Forschungsauftrag um herauszufinden, warum dem so ist.

Auch zum Sitzen verhält man sich ähnlich wie bei den Türen, man wartet ab, bis man dazu aufgefordert wird, dankt, bietet dem anderen den 'vor-sitz' an, und setzt sich frühestens erst dann. Selbstverständlich können (in Restaurants usw.) Mann und Frau die Beine übereinanderschlagen, es sollte jedoch 'züchtig' wirken. Und keinesfalls (!!!) darf dabei die Schuhsohle -und am besten auch nicht die Fußsohle- irgend jemanden ins Gesicht starren, egal ob man auf Stühlen im Palast, auf Kissen im Zelt oder auf Baumwollmatten im Lehmhaus sitzt.

Zur Entspannung möchte ich etwas aus der Familiensaga erzählen :

Mein Vater stammt aus dem Irak und hat einige Zeit nach Beendigung seines Studiums hier in Deutschland 1956 ein Ingenieurbüro in Damaskus eröffnet. Man bezeichnet die Iraker im allgemeinen als die 'Preußen' unter den Arabern. In jedem Fall ist ihr Wesen viel direkter und ihr Humor auch viel gröber, als der des kultivierten Levantiners, zu denen man auch den Damaszener zählen muß. Und obwohl sich Iraker und Syrer sonst so ähnlich sind, zeigt folgende Begegnung den feinen Unterschied :

Es war schon spät in der Nacht, als mein Vater einen syrischen Geschäftsfreund nach Hause fuhr. Als sie angekommen waren lud ihn der Bekannte noch zu sich ein. Mein Vater dankte und wies auf die späte Stunde hin. "Aber nein, wir können auf der Terrasse noch einen Kaffee zusammen trinken...", erwiderte der Geschäftsfreund, doch mein Vater lehnte wiederum höflich ab. Nun bestand der Bekannte zum dritten Mal darauf, daß mein Vater sein Auto abstellen sollte, um für ein Tässchen Kaffee mit ihm zu kommen. Und da ihm meine (deutsche) Mutter ´damals wohl noch keinen trinkbaren arabischen Kaffee anbieten konnte, weder in der Nacht noch sonst irgendwann, willigte er hocherfreut ein, dachte an das irakische Sprichwort, "Nur der Geizige weist den Freigebigen zurück", und saß sicherlich noch eine gute Stunde mit dem Gastgeber unter dem Sternenzelt von Damaskus gemütlich und behaglich zusammen.

Wie erstaunt und verärgert war er jedoch, als er Tage später über Dritte erfuhr, daß der Gastgeber inzwischen überall in Damaskus verbreitet hätte, welch impertinente Person 'dieser Iraker' sei, einfach mitten in der Nacht seiner doch eindeutig nur höflichkeitshalber ausgesprochenen Einladung gefolgt zu sein...

Über den Daumen gepeilt gilt also tatsächlich die Faustregel : erst nach der zum dritten mal wiederholten Einladung darauf eingehen. Nur unter Freunden verzichtet man auf solche Spielchen und lädt sich gegebenenfalls sogar selber ein, ...unter Freunden !!

Nun sitzen wir also gemütlich im Schatten der Dattelpalmen und Jasmin-Sträucher, das Gespräch plätschert so dahin, und plötzlich steht das Essen auf dem Tisch, bzw. wird auf großen Tabletts und in Schüsseln auf einem auf dem Boden ausgebreiteten Tuch abgestellt. Es hängt von der Örtlichkeit ab, ob der Gast einen Wasserkrug über einer entsprechenden Auffangschüssel nebst Handtuch serviert bekommt - oder den dezenten Hinweis auf das Waschbecken nebenan. In städtischer und dörflicher Umgebung kann man meist mit fließendem Wasser rechnen, also auch ruhig danach fragen. Genauso rechnet der Gastgeber damit, daß sich jeder normale Mensch vor dem Essen die Hände (und selbst bei Wassermangel wenigstens die Finger) wäscht, denn gegessen wird traditionell noch immer und häufig mit den Fingern. Wie das geht, kann kaum beschrieben werden, es hängt meistens von der Art der Speise und der Art des Brotes ab. Niemand wird es daher übelnehmen, wenn sich der Ausländer zuerst etwas zurückhält um zuzuschauen, und wenn er sich dann trotzdem noch etwas tolpatschig anstellt. Oft bekommt er prophylaktisch einen Löffel hingelegt, den er auch ruhig benutzen kann - aber nicht muß. Wichtig ist es vielmehr zu wissen, daß man wirklich nur mit den FINGERN ißt. Reiskrumen und Fettreste haben auf dem Handrücken nichts zu suchen! Also : zuschauen und nachmachen ! (Gute Beschreibungen sind bei Karl May nachzulesen...!).

