Elektrosmog Report
Nr. 4 / 1. Jahrgang Juli 1995 
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Kongreßbericht - Teil II
Biologische Wirkungen

Bericht vom Kongreß "Forum Elektrosmog" der TÜV-Akademie Rheinland zum Thema "Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Mensch und Umwelt" am 26. und 27. April 1995 in Köln. In der letzten Ausgabe des Elektrosmog-Reports berichteten wir in einem ersten Teil über den aktuellen Stand der Grenzwertdiskussion. Dieser zweite Teil befaßt sich vor allem mit der Frage nach gesundheitlichen Gefahren auch unterhalb der offiziellen Grenzwerte sowie der Forschungspolitik in Deutschland.

Eine zentrale Frage bei der Einschätzung möglicher gesundheitlicher Gefahren durch elektromagnetische Felder ist, ob die derzeitigen ICNIRP-Grenzwerte wirklich ausreichenden Schutz bieten. Immer wieder war auf dem TÜV-Kongreß für den 50/60-Hz-Bereich von einer Grauzone zwischen etwa 0,3 und 100 µT (=ICNIRP-Grenzwert für die Öffentlichkeit) die Rede. In diesem Bereich wurden sowohl in Zell- und Tierversuchen als auch in epidemiologischen Studien wiederholt biologische und gesundheitliche Wirkungen festgestellt. Wie sind diese Befunde zu bewerten? Reicht es hier aus, sich auf die Bewertung der ICNIRP zurückzuziehen, nach der all diese Befunde noch "nicht gut bestätigt" sind?

Prof. Jiri Silny von der RWTH Aachen hält Wirkungen unterhalb der Grenzwerte für irrelevant: "In der Literatur finden sich Einzelberichte über besondere Wirksamkeiten sehr schwacher Felder z. B. auf die Krebspromotion, die neuronale Informationsverarbeitung, den Kalziumhaushalt der Zelle oder die Konzentration des Enzyms Melatonin im Organismus. Mit derartigen spekulativen, z. T. rudimentären Schlagwörtern wird in der Öffentlichkeit Angst und Panik geschürt. Dabei sprechen die fehlende Kausalität und Reproduzierbarkeit, das Ausbleiben des Nachweises einer physiologischen Relevanz und der Übertragbarkeit auf den menschlichen Organismus sowie eine unüberwindbare Inkonsistenz mit dem physiologischen Erfahrungsgut klar gegen die Berücksichtigung dieser Berichte."

Ganz so einfach machte es sich Dr. Jutta Brix vom BfS (Bundesamt für Strahlenschutz) in ihrem detaillierten und viel beachteten Vortrag "Wirkungsmechanismen und biologische Wirkung niederfrequenter Felder" nicht. Es gäbe zwar bisher wenig Erkenntnisse über die Bedeutung oder über die möglichen Wirkungsmechanismen schwacher Felder im Körper, dennoch habe sich in den letzten Jahren die Hypothese herauskristallisiert, daß der Angriffspunkt der elektromagnetischen Felder die Zellmembran oder noch genauer membrangebundene Rezeptoren seien. Felder könnten den Informationstransfer in die Zelle beeinflussen, da die Rezeptoren den äußeren Stimulus nicht von körpereigenen Stimuli unterscheiden können. Durch die große Zahl verschiedener Rezeptoren seien sehr verschiedene Reaktionen möglich. "Bei Veränderungen der elektrochemischen Vorgänge können physikalische Faktoren, wie z. B. der Ferromagnetismus oder Dreh- und Rotationsbewegungen von Molekülen aufgrund von Ladungsverschiebungen, als Erklärung hypothetisch angenommen werden. .... Die schwierige Reproduzierbarkeit und das nichtlineare Verhalten der Zellreaktionen haben den Begriff "Fenstereffekt" geprägt, d. h. zur Auslösung eines bestimmten Phänomens war eine bestimmte Frequenz, eine bestimmte Intensität und Expositionsdauer erforderlich" (Brix). So berichtete Brix z. B. davon, daß Experimente einen Anstieg der Streßproteine (z. B. Adrenalin) bei 8 µT festgestellt hätten, ein Effekt, der bei kleineren und größeren Feldstärken nicht mehr zu beobachten sei.

Laut Brix können auch schwache magnetische Felder unter 100 µT bei 50/60 Hz biologische Reaktionen beeinflussen. Die Effekte können folgende Abläufe modulieren:

"Diese Effekte erscheinen meist nur kurzzeitig. Eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung fehlt. Ein grundsätzliches Problem sind die durch die Felder bewirkten geringfügigen Veränderungen und Modulationen der biologischen Reaktionen. Sie können auch von anderen, unbekannten Stimulatoren überlagert und ausgelöst werden. Damit kann die schwierige Reproduzierbarkeit der gefundenen Effekte erklärt werden" (Brix).
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Haben diese biologischen Effekte Einfluß auf den Menschen als Ganzes?

