Elektrosmog Report
Nr. 1 / 2. Jahrgang Januar 1996 
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EMF und Krebs
Vagabundierende Erdungs-ströme als Krebsrisikofaktor?

Eine aktuelle Studie aus den USA weist auf eine bislang unterschätzte Quelle von Magnetfeldbelastungen im Wohnbereich hin, die sog. vagabundierenden Erdungsströme, und zeigt eine Neuauswertung zweier Krebsstudien aus dem Jahre 1988 ihre Relevanz als Krebsrisikofaktor. Eine weitere Studie diskutiert die besondere Relevanz von Transientenfeldern im Wohn- und Arbeitsbereich in Hinblick auf biologische Effekte.

Eine Reihe von Studien haben den Zusammenhang zwischen verschiedenen Krebsarten und der Magnetfeldbelastung durch Hochspannungsleitungen untersucht. Metaanalysen dieser Studien zeigen, daß es Hinweise auf eine schwach positive Verknüpfung von Krebserkrankungen, speziell Leukämien, bei Kindern und der Exposition gegenüber Feldern von Hochspannungsleitungen gibt (vgl. Elektrosmog-Report 1(5), S. 5-7 (1995)). Als Maß für das Magnetfeld wurden die Verkabelungskonfiguration ("wire code", insbesondere in US-amerikanischen Untersuchungen), der Abstand zur Hochspannungstrasse und/oder Tagesmessungen des Magnetfeldes in den Wohnungen verwendet.

In einer aktuellen Studie weisen Nancy Wertheimer, David A. Savitz und Ed Leeper darauf hin, daß in den bisherigen Studien die Magnetfeldbelastung infolge sogenannter vagabundierender Erdungsströme unzureichend erfaßt worden sei. Dies gilt auch für die eigenen Studien der Autoren. Aus diesem Grund wurde die 1988er Denver-Studie von Savitz et al. unter Berücksichtigung von Indikatoren für vagabundierende Erdungsströme neu ausgewertet, ebenso wie die 1988er Seattle-Studie von Severson et al.. Die Ergebnisse zeigen ein deutlich erhöhtes geschätztes relatives Risiko (OR) bei gleichzeitig größerer Signifikanz der Ergebnisse (s. u.).

Physik der Erdungsströme

Vagabundierende Erdungsströme treten immer dann auf, wenn der Strom hinter dem elektrischen Verbraucher nicht über den vorgesehenen Neutralleiter (N) bzw. die Schutzleiter (PE), sondern über andere Wege, wie z. B. gut leitende, metallische Wasserleitungen, unkontrolliert zurückfließt ("vagabundierend"). Hierdurch können in der Wohnung Bereiche mit deutlich erhöhter Magnetfeldbelastung entstehen. Solange Hin- und Rückstrom in dicht beieinander liegenden Leitungen fließen, kompensieren sich deren Magnetfelder weitgehend und es bleibt lediglich ein kleines Restfeld übrig. Fließt der Strom dagegen über veschiedene Wege hin- und zurück, werden die Magnetfelder beider Ströme nicht mehr kompensiert und es entstehen Magnetfelder, die deutlich über den normalen Magnetfeldbelastungen im Wohnbereich liegen. Die meßtechnische Erfassung dieser Felder ist schwierig, da die Felder oft nur in lokal begrenzten "Inseln" in relevanter Stärke auftreten.


Vermeidung von vagabundierenden Erdungsströmen



"Erstens könnte das Niederspannungsnetz als TN-S-Netz ausgelegt sein, dabei wird der Schutzleiter überall getrennt vom Neutralleiter geführt und beide nur an der Betriebserdung verbunden. Dann gibt es im gesamten Netz nur diese eine Verbindung zwischen Neutralleiter und Schutzleiter, und es können keine Erdungsströme auftreten. Selbst im Fehlerfall können die Erdungsströme nur klein sein, da der Erdungswiderstand von Hauserdungen mindestens zehn mal so groß ist wie der Widerstand des Netzes. 


Die zweite Möglichkeit, größere Erdungsströme auch im TN-C-S-Netz zu vermeiden, ist, den elektrischen Widerstand für den unerwünschten Teilstrom groß zu machen, d. h. keine elektrisch leitenden Verbindungen zu Nachbargebäuden, z. B. durch metallische Installationen mit Kontakten zum Potentialausgleich im Haus und im Nachbargebäuden. Zusätzlich kann der u. U. auftretende Erdstrom durch eine Fehlerstrom-(FI)-Schutzeinrichtung begrenzt werden. 


