Elektrosmog-Report
4. Jahrgang / Nr. 1 Januar 1998
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Epidemiologie und Technik
Magnetfelder der Bahn und Krebs

Bahnpersonal und Anwohner von Bahnanlagen sind im Vergleich zur Normalbevölkerung einer erhöhten Belastung durch niederfrequente elektromagnetische Felder ausgesetzt. In Abweichung von der sonst üblichen Frequenz von 50 Hz für die Versorgung mit elektrischer Energie wird zum Betrieb der Eisenbahn in Deutschland und einigen anderen Ländern Strom mit einer Frequenz von 162/3 Hz verwendet. Es liegen bisher vier spezifische Untersuchungen an Bahnpersonal aus der Schweiz, Norwegen und Schweden vor, die in ihrer Gesamtheit als Hinweis auf eine mögliche Krebsgefährdung durch elektromagnetische Felder, wie sie in der Bahn und in der Umgebung von Bahnanlagen auftreten, zu werten sind.

Zur Untersuchung gesundheitlicher Risiken durch niederfrequente elektrische und magnetische Felder (EMF) wurden eine Anzahl von Studien in der Allgemeinbevölkerung und einige Arbeitsplatzstudien mit Berufstätigen, die einer vergleichsweise hohen elektromagnetischen Belastung ausgesetzt sind, durchgeführt. Es ergaben sich dabei Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der EMF-Stärke und der Häufigkeit verschiedener Erkrankungen. Dazu zählen bösartige Tumore wie Leukämien und Hirntumore, neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer sowie unspezifische vegetative Beschwerden wie Schlafstörungen. Wenn tatsächlich eine Verbindung zwischen EMF im Frequenzbereich der gebräuchlichen Elektroenergieversorgung von 50 Hertz (Europa) bzw. 60 Hertz (USA) und gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen sollte, so ist dies auch für 162/3-Hz-Felder, wie sie bei der Deutschen Bundesbahn Verwendung finden, zu erwarten.

Besonderheiten der Bahnfelder

Die deutsche Bundesbahn verwendet für ihre Oberleitungen Wechselspannungen von 15 und 25 kV mit einer Frequenz von 162/3 Hz. Bei einem Laststrom von 2 kA beträgt das Magnetfeld typischerweise 18 Mikrotesla. Ähnliche Werte finden sich auch unter Hochspannungsleitungen, dort allerdings bei den 50 Hz der öffentlichen Stromversorgung.

Die Bahnstromversorgung arbeitet nach dem Zwei-Leiter-Prinzip, bei der es für den elektrischen Strom nur einen Hin- und einen Rückleiter gibt (Phase und Null-Leiter), während die öffentliche Stromversorgung im 50-Hz-Bereich (bzw. 60 Hz in den USA) mit drei Phasen arbeitet. Der Abstand zwischen der stromführenden Oberleitung und den stromführenden Schienen ist wesentlich größer als bei den sonst üblichen Arten der Leitungsverlegung im Mittelspannungsbereich (König und Folkerts 1997). Daher sind die Magnetfelder der Bahn in ihrer Stärke am ehesten mit den Feldern von Hochspannungstrassen zu vergleichen (110 bis 380 kV).

Eine besondere Problematik bei der Bahnstromversorgung ergibt sich durch die sogenannten vagabundierenden Ströme. Die als Tragkörper der stromführenden Schienen dienenden Schwellen gewährleisten keine gute Isolation gegenüber dem Erdboden. So können z. B. 20 % des Rückstroms als "vagabundierende Ströme" durch das Erdreich, Wasserleitungen oder angrenzende Häuser zum Einspeisepunkt zurückfließen. Der elektrische Strom sucht sich stets dort seinen Weg, wo die größte Leitfähigkeit, also in erster Linie Feuchtigkeit, vorhanden ist. So können abseits vom Schienenstrang durch vagabundierende, unkompensierte Ströme lokal unerwartet hohe Magnetfelder auftreten.

Eine weitere Problematik des Eisenbahnstromnetzes ist der hohe Gehalt an Oberwellen (50, 831/3 und 1162/3 Hz usw.). Diese resultieren aus der häufig zur Geschwindigkeitssteuerung von E-Loks angewandten Phasenanschnittssteuerung (Neitzke 1994).