Ähnlich verhält es ich mit Getränken, gleichwohl sich hier schon bei der Zubereitung manch Ritus eingeschlichen hat, der von Land zu Land und von Stadt zu Stadt voneinander etwas abweicht.

Zum Beispiel beim Tee : Traditionell gießt sich der Gastgeber das erste Glas selber ein, dann wird reihum auch den anderen eingeschenkt (heutzutage nicht mehr bindend, Giftmorde sind ja auch nicht mehr 'In'). Werden die Teetässchen bereits gefüllt auf dem Tablett serviert, obliegt es der Intelligenz des Tabletthalters herauszufinden, wem wohl die Ehre gebührt, als erster bedient zu werden. Ist es der ausländische Gast, so empfiehlt sich auch hier wieder, wenigstens das eine Mal dankend abzulehnen und den 'Vortritt' dem Gastgeber (falls dieser noch nichts bekommen hat) oder einer anderen würdigen Person anzubieten, bevor man selber zugreift. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für andere Getränke. Und mit dem ersten Schluck ruhig etwas warten.

Und beim Kaffee ? Auch hier wieder : Entweder spielt es sich ähnlich ab wie beim Tee, zum Beispiel im Falle des eher städtischen 'Moccas', der prinzipiell schon in der Küche in die kleinen Tässchen gefüllt wird, oder es handelt sich um den ursprünglichen 'arabischen Kaffee'. Diesen bekommt man bei den Beduinen ausschließlich, in Dörfern sehr häufig und in Städten selten serviert, hier allerdings mit zunehmender Tendenz (seit Einführung der Thermoskanne !).

Extrem schwarz gebrannt und zusammen mit Kardamon gemahlen oder gestampft, zieht der arabische Kaffee über Stunden und sogar Tage hinweg in minimaler Wassermenge in der Asche einer Holzkohlenglut. Klar, daß sich dies in geschlossenen und klimatisierten Büroräumen nicht ganz so gut machen läßt - daher auch der Boom beim Absatz von Thermoskannen. Der Kaffee selbst wird in winzigen henkellosen Schälchen serviert. Oftmals hat ein Familien- oder Stammesmitglid die Aufgabe des ständigen Kaffeeschenkes zu erfüllen, oder es ist ein kleinerer Angestellter mit ordentlichen Manieren. Eingeschenkt wird reihum - womit zumeist auch die Höflichkeitsspielchen wegfallen. Dieser heiße, bittere, sehr schmackhafte und sehr starke Kaffee wird außerdem auch bei Festlichkeiten ausgeschenkt. Nun muß man beachten, daß der Schenke meist nur zwei oder drei Schälchen zur Verfügung hat. Also sollte man sich nicht zu lange Zeit lassen mit dem Trinken. In dem Schälchen befindet sich sowieso kaum mehr als ein einziger Schluck (den man trotzdem ruhig teilen kann). Man sollte den Kaffee also einige Sekunden im Schälchen sanft kreiseln lassen, was auch zum Abkühlen zu empfehlen ist, und ihn dann trinken. Gibt man dem wartenden Schenken nun das Schälchen zurück, bekommt man es prompt nachgefüllt wieder vor die Nase gehalten. Manch einem Ausländer wurde es nach dem X-ten Schälchen etwas unheimlich, und außerdem ist der Kaffee wirklich höllisch stark. Die Lösung : Man kann ruhig zeigen, daß der Kaffee sehr gut schmeckt und sich einmal (oder auch häufiger) nachschenken lassen. Spätestens nach dem dritten Mal jedoch sollte man seinen Dank ausdrücken (freundliches Kopfnicken) und ein weiteres Nachschenken ablehnen - indem man beim Zurückreichen mit dem Schälchen leichte Schüttelbewegungen macht. Ganz logisch und eindeutig, nicht wahr ?