Die dritte Möglichkeit, Erdungsströme zu vermeiden, ist das TT-Netz, in dem keine Verbindung zum Neutralleiter des Netzkabels zum Potentialausgleich der Hauserdung vorhanden ist. Dies ist nur dann erlaubt, wenn eine automatische Stromabschaltung mit Hilfe einer Fehlerstrom-(FI)-Schutzeinrichtung gesichert ist. Zusätzlich muß der Widerstand der Hauserdung sehr niedrig sein, damit im Fehlerfall auch bei Versagen der FI-Schutzvorrichtung die Leitung durch die normale Sicherung unterbrochen wird. Die Umstellung vom TN-C-S-Netz auf ein TT-Netz durch Entfernung der Brücke zwischen dem Neutralleiter und dem Potentialausgleich der Hauserdung darf auch bei gegebenen Voraussetzungen nur vom Elektroinstallateur durchgeführt werden." 



Zitat aus: EMF-Monitor 2/95, S. 12. (1995) 



Weiterführende Literatur: König, H. L. und Folkerts, E.: Elektrischer Strom als Umweltfaktor, Pflaum Verlag, München 1992. 


Die Ursachen für vagabundierende Erdungsströme können verschieden sein. Innerhalb des häuslichen Stromnetzes treten sie insbesondere dann auf, wenn Neutralleiter (N) und Schutzleiter (PE) bereits vor dem Sicherungskasten verbunden sind und zusätzlich der Schutzleiter über metallische Heizungs- oder Wasserrohre geerdet ist. Dies tritt vor allem in Altbauten auf. Ist im Sicherungskasten eine Fehlerstrom-(FI)-Schutzeinrichtung in Betrieb, können vagabundierende Erdungsströme aufgrund von Fehlinstallationen im Haus ausgeschlossen werden.

Die Ursache für vagabundierende Erdungsströme kann aber auch außerhalb des häuslichen Stromnetzes liegen. Im Sicherungskasten werden in der Regel N- und PE-Leiter zum PEN-Leiter zusammengeführt (TN-C-S Netz) und der Strom fließt über diesen PEN-Leiter zurück zum Einspeisepunkt der Stromversorgung. So sollte es zumindest sein. Ist aber der PEN-Leiter zum Potentialausgleich mit der metallischen Wasserleitung verbunden und stehen gleichzeitig Nachbarhäuser z. B. über leitfähige Hauptwasserleitungen, andere metallische Verbindungen oder besonders leitfähigen Erdboden in Verbindung, so kann der rückfließende Strom ganz oder teilweise über das Nachbarhaus zurück zum Einspeisepunkt fließen. Hierdurch entstehen wiederum unkompensierte Magnetfelder, die zu Belastungsinseln in den Wohnungen führen können.

Wertheimer et al. zeigten in ihrer Studie auf, wie man mit einfachen meßtechnischen Mitteln feststellen kann, ob ein Magnetfeld in der Wohnung aus externen Quellen oder von vagabundierenden Erdungsströmen stammt. Zusätzlich führten sie eine Klassifizierung von Häusern ein, die es möglich macht, das Auftreten von vagabundierenden Erdungsströmen auch ohne Messung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorherzusagen.

Felder, die von den beschriebenen vagabundierenden Erdungsströmen ausgehen, zeigen im Wohnraum in der Regel eine nicht-vertikale Orientierung, die Abweichung der Feldrichtung von der Horizontalen ist kleiner als 55 Grad. Generell erzeugen Ströme in geringem horizontalen Abstand horizontale, d. h. nicht-vertikale Felder.

Demgegenüber verursachen (horizontal) weiter entfernte, externe Feldquellen wie Hoch- und Niederspannungsleitungen vertikal orientierte Felder, deren Abweichung von der Horizontalen zwischen 55 und 90 Grad liegt. Mit Hilfe dieser Einteilung kann durch einfache Feldrichtungsmessungen in Wohnräumen (ohne Elektrogeräte in der Nähe) abgeschätzt werden, ob die gemessenen Felder vorwiegend von nahen Quellen (wie z. B. vagabundierenden Erdungsströmen) oder von weiter entfernten Quellen stammen. Nicht-vertikale Felder sind ein Indiz für eine nahegelegene Feldquelle, die sog. "hot-spots" innerhalb der Wohnung erzeugen. Diese Belastungsinseln können bei Einzelmessung in Raummitte leicht übersehen werden. Daher ist es an sich naheliegend, daß die tatsächlich relevante Magnetfeldbelastung besser durch Messungen der Feldrichtung als durch die Messung der Felder in Raummitte festgestellt werden kann.