Zentrales Nervensystem: Bei 60 Hz und 50 µT konnte eine Beeinflussung des EEG gezeigt werden (Bell 1991), deren Bedeutung unklar ist. "Verhaltensexperimente mit Tieren deuten auf einen Einfluß der Magnetfelder auf das Lernverhalten hin, die Ergebnisse sind jedoch von weiteren Parametern abhängig" (Brix).

Krebs: "Eine Krebsinitialisierung durch elektromagnetische Felder (EMF) kann aufgrund der geringen Photonenenergie ausgeschlossen werden". EMF könnten aber die Latenzzeit verkürzen und die Tumorpromotion beschleunigen. Es wird laut Brix diskutiert, ob die Felder dabei direkt die Zellteilungsrate der entarteten Zellen beeinflussen, ob das Immunsystem oder die Ausschüttung des Melatonins, ein neurosekretorisches Hormon mit Einfluß auf das Immunsystem, gehemmt werden.

Neuroendokrines System/Melatonin: Die Beeinflussung des Melatoninhaushalts könnte Folgen für die Psyche (Depressionen), Biorythmen, Fortpflanzung und Krebsentwicklung haben. Während eine solche Beeinflussung selbst bei sehr geringen Feldern bei Ratten und Hamstern gefunden wurde, gab es bei Affen keine Veränderung des Melatoninspiegels.

Mißbildungen: "Bei niederfrequenten Magnetfeldexpositionen geringer Intensitäten konnte kein signifikanter Einfluß auf eine prä- und postnatale Entwicklung gefunden werden" (Brix).

Zusammenfassend stellt Brix fest: "Schwache Felder, die Stromdichten in natürlichen, körpereigenen Größen produzieren, können Zellreaktionen kurzfristig modulieren. Die Ergebnisse bei Untersuchungen mit schwachen Magnetfeldern, insbesondere mit magnetischen Flußdichten unter 100 µT, ergeben noch kein einheitliches Bild. Auch sind die genauen Wirkungsmechanismen noch nicht bekannt. Die Felder wirken offensichtlich sehr differenziert auf das Stoffwechselgeschehen der Zellen ein. Sehr heterogen und widersprüchlich sind Messungen verschiedener physiologischer Parameter. Es ist die Hypothese aufgestellt worden, daß membrangebundene Rezeptoren durch die Felder stimuliert werden. Es werden somit zelleigene Abläufe ausgelöst, die unter normalen Bedingungen zeitlich begrenzt sind. Unklar ist jedoch, wie eine Zelle reagiert, wenn sie durch andere Faktoren in ihrem dynamischen Arbeitsbereich eingeschränkt wird, und wie die elektromagnetischen Felder permament als Cofaktor wirken können.

Die Daten sind deshalb nicht genügend aussagekräftig und ergeben somit noch keine eindeutige Basis für eine Bewertung. Es müssen weitere, gezieltere Untersuchungen bei schwachen 50/60-Hz-Feldern durchgeführt werden. Es besteht auf diesem Gebiet ein großer Forschungsbedarf."

Rolf Meinert von der Universität Mainz, Institut für Medizinische Statistik und Dokumentation, stellte eine neue, gemeinsam mit Prof. Michaelis durchgeführte Arbeit vor, in der bisher veröffentlichte epidemiologische Untersuchungen zum Thema "Elektromagnetische Felder und Krebserkrankungen bei Kindern" systematisch einander gegenübergestellt und in verschiedenen Metaanalysen gemeinsam ausgewertet wurden. Ziel der Arbeit war es, mögliche Dosis-Wirkungs-Beziehungen herauszuarbeiten. "Bei der gemeinsamen Betrachtung der bisherigen Untersuchungen zeigt sich ein hohes Maß an Heterogenität. ... Für einen möglichen Zusammenhang zwischen hohen EMF-Expositionen (gemeint sind Expositionen, wie sie in der Umgebung von Hochspannungstrassen auftreten, die Red.) und dem Auftreten von Malignomen im Kindesalter gibt es somit zahlreiche Hinweise aus den publizierten epidemiologischen Studien, eine abschließende Bewertung scheint uns allerdings noch nicht möglich. Nach unserer Auffassung sind insbesondere weitere epidemiologische Studien mit abgestimmter Methodik für eine angemessene Expositionserfassung ("Bestätigungsstudien") erforderlich. ... Sollte sich (durch experimentelle Studien, die Red.) ein kausaler Zusammenhang belegen lassen, so wäre nach den Daten der meisten bisher vorliegenden epidemiologischen Studien hiervon nur eine sehr kleine Patientenzahl betroffen." Meinert wird in einer der nächsten Ausgaben des Elektrosmog-Reports seine Metastudie incl. Ergebnistabellen ausführlich vorstellen.