Und noch etwas : Beim Einkauf im Basar (ach übrigens, Informationen zum Thema 'Handeln und Feilschen' vermittle ich in kostenpflichtigen Kursen, Anm.) bekommt man häufig etwas warmes oder kaltes zu trinken angeboten. Dies dient auch dazu, den potentiellen Kunden erst einmal festzuhalten, und kann daher recht schnell erfolgen. Ganz anders, wenn man schon kurz nach seinem Eintreffen im Falle eines vorher nicht angekündigten Privatbesuchs bei Freunden, Bekannten oder Fremden einen Kaffee serviert bekommt. Denn dies bedeutet nichts anderes, als das der Gastgeber arg beschäftigt ist - zugeben würde er dies jedoch selbst auf Nachfrage hin kaum. Man trinkt also den Kaffee (oder sonst etwas) zusammen, bespricht dabei den Grund des Besuches und verabschiedet sich möglichst bald.

Im Allgemeinen wird man bei Essensgelagen wiederholt bedrängt, noch mehr zu essen (und bei Christen -und nicht selten auch bei Moslems- noch mehr zu trinken). Ein Muslim sagt dann irgendwann, 'El-Hamdu Lillah' (gepriesen sei Allah), und hat seine Ruhe, denn damit drückt er eindeutig aus, daß er vollständig gesättigt sei. Als ausländischer Nicht-Muslim hat man es da schon etwas schwerer. Man kann auch bei Einladungen in bescheidenem Umfeld tüchtig zulangen, man ißt im allgemeinen recht zügig und ohne viel dabei zu reden. Allerdings sollte man dann aber in jedem Fall auch strikt dabei bleiben, weitere Speisen oder Getränke abzulehnen, wenn man sich gesättigt beim Gastgeber bedankt hat. Denn ließe man sich danach -aus falsch verstandener Höflichkeit z.B.- doch noch etwas aufdrängen, so bringt man den Gastgeber in einen, für ihn schier unlösbaren Verständniskonflikt, da er nun nicht mehr eindeutig weiß, ob der Gast nur aus Höflichkeit ablehnt, ob es sich um eine seltsame Verhaltensregel aus dessen Heimat handelt oder was überhaupt los ist... Also geht er auf Nummer sicher und beginnt den unschlüssigen Gast, der ja immer noch eher nur schlaff ablehnt, wie wild zu mästen.

Alternative : man läßt einfach genügend auf dem Teller liegen, um den Gastgebern eindeutig zu zeigen, daß man gesättigt ist.

Da sich dieser Artikel auch mit dem umgekehrten Fall beschäftigen soll, möchte ich den (deutschen) Gastgebern nun noch einige Tips für die Behandlung eines orientalischen Gastes geben :

Natürlich KEIN SCHWEINEFLEISCH anbieten, keine Blutwurst, und nur wenn man ganz sicher ist (man kann aber offen danach fragen) Wein oder andere Alkoholika. Dieses betrifft in erster Linie Moslems und auch Juden, bei denen die Regeln m.W. ja sogar noch weitaus schärfer sind. Trotzdem gibt es auch viele Christen im oder aus dem Nahen Osten, die nicht besonders erpicht auf Schweinefleisch sind. Weiterhin richtet sich die Striktheit bei der Akzeptanz von Nahrung selbstverständlich nach dem Grad der (eher 'rituellen') Religiosität. Denn eigentlich soll der Muslim nur 'Halal' essen, also unter islamischen Segensformeln geschächtetes Vieh. Das kann der übliche deutsche Fleischer jedoch kaum anbieten. Es empfiehlt sich also, bei einem türkischen Fleischer 'Halal' einzukaufen - und die orientalischen Gäste vor dem Essen darauf hinzuweisen. Selbst wenn diese zu den aufgeklärten Zeitgenossen gehören, wird sie das Bemühen des deutschen Gastgebers erfreuen. Sie werden sich geehrt fühlen und vielleicht erzählt der eine oder andere dann 'ganz im Vertrauen', daß er eigentlich doch recht gerne einmal ein echtes deutsches Eisbein oder den Pfälzischen Saumagen à la Kohl probieren würde...

Dann, aber erst dann, empfehlen sich kulinarische Experimente mit ausländischen Gästen.