Im Rahmen ihrer Untersuchung stellten Wertheimer et al. fest, daß erhöhte nicht-vertikale Felder (sog. ENV-fields = elevated nonvertical fields) in erster Linie in Häusern auftreten, die über leitfähige Wasserleitungsinstallationen (conductive plumbing) verfügen. Neuere Häuser, wie sie in den USA seit den frühen 70ern gebaut wurden, haben dagegen meist nicht-leitfähige Wasserleitungsinstallationen (nonconductive plumbing). Dies wird z. B. durch die Verwendung von Kunststoff- oder Asbestzementrohren erreicht, oder auch durch nichtleitfähige Dichtungen zwischen Stich- und Hauptwasserleitung. Nichtleitfähige Wasserleitungsinstallationen zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß Nachbarhäuser nicht miteinander elektrisch leitend verbunden sind.

Ergebnisse der Studie

Wertheimer et al. untersuchten, ob die Ausführung der Leitungsinstallation - leitfähig oder nichtleitfähig - Einfluß auf das relative Kinderkrebsrisiko hat. Das Ergebnis: Ein erhöhtes Krebsrisiko wurde für Kinder gefunden, die in Häusern lebten, deren Wasserleitungsinstallation leitfähig ausgeführt war. Das "angepaßte" geschätzte relative Risiko ("matched odds ratio", vgl. Schesselmann 1982) lag bei 1,72 (1,03-2,88) und stieg auf 4,0 (1,6- 10,0), wenn die Analyse auf Fall- und Kontrollgruppen beschränkt wurde, die vom Referenzdatum bis zum Datum der Studie einen festen Wohnsitz aufwiesen. Noch größere Werte ergeben sich für das geschätzte relative Risiko, wenn man Art der Wasserleitungsinstallation und die Verkabelungskonfiguration ("wire code") betrachtet. Kinder, die sowohl mit einer leitfähigen Wasserleitungsinstallation als auch mit dem höchsten "wire code" (HCC = high current configuration) lebten, zeigten ein geschätztes relatives Krebsrisiko von 4,7 (1,3- 16,2) (bei dauerhaftem Wohnsitz sogar 8,0 (1,0-61,4)). Die genannten geschätzten relativen Risiken ergeben sich aus der Neuauswertung der Denver-Studie. Ähnliche Ergebnisse finden sich bei der Neuauswertung der Seattle-Studie, die nicht-lymphatische Leukämiefälle bei Erwachsenen untersuchte. Schlossen die Autoren Erwachsene, die elektrisch beheizte Betten benutzten, aus der Kontrollgruppe aus, so ergab sich für Erwachsene, die erhöhten nicht-vertikalen Feldern ausgesetzt waren, ein um den Faktor 4 erhöhtes Krebsrisiko (4,0 (1,5-10,6)).

Zusammenfassend ergibt sich aus der Studie, daß Kinder, die in Häusern leben, deren Wasserleitungsinstallation leitfähig ausgeführt ist und eine leitfähige Verbindung zum Nachbarhaus aufweist, ein um den Faktor 4 erhöhtes Krebsrisiko zeigen. In solchen Häusern werden erhöhte nicht-vertikale Magnetfelder gemessen. Die geschätzten relativen Risiken sind statistisch signifikant und liegen höher als in den bisherigen Studien, die als Klassifizierungen die Verkabelungskonfiguration, den Abstand zur Hochspannungstrasse und/ oder das gemessene Tagesmagnetfeld heranzogen.

Die Autoren diskutieren, welches die möglichen Ursachen für das erhöhte Krebsrisiko sind. Liegt es an räumlich sehr unterschiedlichen Feldstärken, den größeren Feldgradienten, die bei nahen Feldquellen auftreten? Spielen lokale "hot spots" oder die Ausrichtung des Feldes (Resonanzeffekte mit dem Erdmagnetfeld) eine Rolle? Ist der intermittierende Charakter der Felder oder sind die Oberwellen und Transienten (s. u.), die im Hausnetz stärker als bei der öffentlichen Stromersorgung auftreten, der entscheidende Faktor? Schließlich könnte auch der Stromfluß durch die Wasserversorgung Einfluß auf das Trinkwasser haben.