Beeinflussung von Monitoren

Bekannt sind Bildschirmstörungen infolge von Bundesbahn-Magnetfeldern. So heißt es in einem aktuellen Artikel mit dem Titel "Schirmung niederfrequenter Magnetfelder" (Albert 1997): "Erschreckend ist, daß bei der Planung von Neubauten allzu selten die Nähe z. B. einer elektrifizierten Eisenbahnstrecke berücksichtigt wird. Die Monitorbeeinflussung durch 162/3 Hz-Wechselstrombahnen tritt anteilsmäßig am häufigsten auf ... Insbesondere in der Nähe von einspeisenden Unterwerken, an Bahnhofsausfahrgleisen oder an Steigungen, kündigt das Zittern einen Zug schon mehrere Minuten vorher an. ... In einer süddeutschen Großstadt wurde in 100 m Entfernung zu einer Bahnstrecke noch eine Feldstärke von über 1 Mikrotesla (ab 0,3 Mikrotesla flimmert ein großer Bildschirm) im Erdgeschoß eines Bürogebäudes gemessen." Hier liegt die Vermutung nahe, "daß der Erdrückstrom sich über Wasser- oder Gasrohre den Weg des geringsten Widerstands sucht und letztendlich in einer parallel zum betroffenen Gebäude verlaufenden Verrohrung dieses beachtliche Magnetfeld erzeugt".

Biologische Wirksamkeit von 162/3-Hz-Feldern

Über die biologische Wirksamkeit von 162/3-Hz-Wechselfeldern im Vergleich zu den üblich 50-Hz-Feldern gibt es nur wenig fundierte Aussagen. Die nationalen und internationalen Strahlenschutzorganisationen (BfS, SSK, ICNIRP, WHO) verwenden bis heute bei der Festlegung und Begründung von Grenzwerten das Körperstromdichte-Modell. Nach diesem Modell sind die im Körper induzierten Wechselströme das Maß für mögliche biologische Wirkungen. Solange die Wirkmechanismen zwischen EMF und dem Organismus weitgehend unbekannt sind, stellt dieses Modell lediglich eine Hypothese dar, die von vielen Wissenschaftlern nicht geteilt wird, da sie z. B. jegliche nicht-thermischen Effekte vernachlässigt.

162/3-Hz-Felder induzieren nur dreimal so geringe Körperströme wie 50-Hz-Felder, da die Induktion proportional von der Frequenz abhängt. Nach dem Körperstromdichte-Modell wären demnach 162/3-Hz-Felder um den Faktor 3 geringer biologisch wirksam als 50-Hz-Felder. Die oben erwähnten Oberwellen wären dafür biologisch um so wirksamer.

Magnetische Induktion in 5 m Abstand von der Bahntrasse
Magnetische Induktion in 25 m Abstand von der Bahntrasse
Magnetische Induktion in 50 m Abstand von der Bahntrasse

Diagramme: Verlauf der magnetischen Flußdichte in verschiedenen Abständen von einer Bahntrasse der Deutschen Bundesbahn (Köln-Bonn) über von 15 Minuten (Darstellung nach Messungen von Dr. Klaus Trost, Wissenschaftsladen Bonn, Sept. 1997).

Zudem zeigen wissenschaftliche Versuche, daß 162/3-Hz-Felder sogar biologisch wirksamer sein könnten als 50-Hz-Felder: Verschiedene Studien wiesen nach, daß der Kalziumionentransport durch Zellmembranen durch EMF beeinflußt wird und am größten ist, wenn ein alternierendes Feld im Bereich von 14 bis 16 Hz über ein statisches Magnetfeld gelegt wird (Blackman 1985, Blackman 1988). Es handelt sich also um einen Frequenzbereich, der nahe dem hier interessierenden von 162/3-Hz liegt. Allerdings ist der Zusammenhang zwischen Veränderungen zellulärer Kalziumionenkonzentrationen und gesundheitlichen Störungen weiterhin spekulativ.