Einige Randnotizen :

1. Im Orient wird nicht mehr, sondern unterschiedlicher gegessen, als in Europa. Berühmtestes Beispiel ist die original libaneseische 'Mezze' (oder 'Masa'), was nichts anderes bedeutet, als daß bei dieser Vorspeise der Tisch zumeist unsichtbar wird, weil sich einige Dutzend Schalen und Schälchen mit den möglichsten und unmöglichsten Dingen darauf stapeln, die alle gegessen, geknabbert oder weggeknuspert sein wollen. Dazu die frischen, oft noch warmen Brotfladen, von denen kleine Stückchen abgerissen und löffelartig gebogen werden, um damit die verschiedenen Pasten aufzunaschen oder andere 'Objekte' darin einzuwickeln und zu verspeisen. Aber wie gesagt, das ist nur eine bescheidene Vorspeise...

2. Im allgemeinen sind Araber weniger aufgeschlossen gegenüber Multikultur im Magen, als es die europäischen Völker (geworden) sind. Damaszener können sogar als extrem nationalistisch bezeichnet werden, was ihre heimische Küche anbelangt. Unberechtigterweise, denn so gut wie die libanesische, die allepinische oder gar die persische Küche waren sie noch nie.

3. Sonstige Ess-Tabus : ähnlich wie in Mitteleuropa. Viele Inlandaraber scheuen vor unbekannten Meeresfrüchten, essen aber gerne Fisch, ebenso Wild und Geflügel. Mit Muscheln oder Weinbergschnecken wissen nur die wenigsten etwas anzufangen ! Frösche bilden quasi die Grenze. Beliebt sind dagegen die meisten Gemüsesorten, weit verbreitet die Hülsenfrüchte und saisonales Obst findet man eigentlich auf jeder Tafel.

4. WENN es nun aber doch passiert ist, und der Gast erfährt beim Nachtisch erbleichend, daß sich in seinem Bauch bereits eine echt bayerisches Schweinswürstel herumtreibt, was dann ? In den seltensten Fällen wird die römische Methode angewandt (Kitzeln des Gaumens), denn die meisten Orientalen sind Realisten. Für ganz brave Moslems sollte der deutsche Gastgeber vielleicht einen Koranvers in der Hausapotheke parat halten. Im 173 Vers der 2.Sure wird höchstinstanzlich und tolerant der Ausnahmefall genehmigt : "Wenn sich einer aber in einer Zwangslage befindet, ohne von sich aus das Verbotene zu begehren, so trifft ihn keine Schuld".

An dieser Stelle noch ein kleiner Hinweis zum Thema Alkohol (was im übrigen ja ein arabisches Wort ist) : Auch Araber können 'wie die Löcher' saufen, wirklich. Und nicht wenige wenden dieses Können auch an. Doch im Unterschied zum Mitteleuropäer, der aufgrund wirtschaftspolitischer EG-Richtlinen gezwungen ist, die nahegelegene Eckkneipe zu finanzieren, frönt der Araber seinem Laster kaum in der Öffentlichkeit, sondern trinkt Zuhause oder -wie es meistens der Fall ist- mit und bei Freunden. Die ganze Sache spielt sich also im Privaten ab, womit auch der gute Ruf gewahrt bleibt, unbeschadet von den tatsächlich erreichten Promillewerten. Außerdem reduziert diese Methode die Anzahl der Autounfälle und Ehestreits, denn oftmals schläft man gleich dort, wo man getrunken hat. Im Gegensatz zu fundamentalistisch-restriktiven Ländern mit absolutem Alkoholverbot (z.B. das mittelalterliche Saudi-Arabien, Persien und Kuwait), ist in den Ländern des fruchtbaren Halbmondes Alkohol frei erhältlich. Der Irak zählte zu den Spitzenreitern im pro-Kopf-Verbrauch an Bier (der Gerstensaft soll ja auch dort erfunden worden sein), libanesischer Wein und der Anisschnaps Arrak haben eine alte Tradition auch außerhalb der christlichen Klöster.

Ach ja, der Fastenmonat Ramadan. In diesem sollte man seinen Arbeitskollegen erst nach offener Aussprache zum Mittagessen einladen. Vielleicht hält er sich ja aus rein gesundheitlichen Erwägungen an die Regel, einen Monat lang zwischen Sonnenauf- und -untergang nichts zu essen, zu trinken oder zu rauchen, auch wenn er sonst nicht gerade besonders rituell erscheint. Also fragen ! Der Zeitpunkt des Ramadans hängt vom islamischen Mondjahr ab und ist daher in jedem (christlichen Sonnen-)Jahr etwas verschoben, meist beginnt er 14 Tage früher, als im Jahr zuvor. Dadurch wird eine gerechte Verteilung der Fastenzeit über das gesamte Leben hinweg erzielt, mal findet sie im Sommer statt, mit seinen heißen, endlos langen Tagen, einige Jahre später dann wieder im leichter zu ertragenden Winter.