Die Autoren weisen besonders darauf hin, daß sie erstmalig vagabundierende Erdungsströme detailiert analysiert und ihre Relevanz in einer epidemiologische Studie untersucht haben. Zukünftige epidemiologische Studien sollten neben den externen Feldern unbedingt auch vagabundierende Erdungsströme und ihre Felder berücksichtigen.

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Transienten

Ebenso wie Wertheimer et al. in ihrer Studie die Frage stellen, welche Felder und welche Parameter eigentlich die biologisch relevanten sind, diskutieren Guttmann, Zaffanella et al., welche Bedeutung Transienten im Wohnbereich haben. Transienten sind Strom- bzw. Schaltspitzen, die aus der plötzlichen Änderung der Stromstärke durch Zu- und Abschalten von Lasten resultieren und mit hohen induzierten Strömen einhergehen. Die induzierten Körperströme sind proportional zur Änderung der Quellströme.

Im Wohnbereich treten Transienten u. a. durch Ein- und Ausschalten großer Verbraucher, Motorenregelungen und Dimmer (Phasenanschnittsteuerungen) auf. Guttmann et al. fanden in typischen Wohnumgebungen zwischen 84 und 2.000 Transienten innerhalb von 24 Stunden (ohne Dimmer-Transienten).

Von der Physik und Biologie liegt es nahe, daß solche Transienten einen erheblich stärkeren Einfluß auf Zellen und Zellmembranen ausüben als die üblicherweise schwachen 50- bzw. 60-Hz-Felder im Wohnbereich. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis liegt bei Transienten verglichen mit der normalen Zellaktivität bei 10 zu 1.

Zaffanella diskutiert die Befunde über EMF-Effekte bei Näherinnen (z. B. erhöhtes Risiko für Kinder von Näherinnen an akuter Leukämie zu erkranken, vgl. Elektrosmog-Report 1(6), S. 7-8 (1995)) im Lichte der Transienten, da beim Betrieb von Nähmaschinen Transienten gehäuft auftreten. Sollten Transienten die entscheidende Rolle bei der EMF-Belastung spielen, so wäre u. U. verständlich, warum Studien, die als Expositionsmaß den "wire code" verwenden, systematisch zu höheren Krebsrisiken kommen als Studien, die die Magnetfelder (und nicht die Transienten) messen. Zaffanella sagte in einem Interview mit der Zeitschrift Microwave News: "Ich schwanke bei Transienten zwischen Aufregung und Skepsis". In jedem Fall sind weitere Forschungen essentiell notwendig.

Die Frage nach den relevanten Größen der EMF-Belastung ist nicht nur wichtig für das Verständnis und Ausmaß der biologischen und gesundheitlichen Wirkungen, sondern vor allem auch für technische Vorsorge- und Minimierungsmaßnahmen. So sind für die Begrenzung von Transienten ganz andere Maßnahmen erforderlich (und technisch machbar) als z. B. für die Begrenzung der Feldstärken.

Michael Karus, Redaktion Elektrosmog-Report

[Zitierweise dieses Artikels: Karus, M.: Vagabundierende Erdungsströme als Krebsrisikofaktor? Elektrosmog-Report 2 (1), S. 5-7 (1996)]
 
Quellen:

  1. Wertheimer, N., Savitz, D. A., Leeper, E.: Childhood cancer in relation to indicators of magnetic fields from ground current sources. Bioelectromagnetics 16, 86-96 (1995).
  2. Guttmann, J. L., Zafanella, L. E., Johnson, G. B.: Survey measurements and experimental studies of residential transient magnetic fields. Report TR-104532, Palo Alto, CA: EPRI (1994).
  3. Meinert, R.: Epidemiologische Studien über elektromagnetische Felder und Krebserkrankungen bei Kindern. Elektrosmog-Report 1(5), S. 5-7 (1995).
  4. Savitz, D. A., et al.: Case-control study of childhood cancer and exposure to 60-Hz magnetic fields. Am. J. Epidemiol. 128, 21-38 (1988).
  5. Severson, R. K., et al.: Acute nonlymphocytic leukemia and residential exposure to power frequency magnetic fields. Am. J. Epidemiol. 128, 10-20 (1988).
  6. Ground currents and transients: Clues to residential cancer risk. Microwave News 15(5), S. 3-5 (1995).
  7. Schesselmann, J. J.: Case-Control Studies: Design, Conduct, Analysis. Oxford University Press, New York 1982.
 