Stärke der Felder

Zahlreiche Messungen in den letzten Jahren haben gezeigt, daß im Zugabteil und am Bahnsteig in der Praxis Mittelwerte des magnetischen Feldes zwischen 1 und 10 Mikrotesla und Spitzenwerte bis zu 22 Mikrotesla auftreten (vgl. z. B. Elektrosmog-Report, Juni 1997). Aktuelle Feldmessungen nach DIN/VDE 0848 im September 1997 bestätigen dies. Die Messungen während Zugfahrten auf einer Hauptstrecke der Deutschen Bundesbahn ergaben eine mittlere Induktion von 6,1 Mikrotesla, auf einer Nebenstrecke eine mittlere Induktion von 2,2 Mikrotesla (siehe Tabelle). Es handelt sich also um Größenordnungen, wie sie von der beruflichen Belastung von Elektroarbeitern bekannt sind. Vor allem beim Anfahren, Beschleunigen (z. B. auch an Steigungen) und Abbremsen der Züge entstehen für kurze Zeit sehr hohe Magnetfeldspitzen (ca. 20 Mikrotesla und mehr).

Neue Züge führen eher zu höheren als zu niedrigeren Magnetfeldbelastungen der Fahrgäste - Feldminimierungen scheinen für die Deutsche Bundesbahn bislang kein Thema zu sein. Die neue ICE-Generation (ICE 3) wird keinen eigentlichen Triebwagen mehr haben, vielmehr sind die Motoren über den ganzen Zug verteilt. Sicher gibt es hierdurch fahrtechnische Vorteile. Aber: Die Magnetfeldbelastung der Fahrgäste steigt an, vielmehr Menschen werden sich in der Nähe starker Elektromotoren aufhalten.

In der Umgebung der Bahntrassen wurden vom Wissenschaftsladen Bonn folgende Werte gemessen: Im Abstand von 5 Metern von einer Bahntrasse lag die magnetische Flußdichte im Mittel bei 2,2 Mikrotesla (siehe Diagramme). Sie betrug im Abstand von 50 Metern 0,3 Mikrotesla und lag damit immer noch höher als der bei vielen epidemiologischen Studien gewählte Schwellenwert von 0,2 Mikrotesla zur Einteilung in geringe und erhöhte Belastung.

Tabelle: Magnetische Induktion im Zugabteil und in der Nähe von Bahntrassen der Deutschen Bundesbahn (Messungen: Dr. Klaus Trost, Wissenschaftsladen Bonn, September 1997)
 

Expositionsart
Magnetische Induktion in Mikrotesla
Min
Max
Mittel
Zugabteil auf DB-Hauptstrecke (Bonn-Köln) 
1,4
22,8
6,1
Zugabteil auf DB-Nebenstrecke (Siegburg-Eitorf) 
0,3
7,3
2,2
5 m Abstand von DB-Bahntrasse (Bonn-Koblenz) 
0,6
5,0
2,2
25 m Abstand von DB-Bahntrasse (Bonn-Koblenz) 
0,2
1,2
0,5
50 m Abstand von DB-Bahntrasse (Bonn-Koblenz) 
0,07
0,9
0,3
 
Für den Bahnreisenden sind diese Felder wegen der geringen Expositionsdauer gesundheitlich vermutlich von relativ geringer Bedeutung. Anders könnte der Fall bei Bahnpersonal wie Lokomotivführern und Eisenbahnschaffnern liegen sowie bei Personen, die in unmittelbar an Bahntrassen grenzenden Häusern leben und damit langzeitig diesen Expositionen ausgesetzt sind.

Die Magnetfeldbelastung in der Fahrerkabine des Lokomotivführers liegen noch besonders hoch. Mit typischen Werten von 50 Millitesla (=50.000 Mikrotesla) liegt der Führerstand von Elektrolokomotiven zusammen mit Arbeitsplätzen an Induktionsöfen (25 bis 70 Millitesla) (vgl. Elektrosmog-Report, Februar 1997) an der Spitze aller EMF-belasteten Arbeitsplätze.

Epidemiologische Studien

Erst in den letzten Jahren wurde eine Anzahl von Studien zur Auswirkung von EMF bei einer Frequenz von 162/3-Hz auf die Krebshäufigkeit veröffentlicht. Diese Frequenz findet nur in einigen Ländern beim Bahnverkehr Verwendung. Neben Deutschland sind dies beispielsweise die Schweiz und die skandinavischen Länder, nicht jedoch die USA.