Im Übrigen wird in der Nacht mehr, besser und festlicher gegessen, als das ganze restliche Jahr über. Aber vielleicht ist auch nur der Begriff 'Fastenzeit' etwas einseitig...

Nach Ende der Fastenzeit gibt es ein großes mehrtägiges Fest, zu dessen Beginn möglichst alle Kinder, Frauen und Männer mit neuen Kleidern ausstaffiert werden und entsprechend herausgeputzt umherlaufen. Ein weiteres Fest findet alljährlich zum Ende der Pilgerfahrt statt. Weihnachten und Sylvester bedeuten in laizistischen Staaten wie Syrien z.B. jeweils einen offiziellen Feiertag für alle (dafür gibt es auch 2 mal im Jahr Weihnachten, Ostern usw., durch die schismatische Trennung in Ost- bzw. Westkirche!). Diese Feste werden zumeist aber nur seitens der christlichen Bevölkerung gefeiert.

Beobachten wir also unseren deutschen Gast, der zufrieden abgefüllt überlegt, mit welchen Themen man jetzt noch etwas Small-Talk machen könnte. Fußball ? In vielen Ländern genauso populär wie hier. Musik ? Wenn es nicht gerade städtische Teenies sind, mit denen er zu tun hat (M.Jackson, M.Talking...), werden sich hier kaum Brücken finden lassen. Geld ? Aber ja ! Man redet im Orient und als Orientale überhaupt gerne über Geld (des deutschen Tabu Nr.1). Politik ? Faustregel : in Deutschland ja, vor Ort möglichst nicht, sofern man nicht eindeutig bei Freunden ist, und auch kein anderer dabei ist, der nicht zum Clan gehört. Im Orient ist Politik IMMER Clanpolitik. Wirtschaftler, Politiker oder Manager sind daher nicht so gut in der Lage, hinter die jeweiligen Kulissen zu schauen, wie Soziologen, Ethnologen oder freundlich-neugierige Menschen wie Du und ich.

Geschenke !! Sie gehören zum Orient wie die Nabe zum Reifen, womit ich natürlich keineswegs sagen will, daß Araber prinzipiell leicht zu korrumpieren sind. Aber 'Geschenke erhalten die Freundschaft', wie man hierzulande sagt, und wenn sie etwas größer ausfallen, dann tut man dem anderen auch wirklich gerne einmal einen Gefallen. Die Techniken des Einsatzes dieser Strategie sind aber nicht Thema dieses Exkurses, so daß ich mich hier auf das reine Schenken beschränken werde.

Mitbringsel von Reisen sind hierbei besonders wichtig. Dabei handelt es sich um Kitsch bis Nippes - und wem das zu dumm ist, der kann ja z.B. Musikkassetten oder Videos verschenken (Pornos werden gerne gesehen, aber das wird auch nur gegenüber sehr -!- guten Freunden zugegeben, also Vorsicht !). Bei einfachen Besuchen bringt man kaum etwas mit, Schnittblumen sind auch recht unüblich (außer zu Hochzeiten usw.). Gern gesehen bei den einfacheren Menschen auf dem Land sind Feuerzeuge, Tabak, Schreibutensilien und natürlich alles, was ein Frauenherz (und ein Kinderherz !) begehren mag. Übrigens : nicht beleidigt reagieren, wenn der oder die Beschenkte das Objekt nicht sofort juchzend auspackt - viele meinen, daß sich dies nicht schicken würde und reißen die Verpackung erst dann auf, wenn sie alleine sind.

Wer sich nun aber Freunde vor Ort machen will, der frage diese vorher, was er ihnen aus dem Einkaufsparadies des Westens mitbringen soll. Meist bekommt man recht vernünftige Wünsche nach besonderen Medikamenten, kleineren Ersatzteilen oder ähnlichen, dort nur sehr schwer oder sehr teuer erhältlichen Dingen. Allerdings erbat sich auch einmal ein flüchtiger Bekannter einen Kotflügel für seinen Chevy von mir - den ich ihm im Flugzeug mitbringen sollte !! Doch einen Trost gibt es : niemand ist böse, wenn man mit leeren Händen zurückkommt und erklärt, daß man das Teil einfach nirgendwo gefunden hat, daß es nicht mehr ins Gepäck paßte - oder wenn man sich nach der Rückkehr gar nicht erst meldet und so tut, als hätte man die ganze Geschichte vergessen...