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Seminarbericht Esslingen
Biologische Wirkungen

Vom 28.-29. November fand in der Medizinisch Technischen Akademie Esslingen ein Seminar zu biologischen Wirkungen elektromagnetischer Felder und Wellen statt.

Günter Käs von der Universität der Bundeswehr in Neubiberg bei München sprach in mehreren Beiträgen über den aktuellen Erkenntnisstand im Bereich Hochfrequenz und biologische Wirkungen ("Hinweise gibt es viele, Beweise wenige"), die Forschungssituation in Deutschland und internationale Grenzwerte. Die Forschungslandschaft in Deutschland hält Käs für "beschämend". Im Bereich Elektrosmog wird drei Jahre überlegt und dann beschlossen, nichts zu tun. Auch in den nächsten fünf Jahren sind in Deutschland keine großen Erkenntnisse zu erwarten, da praktisch kein Geld bewilligt ist. Laut Käs werden Forschungsanträge insbesondere dann bewilligt, wenn die betreffenden Wissenschaftler bislang keine Effekte gefunden haben.

Die Folgen von Kurzzeitbelastungen, bei denen nicht selten positive Wirkungen festgestellt wurden, schlagen bei genügend langer Exposition (mehrere Wochen oder Monate) häufig ins Gegenteil um. Käs sieht hier eigene Versuchsergebnisse durch andere Institute bestätigt. Dabei gibt es Hinweise auf synergistische Effekte, daß z. B. eine Kombination der Belastung durch elektromagnetische Wellen und Schwermetalle eine Reduzierung der Belastbarkeit um den Faktor 100 bis 1.000 bewirkte.

Etwa 3,8 mV/m sind der kleinste bekannte Pegel, auf den der Mensch reagiert. Für guten Rundfunk- oder Fernsehempfang ist ein Pegel von ca. 4 mV/m erforderlich (72 dB über 1 V/m). Hiermit wird die Bundesrepublik mehrfach flächendeckend bestrahlt. Bei der jetzigen Erkenntnislage heißt das Gebot der Stunde: Belastung reduzieren.

Viele Studien haben gezeigt, daß die biologische Reaktion auf geschaltete bzw. gepulste Signale wesentlich stärker ist als auf konstante Signale. Die bisherige Grenzwertfestsetzung geht von der Annahme aus, Pulse seien genauso wirksam wie ihr Mittelwert. Die Gentechniker wissen schon lange, daß dies Unsinn ist und arbeiten mit Mikrowellenimpulsen unter 10 sec um Zellmembranen kurzzeitig zu öffnen.

Georg Bahmeier stellte u. a. ein hochwertiges Meßgerät für elektrische Wechselfelder vor. Das Meßgerät besteht aus einem Feldsensor und einer ausschließlich über Lichtleiter damit verbundenen Anzeigeeinheit und erlaubt somit potentialfreie Messungen der Feldstärke des elektrischen Wechselfeldes. Wird der Sensor an einer isolierten Stange montiert, so kann das elektrische Feld aufgrund der flachen Bauform des Sensors annähernd ohne Beeinflussung des Feldes vermessen werden (z. B. unterhalb von Hochspannungsleitungen). Ebensogut eignet sich das Meßgerät zur Bestimmung der elektrischen Feldstärke auf der Körperoberfläche eines einem elektrischen Feld ausgesetzten Menschen. Das Meßgerät deckt einen Frequenzereich von 10 Hz bis 50 kHz ab, der durch Filter auf die Frequenzbereiche um 16 2/3 Hz (Bundesbahn) und 50 Hz (öffentliche Stromversorgung) eingeschränkt werden kann. Der Preis liegt bei ca. 4.000 DM. Nähere Informationen: Ingenieurbüro für Feldmeßtechnik, Dr.-Ing. G. Bahmeier, Lechfelderstr. 13, 86836 Untermeitingen.