Insgesamt wurden vier Studien durchgeführt, die spezifisch die Krebshäufigkeit bei Bahnpersonal untersuchten. Eine Studie stammt von einer Arbeitsgruppe der Universität Bern (Balli-Antunes 1990), eine weitere von Tore Tynes und Kollegen von verschiedenen Institutionen in Oslo/Norwegen (Tynes 1994). Zwei Studien wurden in Schweden durchgeführt, eine von Birgitta Floderus und Kollegen vom schwedischen Nationalen Institut für das Arbeitsleben in Solna/Schweden (Floderus 1994), die zweite von Lars Alfredsson und Kollegen vom Karolinska Institut in Stockholm (Alfredsson 1996).

Auch eine Studie aus Dänemark, die eine Vielzahl von Berufen mit erhöhter elektromagnetischer Belastung, darunter auch Bahnpersonal, untersuchte, kann herangezogen werden (Guenel 1993). Hier fand sich eine erhöhte Leukämie-Rate bei kontinuierlich EMF-Exponierten wie Elektroinstallateuren und Gießereiarbeitern. Das Bahnpersonal war in diesem Zusammenhang allerdings nicht auffällig betroffen. Der Vollständigkeit halber soll auch eine italienische Studie erwähnt werden (Baroncelli 1986). Es wurde die allgemeine Gesundheit von Eisenbahnern untersucht. Es fand sich kein Unterschied zu einer Kontrollgruppe.

Schweiz

In der Fall-Kontroll-Studie von Balli-Antunes und Kollegen wurde die Sterblichkeit von Lokführern an Blutkrebs (Leukämien, Lymphome etc.) nach dem schweizerischen Sterberegister der Jahre 1969 bis 1983 analysiert. Als Kontrollen dienten Berufe aus der Metallkonstruktion und dem Maschinenbau (Kontrollgruppe 1) sowie technisches Personal (Kontrollgruppe 2).

Die Lokführer zeigten im Vergleich zu Kontrollgruppe 2 ein signifikant um den Faktor 1,7, also um 70 % erhöhtes standardisiertes Mortalitäts-Verhältnis (95%-Konfidenzintervall: 1,1-2,6) und im Vergleich zur Kontrollgruppe 1 eine leichte nichtsignifikante Erhöhung um 10 % (KI: 0,7 - 1,6).

Die Studie könne nach Ansicht der Autoren durch die strenge gesundheitliche Überwachung der Lokführer mit einem systematischen Fehler behaftet sein. Die gesundheitliche Überwachung ließe einen relativ großen Anteil an besonders gesunden Personen im Kollektiv der Lokführer erwarten. Dies werde unterstützt durch die geringe Sterberate im Alter von unter 60 Jahren im Vergleich mit beiden Kontrollgruppen.

Um so bemerkenswerter sei die erhöhte Rate von Todesfällen durch Blutkrebs, die nicht zu erwarten gewesen sei. Andere mögliche Ursachen für die Erhöhung der Blutkrebsrate als die erhöhte elektromagnetische Belastung spielten vermutlich keine relevante Rolle.

Norwegen

In die norwegische Studie wurden alle männlichen Eisenbahner - insgesamt 13.030 - unterschiedlicher Berufsgruppen (Bahnarbeiter, Eisenbahnelektriker, Stationsarbeiter) aufgenommen, die im Jahre 1958 auf elektrischen oder nicht-elektrischen Eisenbahnen gearbeitet hatten. Die Fälle wurden dem norwegischen Krebsregister der Jahre 1958 bis 1990 entnommen. Insgesamt fanden sich 39 Männer mit Gehirntumor und 52 Männer mit Leukämie. Jedem Fall wurden vier oder fünf Kontrollen gleichen Alters zugeordnet. Die elektromagnetische Belastung wurde anhand von Expositionsmessungen und historischen Daten geschätzt. Es wurde versucht, eventuelle zusätzliche Faktoren, die zur Auslösung eines Krebses beigetragen haben könnten wie Lösungsmittel, Herbizide und Rauchen, zu erfassen und zu berücksichtigen.

Die Autoren fanden ein geschätztes relatives Risiko (Odds Ratio) für die Entwicklung einer Leukämie von 0,7 und für die Entwicklung eines Hirntumors von 0,9. Es fand sich kein signifikanter Trend in Abhängigkeit von der EMF-Belastung. Die Autoren sehen daher keine Unterstützung für die Annahme einer Beziehung zwischen einer Exposition gegenüber 162/3-Hz-EMF und der Entwicklung bösartiger Erkrankungen.