An dieser Stelle sei eine kleine Bemerkung eingeschoben : Wenn man aus Damaskus abreist oder wieder ankommt, schließt sich dem jeweils zuvor bzw. danach eine höchst lebendige Besuchsbewegung an, entweder geht man sich verabschieden, oder die halbe Welt kommt, um einem wieder willkommen zu heißen. Da die Handelsstädter jedoch ausgesprochen viel reisen, ist fast ständig jemand bei jemand anderem zu Besuch. Und dabei gehört es sich einfach zu fragen, was man denn mitbringen soll, oder ob man dem in der Ferne lebenden Neffen vielleicht etwas mitnehmen könne usw., usf. - aber Achtung !! Nur zu oft bekommt man daraufhin ein Kanister Olivenöl (10 Kg), mehrere Einweckgläser mit in Öl eingelegten Köstlichkeiten, vielleicht noch einen ordentlichen Sack Reis, und jede Menge anderes zum essen und naschen (der Neffe steht in Deutschland, oder wo immer er sich gerade befindet, vor dem unumgänglichen Hungertod, hat man den Eindruck). Wer sich dieses tatsächlich aufschwatzen läßt und dann noch selber Übergepäck dafür bezahlt, ist ob seiner Dummheit selbst schuld daran. Außerdem wird ihm die Fracht auf dem Flughafen -sofern er sie vernünftigerweise im Handgepäck verstaut hat- sowieso wieder abgenommen, weil Ölbehälter nicht mit in die Kabine dürfen (warum ? Wahrscheinlich deshalb, weil die Flughafenzöllner auch viele Kinder mit Lust auf Leckereien haben). Also : immer fragen, manchmal auch tun, ansonsten interessiert nicken und dann gleich vergessen.

Damit ich aber nun langsam zu einem Ende finde, gehe ich nachstehend und alphabetisch geordnet stichwortartig auf einige Dinge ein, die ich mir für diesen Artikel notiert hatte und bisher völlig vergessen habe:

Behörden & Beamten sind im Orient eine Tragödie für sich. Sie sind extrem bürokratisiert und werden noch schlechter bezahlt. Dadurch wird aber wiederum (fast) ALLES möglich. Wenn es trotz Bakschisch doch nicht geht, am nächsten Tag wiederkommen. Die Launenhaftigkeit dieser Mitmenschen ist sprichwörtlich. Ebenfalls recht erfolgreich ist die Methode 'Hartnäckigkeit' (ohne Bakschisch !). Einfach möglichst nah und in Sichtweite hinsetzen und so tun, als hätte man alle Zeit der Welt !!!

Fotos : Nicht alle Menschen im Orient lachen in jede Kamera. Besonders in ländlicher Umgebung sollte man stets vorher fragen. Frauen können andere Frauen fotografieren, für Männer ist es nicht so ratsam. Aber trotzdem : Auch in der Stadt kann man zeigen, daß man ein höflicher Mensch ist und vorher fragen.

Gebärden werden sehr häufig bewußt eingesetzt. Das Thema ist ein Buch für sich. Meist sind die Orientalen clever genug, um auch die Gebärden von Ausländern zu verstehen. Mit beleidigenden Gebärden (Fuck-Finger usw.) sollte man sich also besser zurückhalten. Hat es nur der 'angesprochene' gesehen, ist es halb so schlimm. Wurde es aber auch noch von anderen beobachtet, dann MUSS jener seine Ehrenrettung betreiben um einen Gesichtsverlust zu vermeiden - und das kann ordentlichen Zoff bedeuten. Ansonsten wird viel gebrüllt und gedroht, aber nur sehr wenig geschlagen oder gebissen. Meist schreit einer (oder beide) der Opponenten : "Haltet mich fest, sonst bringe ich diesen .... um" - was die Umstehenden sowieso schon längst getan haben. Derart festgehalten zerren und rütteln die beiden unter wütendem Gebrüll so lange herum, bis die Wut verpufft ist und sich beide -zur großen Freude der inzwischen arg schwitzenden 'Festhalter'- wieder nett und artig auf die Wangen küssen.