Meinert berichtete auf Teilnehmernachfrage hin von einer derzeit von Michaelis durchgeführten epidemiologischen Studie in Niedersachsen, die 24-Stunden-Messungen zur Erfassung der realen EMF-Exposition beinhaltet. Erste Ergebnisse werden frühestens Ende 1995 vorliegen.

Auf der Podiumsdiskussion führte Dr. Ute Boikat (Amt für Gesundheit, Hamburg) aus, daß epidemiologische Studien ein Risiko von 5 : 100.000 pro Jahr für die Entwicklung eines kindlichen Krebses durch das Wohnen in der Nähe von Hochspannungstrassen nahelegen. Dieses Risiko sei in der gleichen Größenordnung, wie ein Leukämierisiko für Kinder durch:

Schwangeren Frauen wird von diesen Verhaltensweisen abgeraten, Warnhinweise seien hier akzeptiert bzw. würden sogar erwartet. Warum aber würden Warnhinweise und Minimierungsempfehlungen für elektromagnetische Belastungen nicht in ähnlicher Weise ausgesprochen?

"Durch die weitreichende Verbreitung leicht erhöhter Felder in der zivilisatorischen Umgebung wie in der Umwelt, wird auch ein Risiko in dieser Größenordnung gesundheitspolitisch interessant. Man muß nach einfach durchführbaren, ökonomisch gerechtfertigten Maßnahmen der Meidung suchen."

Auch Wolfgang Maes (Medizinische Baubiologie und Umweltanalytik, Neuss) sprach sich auf dem Podium für EMF-Reduktionen aus. Er berichtete, daß jeder dritte bis vierte, der sich wegen Beschwerden an seine Beratung wende, durch eine Reduzierung der häuslichen EMF-Belastung deutliche gesundheitliche Verbesserungen erfahre. Für die EMF-Reduzierung stünden unzählige Möglichkeiten zu Verfügung, die meist ohne viel Aufwand und preiswert zu realisieren seien.

Dr. Siegfried Eggert von der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin berichtete von den Hochfrequenz-Expositionen am Arbeitsplatz. "Eigene umfangreiche Untersuchungen an Arbeitsplätzen haben gezeigt, daß die derzeitigen (beruflichen, die Red.) Grenzwerte an den meisten Arbeitsplätzen eingehalten werden können, und daß von wenigen Ausnahmen abgesehen, deren Einhaltung ohne unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich ist" (Eggert). Dennoch gibt es Bereiche, in denen die beruflichen Grenzwerte überschritten werden, teilweise bis zum Faktor 5. Als Beispiele nannte er u. a. Schiffssender, Schiffsradar und die Wartung von Wetterradars. Auch die Grenzwerte für die Öffentlichkeit können überschritten werden. Radiosendemasten in unmittelbarer Nähre zu Wohnungen oder Schulen können durchaus zu Belastungen im Bereich der Grenzwerte führen. Leistungsstarke Mobiltelefone (> 5 Watt), die entgegen den Empfehlungen mit nur geringem Abstand zur Antenne betrieben werden, verursachen leicht eine Überschreitung der zulässigen SAR-Werte. Als mögliche gesundheitliche Folgen hoher HF-Belastung nannte Eggert Grauen Star, Kopfschmerzen und Müdigkeit.

Dr. Uwe Kullnick (TU Braunschweig) gab einen Überblick über die biologischen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder im athermischen Bereich. Was im niederfrequenten Bereich die Grauzone zwischen 0,3 und 100 µT ist, ist im HF-Bereich der athermische Bereich. Als athermische Wirkungen werden solche HF-Wirkungen auf biologische Systeme genannt, deren Energie nicht ausreicht, um das Gewebe biologisch wirksam zu erwärmen. Über die möglichen gesundheitlichen Schäden athermischer Wirkungen herrscht bis heute kein wissenschaftlicher Konsens.

"Seit ca. 15 Jahren werden jedoch immer wieder wissenschaftliche Arbeiten publiziert, die sogenannte athermische Wirkungen schwacher elektromagnetischer Felder demonstrieren. Nach dieser Forschungsdauer ist es auffällig, wie selten verläßliche Aussagen über die Beeinflussung biologischer Systeme möglich sind. Deshalb stellt sich die Frage nach der gesundheitlichen Relevanz schwacher hochfrequenter elektromagnetischer Felder trotz zahlreicher wissenschaftler Veröffentlichungen über athermische Effekte immer noch" (Kullnick).