Schweden

In die Studie von Floderus et al. aus dem Jahre 1994 wurden alle schwedischen Lokführer, Schaffner und Bahnarbeiter, die 1960 beschäftigt und 20 bis 64 Jahre alt waren, eingeschlossen (Floderus 1994). Sie wurden unter Zuhilfenahme des staatlichen Krebsregisters hinsichtlich des Auftretens von Leukämien und Lymphomen sowie von Tumoren des Gehirns, der Brust und der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) in den Jahren 1961 bis 1979 analysiert.

In einer früheren Untersuchung war aufgefallen, daß der Anteil von Beschäftigten an hoch elektromagnetisch belasteten Arbeitsplätzen in den siebziger Jahren für diese Berufsgruppen zurückgegangen war. Daher seien die beiden Dekaden 1961-69 und 1970-79 getrennt ausgewertet worden. Die "strukturelle Änderung" bei der Bahn könne nämlich dazu geführt haben, daß ein "hoher Anteil der Personen in den Expositionsgruppen nur in der ersten Periode einem hohen EMF-Niveau ausgesetzt war".

Tatsächlich war das relative Risiko in der ersten 10-Jahresperiode für Lokführer und Schaffner, an Leukämie zu erkranken, nicht-signifikant um den Faktor 1,9, also um 90 % erhöht (KI: 0,9-4,0). Das Risiko, an einem Gehirntumor zu erkranken, war nicht-signifikant um 20 % erhöht (KI: 0,8-1,9). Allerdings war das Risiko für Personen unter 30 Jahren, einen Hirntumor zu entwickeln signifikant um den Faktor 12,2 (KI: 2.8-52.5) erhöht. Basierend auf einer Zahl von 3 Brustkrebsen und 9 Hypophysentumore waren auch die relativen Risiken für die Entwicklung dieser Tumore signifikant erhöht. In der zweiten Dekade fanden sich keine derartigen Auffälligkeiten.

Die Autoren folgern, daß die Ergebnisse "einige Unterstützung für die Hypothese eines Zusammenhangs zwischen EMF und einigen Krebsarten" geben. Die erhöhte Rate der Hypophysentumore lege eine "hormonelle Verbindung" nahe.

Eine weitere Studie wurde 1996 von Lars Alfredsson und Kollegen veröffentlicht. Sie umfaßte alle Lokführer (n=7.466) und alle Schaffner (n=2.272), die jemals zwischen 1976 und 1990 bei der staatlichen schwedischen Eisenbahn beschäftigt waren. Die Untersuchungsgruppe überschneidet sich in etwa 20 % mit der von Floderus et al. aus dem Jahre 1994. In eine engere Analyse wurden nur Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren aufgenommen.

Insgesamt fanden sich in der engeren Analyse 209 Tumoren bei den Lokführern und 70 Tumore bei den Schaffnern. Die Gesamtrate aller Krebse bei den Lokführern lag 20 % unter der der schwedischen Allgemeinbevölkerung. Dies unterstreicht erneut den bereits erwähnten positiven Effekt einer intensiven Gesundheitsvorsorge bei den Lokführern. Die Rate bei den Schaffnern entsprach der in der Allgemeinbevölkerung.

Auffällig war ein signifikant erhöhtes relatives Risiko für die Entwicklung einer lymphozytischen Leukämie um den Faktor 2,3 (KI: 1,3-3,2) für Lokführer und Schaffner zusammen, also eine Erhöhung um 130 %. In beiden Subkollektiven war die Zunahme des Risikos für diese Leukämieform gleich groß. Alle Leukämien zusammen war nicht-signifikant um den Faktor 1,7 erhöht (KI: 0,9-2,9). Tumore der Hypophyse waren auf der Grundlage von drei Fällen ebenfalls nicht-signifikant um 60 % erhöht (KI: 0,3-4,8).

Melatoninhypothese

Eine jüngere Studie aus der Schweiz unterstützt die Melatoninhypothese auch für Eisenbahnarbeiter, nach der vergleichsweise starke Magnetfelder zu einer verminderten Produktion und Sekretion des Neurohormons Melatonin führen. Die Melatoninhypothese besagt weiter, daß diese Beeinflussung des Melatoninstoffwechsels einen krebsfördernden Effekt habe (vgl. Elektrosmog-Report, Februar 1996). Tierexperimentelle Studien legen nahe, daß die Epiphyse (Zirbeldrüse) und das von ihr produzierte Hormon Melatonin empfindlich auf magnetische Felder reagiert.