Karl-Heinz Braun-von Gladiß stellte u. a. alternative Behandlungsmethoden im Rahmen einer ganzheitlichen Medizin vor. So erzielte er z. B. mit Methoden der Bioresonanztherapie Behandlungserfolge bei Elektrosmog-geschädigten Patienten, denen mit den Mitteln der klassischen Medizin nicht geholfen werden konnte.

Andreas Varga berichtete von seinen seit Jahren bekannten (und umstrittenen) Experimenten zu HF-bestrahlten Hühnereiern und über den aktuellen US-amerikanischen NCRP-Report (vgl. Elektrosmog-Report 1(8), S. 5-7 (1995)).

Herbert L. König stellte innovative technische Konzepte vor, die durch geschickte Anordnung der Stromleiter und/oder Verteilung des Stroms auf mehrere Leiter einer Freileitung bzw. eines Stromkabels eine drastische Reduktion des hierdurch erzeugten Magnetfeldes ermöglichen. Durch relativ geringen technischen Mehraufwand könnten so die Belastungen in der Nähe von Hochspannungsleitungen, Bahntrassen, Erdkabeln usw. erheblich reduziert und damit die einzuhaltenden Sicherheitsabstände deutlich verkleinert werden. Ebenso können die von Raumbeleuchtungssystemen mit Niedervolt-Halogenlampen ausgehenden erheblichen Magnetfelder weitgehend vermieden werden, wenn man die Lampen statt der üblichen 2-Leiter-Installation mit einer 3-Leiter-Installation anschließt, wobei der Strom in einer Richtung auf zwei Leiter aufgeteilt wird. Dies verbessert die Magnetfeldkompensation so drastisch, daß in bestimmten Abständen Reduktionsfaktoren von bis zu 100 erreicht werden können.

Weiterhin stellte König Magnetfeldkompensationssysteme für (einigermaßen homogen belastete) Gebäude vor, bei denen durch außen um das Haus verlegte Spulen ein Gegenmagnetfeld erzeugt wird, das das ursprünglich vorhandene Magnetfeld weitgehend kompensiert.

Peter Nießen, Redaktion Elektrosmog-Report

[Zitierweise dieses Artikels: Nießen, P.: Biologische Wirkungen - Seminarbericht Esslingen. Elektrosmog-Report 2 (1), S. 7-8 (1996)]
 
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Politik

Stand der
Elektrosmogverordnung

Die Elektrosmogverordnung ruht im Umweltministerium. Grund sind die erheblichen Dissenzen, die der im Juni 1995 von Angela Merkel vorgelegte Entwurf nach der Anhörung der Verbände im Juli 1995 ausgelöst hat (vgl. Elektrosmog-Report 1(7), S. 5-7 (1995)). Ein überarbeiteter Entwurf ist noch nicht in Sicht. Es ist derzeit vollkommen offen, ob und wann es zu einer Verabschiedung der Verordnung kommen könnte. Der Widerstand kommt u. a. von ARD und ZDF, die verkünden, daß sie ihren grundgesetzlichen Auftrag zur Versorgung der Bevölkerung nicht mehr erfüllen können, wenn es zur Verabschiedung käme.

Es ist durchaus möglich, daß eine Überarbeitung des Entwurfes solange verschleppt wird, bis eine europäische Regelung eine nationale überflüssig macht.

Große Elektrosmog-Anfrage der SPD

Ende November nahm die SPD-Bundestagsfraktion Stellung zur Elektrosmogervordnung und stellte parallel dazu eine Große Anfrage in Sachen Elektrosmog. In der Presseerklärung vom 27.11.95 heißt es: "Der vorliegende Referentenentwurf der Bundesregierung über elektromagnetische Felder nach dem BImSchG ist aus Sicht der SPD unzureichend. Die Bundesregierung ist bislang nicht bereit, niedrige Vorsorgewerte festzulegen. Der Entwurf stützt sich auf eine Empfehlung der Strahlenschutzkommission, in der praktisch nur thermische Effekte von elektromagnetischen Feldern berücksichtigt werden, kaum aber langfristige Wirkungen auf biologische Systeme, wie sie in vielen Studien nachgewiesen wurden. Hier aber liegt die wichtigste Regelungsaufgabe." Die SPD verlangt die Verabschiedung von Vorsorgewerten und eine Verankerung des Minimierungsgebots, "alle technisch möglichen Maßnahmen zur Verringerung elektromagnetischer Felder müssen auch eingesetzt werden". Als Vorbild werden die USA genannt, wo zunehmend der Begriff "vernünftige Meidung" (ALARA = as low as reasonable achievable = so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar, vgl. Elektrosmog-Report 1(8), S. 5-7 (1995)) diskutiert wird.