Geburt und Tod finden dort natürlich ebenso statt wie hier, ersteres allerdings ausgesprochen häufiger. Die Frauen sind z.B. stolz darauf, daß man ihre Wehenschreie noch 4 oder 5 oder 6 Häuser weit hört, Schwangerschaftsgymnastik wird dagegen eher als potentieller Mordversuch am Ungeborenen betrachtet. Als Geschenke zur Geburt empfehlen sich die gleichen Sachen wie hier. Die meisten Familien kochen einen bestimmten süßen, gewürzten und sehr leckeren Brei mit vielen Nüssen und Kokossplitter zur Geburt ihrer Kinder (überwiegend dann, wenn es männliche Nachfolger sind).

Und der Abschied ? Kondolenzbesuche sind ein sehr wichtiges soziales Ritual. Man geht drei Tage lang hin (unterschiedliche Besuchszeiten für Frauen -meist am Nachmittag- und Männer -Abends-), sitzt schweigend auf unbequemen Stühlen in einer fast leergeräumten Wohnung herum, lauscht den Koranrezitationen eines zumeist blinden Sheikhs und wird mit bitterem arabischen Kaffee bewirtet. Man kann danach sofort wieder gehen. Je enger die Bekanntschaft, desto länger der Besuch. Wer etwas auf sich hält, geht an allen drei Tagen hin (und liest dabei stumm die Fatiha, die eröffnende Sure des Koran). Bei Christen wird gequatscht und sogar gelacht, es ist eine viel entspanntere Atmosphäre. Während deren Verstorbene in Särge gepackt werden, scheinen Muslime eine Aversion gegen den Ton von langsam sich hindurchbohrenden Holzwürmern zu haben, sie werden daher nach dem Waschen nur in ein einfaches Tuch gehüllt und in das Loch im Boden -mit dem Kopf zur Kaaba- gesteckt. Danach besucht man die Gräber nur am 40. Todestag und später kaum häufiger als zu den beiden Hauptfesten des Jahres (s.o.). Dann bringt man frisch geschnittene Palmwedel mit, ansonsten sehen die islamischen Friedhöfe ziemlich verlassen und heruntergekommen aus.

Konfessionen gibt es im nahen Osten wie Sand am Meer, immerhin kommen die prophetischen Religionen ja alle von dort (ein Nest ?). Jede Gruppe und jede Sekte hat ihre eigenen kleinen Macken - und jede ist überzeugt, daß alle anderen auf dem völlig falschen Dampfer sind. In Syrien sind Muslime meist toleranter als die (Minderheit) der Christen, die außerdem noch in einige Dutzend verschiedener Gruppen und Grüppchen gespalten sind (Armenisch-römische, römisch-katholische, griechisch-katholische, aramäische Kirche, Nestorianer, Protestanten und und und...). Es ergeben sich immer wieder interessante Gesprächsthemen bei absolut unveränderlichen Meinungsstrukturen aller Beteiligten.

Mißverständnisse klammern wir hier einfach aus, das erleichtert vieles.

Psychologie : Araber sind jähzornig, freigebig und von Allah besessen. Überhaupt sind sie am wenigsten Planer, sondern eher schicksalsgläubig und den höheren Mächten völlig ergeben. Im Vergleich zum Mitteleuropäer und ganz besonders zum Deutschen sind bei Arabern die gleich mehrfach installierten Rückspiegel superblank geputzt, gewiehnert und verziert, während die Windschutzscheibe fast blind, die Scheinwerfer durchgebrannt und die Sicht nach vorne sehr erschwert ist. Meine Oma wußte noch die Besucher und Skandale aller Hochzeiten der letzten Generationen fehlerfrei aufzusagen. Was morgen passieren würde interessierte sie dagegen überhaupt nicht, es lag ja sowieso in Allahs Hand.

Bei Deutschen gibt es dagegen überhaupt keine Rückspiegel (oder sie sind verstellt), dafür mindestens 6 Halogen- und 8 Nebelscheinwerfer, die sichern sollen, daß das 30-jährige Dienstjubiläum tatsächlich am 13.Mai 2012 um 15:30 stattfinden wird... (so Allah will, Anm.).