Die Studie von Pfluger und Kollegen basiert auf der Analyse der Konzentration eines Abbauprodukts des Melatonins, dem 6-Hydroxy-Melatonin-Sulfat (6-OHMS), im Morgen- und Abendurin von 108 Eisenbahnern während der Arbeitszeit und während der Freizeit (Pfluger 1996). Es wurden 66 stark magnetisch belastete Personen und 42 geringer belastete Personen untersucht.

Die abendlichen 6-OHMS-Werte waren bei den stark belasteten Personen an den Arbeitstagen im Vergleich zu den freien Tagen um 20 % erniedrigt (KI: 0,7-0,9). Diese Erniedrigung war nicht auf bestimmte Arten von Schichtarbeit beschränkt, wie etwa Früh- oder Spätschicht. Die morgendlichen 6-OHMS-Werte waren nicht auffällig.

Nach Ansicht der Autoren unterstützen diese Ergebnisse die Hypothese, daß die 6-Hydroxy-Melatonin-Sulfat-Ausscheidung beim Menschen durch magnetische Felder, wie sie beim Bahnbetrieb auftreten, beeinflußt wird.

Zusammenfassung und Schlußfolgerung

Die hier vorgestellten epidemiologischen Studien weisen methodische Unterschiede hinsichtlich der untersuchten Erkrankungen (sämtliche Blutkrebsarten, verschiedene Leukämien, Hirntumore, Hypophysentumore) hinsichtlich der verglichenen Variablen (Tod, Erkrankung) und hinsichtlich der eingeschlossenen Fälle (Bahnpersonal, nur Lokführer, Lokführer und Schaffner) auf. Die Studien deuten dennoch mit einer Ausnahme in die gleich Richtung.

Mit Ausnahme der Studie von Tynes et al. aus Norwegen fanden sich in den drei übrigen Studien Hinweise auf erhöhte Krebsraten, vor allem des blutbildenden Systems (Leukämien, Lymphome). Die beobachtete Zunahme war im allgemeinen gering, erreichte jedoch mehrmals statistische Signifikanz.

Bisher liegen keine Untersuchungen über den Einfluß elektromagnetischer Felder in der Umgebung von Bahnanlagen auf die Gesundheit der Anwohner vor. Angesichts der gemessenen Werte der elektromagnetischen Felder einer Frequenz von 162/3 Hz sind sie möglicherweise einer leicht erhöhten Gefährdung für die Entwicklung bestimmter Krebsarten ausgesetzt, so wie dies für eine häuslich erhöhte elektromagnetische Belastung für den Bereich von 50 und 60 Hz z. B. durch Hochspannungstrassen vermutet wird. Besonders betroffen sind die unmittelbaren Anwohner von Bahntrassen im städtischen Bereich (vgl. Elektrosmog-Report, März 1996).