In der kritischen Großen Anfrage geht es der SPD-Bundestagsfraktion um den Sachstand bei Belastung und Gesundheitsrisiko, Möglichkeiten für technische Verbesserungen und die Kosten, Festlegung von Ziel- und Grenzwerten und den konkreten Forschungsbedarf. Eine Antwort auf die Große Anfrage ist nicht vor Februar zu erwarten.

Kontakt: SPD-Fraktion, Dr. Peter Struck, MdB, Dr. Sten Martenson, Tel: 0228 -16-42 729, Fax: 0228-16-46 518

10-Punkte-Programm der GRÜNEN

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen legte ein Zehn-Punkte-Programm zur Minimierung elektromagnetischer Belastungen vor. Darin wird im Einzelnen gefordert:

  1. Begrenzung niederfrequenter Magnetfelder bei neu errichteten Anlagen auf 0,2 T und eine Absenkung der im BMU-Entwurf für den Hochfrequenzbereich geplanten Grenzwerte um den Faktor 10.
  2. Ausweitung der geplanten Verordnung auf mobile Anlagen (Auto- und Mobiltelefone, Schiffsradar) und Elektrogeräte. Berücksichtigung der besonderen biologischen Relevanz gepulster Strahlung.
  3. Einführung einer Genehmigungspflicht für Stromversorgungs- und Sendefunknetze.
  4. Aufstellung von Emissions- und Immissionskatastern.
  5. Einrichtung eines Forschungsschwerpunktes der Bundesregierung "Gesundheitsvorsorge bei elektromagnetischen Feldern".
  6. Aufforderung an die Bundesregierung nach Durchsetzung einer verschärften EU-Richtlinie zum Schutz beruflich exponierter Personengruppen, ggf. nationaler Alleingang.
  7. Kennzeichnungspflicht für Emissionen elektrischer und elektronischer Geräte.
  8. Entwicklung technischer Minimierungskonzepte zur Reduzierung der Belastung für die Allgemeinbevölkerung.
  9. Verbesserer Schutz besonders störanfälliger Geräte in der Medizin durch entsprechende Normen und ggf. Verbote von EMF-Emittenten in Kliniken und Arztpraxen.
  10. Ggf. Verabschiedung eines Strahlenschutzvorsorgegesetzes zum Schutz vor nichtionisierenden Strahlen, falls eine Verordnung nicht ausreicht.
In der Begründung zu ihrem Antrag verweisen Bündnis 90/Die Grünen auf die Empfehlungen im NCRP-Bericht (vgl. Elektrosmog-Report 1 (8), S. 5-7 (1995)). Die Bereitstellung von Geldern für die Grundlagen- und anwendungsbezogene Forschung und Minimierungskonzepte wird angemahnt.

Kontakt: Dr.Volker Schütte, Büro Dr. Manuel Kiper, MdB, Tel: 0228-16-81 547, Fax: 0228-16-86 515
 
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BMU fördert Untersuchungen zur Krebspromotion niederfrequenter EMF

"Im Juni 1995 wurde durch das Bundesamt für Strahlenschutz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Wege eines Wettbewerbes das Vorhaben "Prüfung von Möglichkeiten von Reaktionsfenstern von ELF-Magnetfeldern bei biologischen Systemen" ausgeschrieben. Aus den eingegangenen Anträgen wurde Ende September der Antrag der Arbeitsgruppe von Prof. Wolfgang Löscher, Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie, zur Förderung ausgewählt.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens sollen die Untersuchungen zur möglichen Krebspromotion durch niederfrequente magnetische Felder fortgeführt werden und die Dosis- und Frequenzabhängigkeit der beteiligten Mechanismen näher charakterisiert werden. Die bewilligte Zuwendung zur Projektförderung liegt bei rund 400.000 DM."

Wolfgang Löscher und Meike Mevissen arbeiten an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Ihre Untersuchungen über Melatoninhemmung und Brustkrebspromotion bei Rattenweibchen und Magnetfeldstärken zwischen 0,3 und 100 µT haben weltweit große Beachtung gefunden (vgl. Elektrosmog-Report 1(1), S. 5-6 (1995)) und können nun weiter fortgesetzt werden.