Religionen und Gebete : Siehe unter 'Konfessionen'. Ansonsten wirft sich der brave Muslim fünf mal täglich zu Boden und geht am Freitag in die Moschee, um die Predigt zu hören, während es die Christen auch dort mit dem Sonntag haben. Es gibt noch Juden in Damaskus, sogar mehrere Synagogen, aber sie leben relativ zurückgezogen und werden von der Staatsmacht auch stets mißtrauisch beäugt. In jüngster Zeit hätten aber jüdische Familien immense Geldsummen in neue Geschäfte, Restaurants usw. gesteckt. Seitdem warten die Damaszener Händler fingertrommelnd auf den syrisch-israelischen Friedensvertrag.

Sprachen : Es gibt nur EIN Arabisch, das entweder als 'Hocharabisch' oder (etwas vereinfacht) als 'modernes Zeitungsarabisch' bezeichnet wird. Lokale Dialekte variieren allerdings bis zur Unverständlichkeit. Das gemeinsame aber, das ja auch alle Muslime auf der Welt verbinden soll, ist fast eine Art Esperanto. Die Wichtigkeit einer gemeinsamen 'Zunge' wird eindringlich klar, wenn man nur einmal die vielen unterschiedlichen Volks- und Sprachgruppen betrachtet, die alleine schon in Damaskus friedlich miteinander leben. Tscherkessen reden zu Hause Tscherkessisch, Armenier Armenisch, die Kurden reden Kurdisch, und es gibt sogar noch aramäisch sprechende Dorfbewohner, usw. usf. - aber miteinander reden alle -meist fehlerfrei- Arabisch. Die älteren können dazu oftmals etwas Französisch oder Englisch (Syrien & Libanon waren französisches Mandatsgebiet, der Irak und Jordanien englisches), die jüngeren können meist nur rudimentäres Englisch. In Palästina soll man sich seit einiger Zeit neben dem Arabischen auch mit Neuhebräisch behelfen können (...). In den Basaren des gesamten Orients sprechen allerdings alle alles... solange es nur klingelt und raschelt !

In Arabisch heißt danke : SCHUKRAN, Hallo : MARHABA (oder originär : AL-SALAMU ALAIKUM) und für Tschüs sagt man entweder BYE-BYE, einfach nur SALAM oder das ganze wieder (also Al-Salamu alaikum, Friede sei mit euch, bzw. die darauf zu erfolgende Antwort Ua-alaikum-al-Salam, was dasselbe bedeutet).

Unterschiede (lokal) : Wie bereits erwähnt, gibt es grundlegende menschliche Unterschiede zwischen Irakern und Libanesen, Ägyptern und Kuweitis usw., wobei man wissen sollte, daß die Levantiner meist frankophil sind, es gibt sehr viele Christen darunter. Syrische Bergbauern sind genauso dickköpfig wie alle Bergbauern auf der Welt (Präsident Assad und sein ganzer Clan stammen aus den Bergen...), während die Händler von Damaskus oder Aleppo jeden Außenminister in ihre kleine Westentasche stecken können. Man sagt auch, daß zehn jüdische Händler vor einem Armenier Angst haben, aber zehn Armenier vor einem Damaszener. Da ist sicherlich ein Kern Wahrheit dran.

Wegebeschreibungen : Ausländer haben schon oft die enttäuschende Erfahrung gemacht, daß man sie 'in die Wüste geschickt' hat. Das ist nicht böse gemeint und auch keine Verarschung, sondern nur ein Ausdruck von Unbeholfenheit, Selbstüberschätzung und falscher Scham. Die nach einem Weg oder Ort gefragte Person kann einfach nicht zugeben, daß ihr die Route völlig unbekannt ist - also zeigt sie zuversichtlich und bestimmt in die erste Richtung, die ihr einfällt...

Also -kurz zusammengefasst- :

Wenn du jemanden einladen willst, denn sei offen und ehrlich und du selbst. Niemand erwartet, daß du über Nacht oder auch nur für ein paar Stunden zum Araber wirst. Lieber eine Frage zuviel, als eine zuwenig.

Sei aber genauso offen, wenn DU jemanden besuchst. Dann ziehe die Schuhe aus und laß dich verwöhnen !!


Anmerkung

Dies war die leicht überarbeitete Version meines Beitrages für das Buch WILLKOMMEN, Hrsg. Werner Pieper, MedienXperimente, Löhrbach; gedacht als Leitfaden für Jugendliche und andere wache Menschen zum Thema "Gastfreundschaft Weltweit".
 
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Copyright: Achmed A. W. Khammas, Berlin 1997