Franjo Grotenhermen, Michael Karus

Redaktion Elektrosmog-Report



Literatur:
  1. Albert, S.: Schirmung niederfrequenter Magnetfelder. emc journal 3/97.
  2. Alfredsson, L., Hammar ,N., Karlehagen, S.: Cancer incidence among male railway engine-drivers and conductors in Sweden, 1976-90. Cancer Causes Control 7, 377-381 (1996).
  3. Baroncelli, P., Battisti, S., Checcucci, A., Comba, P., Grandolfo, M., Serio, A., Vecchia, P.: A health examination of railway high-voltage substation workers exposed to ELF electromagnetic fields. Am. J. Ind. Med. 10, 45-55 (1986).
  4. Blackman, C. F., Benane, S. G., Elliot, D. J., House, D. E., Pollock, M. M.: Influence of electromagnetic fields on the effelux of calcium ions from brain tissue in vitro: a three-model analysis consistent with the frequency response up to 510 Hz. Bioelectromagnetics 9, 215-227 (1988).
  5. Blackman, C. F., Benane, S. G., House, D. E., Joines, W. T.: Effects of ELF (1-120 Hz) and modulated (50 Hz) RF fields on the efflux of calcium ions from brain tissue in vitro. Bioelectromagnetics 6, 1-11 (1985).
  6. Floderus, B., Tornqvist, S., Stenlund, C.: Incidence of selected cancers in Swedish railway workers, 1961-79. Cancer Causes Control 5, 189-194 (1994).
  7. Guenel, P., Raskmark, P., Andersen, J. B., Lynge, E.: Incidence of cancer in persons with occupational exposure to electromagnetic fields in Denmark. Br. J. Ind. Med. 50, 758-764 (1993)
  8. König, H. L., Folkerts, E.: Elektrischer Strom als Umweltfaktor. Pflaum Verlag, 2. Auflage, München 1997.
  9. Neitzke, H.-P. et al.: Risiko Elektrosmog, Birkhäuser Verlag, Basel 1994.
  10. Pfluger, D. H., Minder, C. E.: Effects of exposure to 16.7 Hz magnetic fields on urinary 6-hydroxymelatonin sulfate excretion of Swiss railway workers. J. Pineal. Res. 21, 91-100 (1996).
  11. Tynes, T., Jynge, H., Vistnes, A. I.: Leukemia and brain tumors in Norwegian railway workers, a nested case-control study. Am. J. Epidemiol. 139, 645-653 (1994).
 
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Elektrosmog-Report im Internet

Bereits seit einigen Monaten sind die vollständigen Ausgaben des Elektrosmog-Reports im Internet (Web-Adresse siehe unten) zu finden. Bis auf die aktuellen Ausgaben der jeweils letzten drei Monate sind alle Ausgaben seit der ersten Ausgabe im April 1995 ungekürzt unter der angegebenen Adresse abrufbar. Im Oktober 1997 gab es mit 1.734 Zugriffen auf die Elektrosmog-Internetadresse die höchste Zugriffzahl seit Start dieser Seite.

... nützliche Internetadressen:

Im Berliner Datadiwan-Netzwerk finden sich sowohl alle Ausgaben der Fachzeitschrift Elektrosmog-Report als auch das E-Smog Archiv, Berlin: http://www.datadiwan.de/netzwerk/

Die oft zitierte US-Fachzeitschrift Microwave News hat die Internet-Adresse: http://www.microwavenews.com/

Das Bundesamt für Strahlenschutz publiziert regelmäßig Pressemitteilungen und Hintergrundartikel unter: http://www.bfs.de/

Ein sehr umfangreiches Internetangebot zeigt die Forschungsgemeinschaft Funk e.V.: http://www.fgf.de/

Wer sich für (technische) Elektromagnetische Verträglichkeit interessiert wird bei emv-online, der Internet-Messe für Elektromagnetische Verträglichkeit und CE-Kennzeichnung, fündig: http://www.emv-online.de/

 
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Veranstaltungshinweise

10. bis 12. Februar 1998, Congress Center Düsseldorf

EMV '98 - 6. Internationale Fachmesse und Kongreß für Elektromagnetische Verträglichkeit

Europas bedeutendste Veranstaltung für Elektromagnetische Verträglichkeit. 250 Aussteller aus 14 Ländern, 5.000 qm Ausstellungsfläche. Umfangreiches Kongress-, Tutorial-, Seminar- und Workshop-Programm (über 100 Vorträge).

Kosten: Gesamtkongreß 1.160 DM zzgl. MWSt. Umfangreiche Preisstaffel (es können auch einzelne Veranstaltungen besucht werden).

Veranstalter und Kontakt: MESAGO Messe und Kongreß GmbH, Postfach 10 32 61, 70028 Stuttgart, Tel 0711-61 946-25, Fax: 0711-61 946-90 und -98, e-mail: wieber@mesago.de, Internet: www.mesago.de

12. März 1997, Essen, Haus der Technik

Schutz vor Immissionen durch elektrische und magnetische Felder

Leitung: Dr. E. Stöcker-Meier, Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NRW.

Schwerpunkt: Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSCHV).

Zielgruppe: Führungs- und Fachkräfte von Energiewirtschaft bis Umweltverbände.

Kosten: 840 DM (HDT Mitglieder 780 DM)

Veranstalter und Kontakt: Haus der Technik e. V., Hollestr. 1, 45127 Essen, Fon (0201) 1803-1, Fax (0201) 1803-280.
 
 
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