Quelle: TiHo Anzeiger 24(27) (1995)
 
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Internationaler Verband für die
Erforschung gesundheitlicher Risiken durch drahtlose Kommunikation
gegründet

Der US-amerikanische Verband WTR (Wireless Technology Research) gründete das International Committee on Wireless Communication Health Research (ICWCHR). Die Aufgabe der neuen internationalen Organisation soll die Schwerpunktsetzung und Koordinierung der Forschung sowie die Verbreitung von Forschungsergebnissen über die potentiellen gesundheitlichen Effekte drahtloser Kommunikationstechnologien sein.

Das ICWCHR hat keine formale Struktur und keinen Präsidenten. Es soll vor allem als Austauschforum für internationale Forschung dienen. Deutschland ist mit Gerd Friedrich, Geschäftsführer der Forschungsgemeinschaft Funk (FGF), vertreten.

Weitere Informationen: Susan O'Donnell (WTR Washington), FAX: (001-202) 833-2801.

Quelle: Microwave News 15 (5), S. 10 (1995).
 
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Neue Broschüre:
Wir reden von Elektrosmog

Die Verbraucher-Zentrale Niedersachsen hat im Dezember 1995 die Broschüre "Wir reden von Elektrosmog" in einer ersten Auflage von 20.000 Exemplaren auf den Markt gebracht. Die Verbraucherbroschüre klärt umfassend, kompetent und aktuell über Elektrosmog auf: Wie entsteht Elektrosmog? Was sind die wichtigsten Quellen? Welches Krankheitsrisiko besteht? Und vor allem: Wie kann man sich vor Elektrosmog schützen?

Adressen und Literaturhinweise runden die 8-DM-teure Broschüre ab. Das Manuskript stammt vom ECOLOG-Institut in Hannover.

Bezugsadresse: Verbraucher-Zentrale Niedersachsen e. V., Herrenstr. 14, 30159 Hannover, Tel.: (0511)91196-01, FAX: (0511)91196-10.

Termine

Hamburg 13. Februar 1996

Seminar "Elektrosmog" um 14 Uhr im Technologie-Beratungszentrum (TBZ). Veranstalter VDI Hamburg und das TBZ Hamburg.

Themen: Entstehung und Ausbreitung von EMF (Prof. Reinhard Kegel, FH Lübeck), Abschirmung (Prof. H. Singer, TU Hamburg-Harburg), Biologische Wirkungen (Ute Boikat, Amt für Gesundheit Hamburg) und Verbraucherschutz (Werner Schaper, Verbraucherzentrale Hamburg).

Teilnahmegebühr: ca. 50 DM, Anmeldung: TBZ, Fon (040)372204 und Fax (040)372354.

Nancy/Frankreich 29. Februar - 2. März 1996

3rd European Bioelectromagnetics Association Congress gemeinsam mit COST Project 244 - Congress (Biomedical Effects of Electromagnetic Fields).

Information: EBEA-Nancy 96, L.I.E.N. Université Henri Poincaré - Nancy 1, BP 239-54506 Vandoeuvre les Nancy, Frankreich, Tel: 0033-83 91-20 71, Fax: 0033-83 91-23 91.

Washington/USA März 1996

Electric & Magnetic Fields Seminar Series: Directions for EMF Research. Veranstalter: U.S. Environmental Protection Agency, U.S. Department of Energy.

Informationen: W/L Associates, 7519 Ridge Road, Frederick, MD 21702-3519, USA, Tel: 001-301-663-42 52, Fax: 001-301-371-89 55

Wien/Österreich 22. - 25 April 1996

3rd International Non-Ionizing Radiation Workshop. Veranstalter: International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection e.V.

Information: Austropa-Interconvention, Postfach 30, A-1043 Wien, Österreich, Tel: 0043-1-58 800-299, Fax: 0043-1-586 71 27.

Washington/USA 20. - 22. Mai 1996

1996 International Conference on Electromagnetic Energy. Veranstalter: Electromagnetic Energy Association, 1255 Twen-ty-Third Street, NW Washington, DC 20037-1174. Tel: 001-202-452-10 70, Fax: 001-202-833-36 36.


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