Die Ursache hierfür liegt laut Kullnick daran, daß eine saubere Untersuchung athermischer HF-Wirkungen methodisch schwierig sei und es an systematischer Forschung und öffentlichen Forschungsmitteln mangele. Zudem hätten sich bislang die meisten Arbeiten auf reine Phänomenfoschung beschränkt ("Gibt es athermische Effekte?"), wenige Arbeiten hätten sich mit Grundlagenforschung befaßt und nur ganz wenige mit der Frage nach einer möglichen gesundheitlichen Relevanz. Nach einem Literaturgutachten der Telekom von 1993 (Prof. P. Seng) können folgende athermische Effekte als von "Fachwissenschaftlern weitgehend akzeptiert" (Kullnick) angesehen werden:

Über die gesundheitlichen Folgen dieser Effekte herrsche allerdings noch Ungewißheit. Dr. Fritz Lauer von der Telekom schwächte die Relevanz der Ergebnisse der Telekomstudie in einem späteren Redebeitrag ab. Allerdings sind die genannten Effekte Schwerpunkte internationaler Forschung.

Forschungsprojekte, die durch die Telekommunikationsindustrie bzw. die Forschungsgemeinschaft Funk (Mitglieder vorwiegend aus dieser Industrie sowie aus Rundfunkanstalten und Ministerien) gefördert wurden und werden, haben - beim weitgehenden Fehlen öffentlicher Mittel - erste solide Ansätze zur reproduzierbaren Forschung auf diesem experimentell sehr schwierigen Gebiet ermöglicht. Bei den insgesamt 12 Projekten, die zum Teil noch in Bearbeitung sind, haben sich bislang bei 2 Untersuchungen reproduzierbare Wirkungen eingestellt: Beeinflussung des Schlaf-EEG (Universität Mainz, Psychiatrie) und des vegetativen Nervensystems (Universität Braunschweig, Zoologie). Zusammenfassend stellte Kullnick fest:

Kullnick war mit seinem mehr politischen als naturwissenschaftlichen Vortrag der Kritik vom BfS und der Telekom ausgesetzt. Dr. Fritz Lauer (Deutsche Telekom Mobilfunk) faßte den Stand aus seiner Sicht zusammen: "Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder sind ein intensiv erforschtes Gebiet. Grundsätzlich werden die Einwirkungen von Feldern auf biologische Systeme in mehreren Tausend Literaturstellen beschrieben und diskutiert. Insofern sind Aussagen unzutreffend, die Mobilfunktechnologie werde ohne ausreichende Kenntnisse möglicher biologischer Risiken verbreitet. ... Aus dem Überblick über die zahlreichen nationalen und internationalen Forschungsaktivitäten, die z. T. durch die Netzbetreiber mit mehreren Millionen finanziell gefördert wurden, ergeben sich keine Nachweise für gesundheitliche Beeinträchtigungen. ... DeTeMobil hält, auf Basis des jetzigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes, den Schutz durch die bestehenden Normen und Gesetze im Einklang mit der überwiegenden Mehrzahl der Fachleute für ausreichend."

Rüdiger Matthes vom BfS betonte, daß die Experten einig darüber seien, daß aus den bisherigen Erkenntnissen im athermischen Bereich keine Grenzwerte ableitbar seien. Langzeiteffekte seien allerdings in der Tat bislang kaum erforscht. Laut Matthes solle die Festlegung von Grenzwerten möglichst naturwissenschaftlich sauber begründet sein, während bei Vorsorgekonzepten mit Maßnahmen zu weiteren Feldreduzierungen politische und sozio-ökonomische Aspekte stark mit einbezogen werden müßten.

In dem Vortrag von Prof. Niels Kuster (ETH Zürich) "Methoden für die Prüfung der Einhaltung von Grenzwerten" wurde die Problematik der Meßmethoden im EMF-Bereich besonders deutlich. Kuster entwickelte ein neues Meßsystem, bei dem mit Hilfe eines "künstlichen Kopfes" die SAR-Werte von Handies gemessen werden können, so wie sie im Kopf des Menschen auftreten würden. Es zeigte sich dabei, daß die bisherigen Rechenmodelle die auftretenden SAR-Werte systematisch unterschätzt haben. Zu Grenzwertüberschreitungen komme es aber nur bei in der Schweiz üblichen analogen Mobiltelefonen und womöglich zukünftigen Satellitenfunksystemen. Deutsche C- und D-Netz-Handies unterschreiten auch mit dem neuen Meßsystem die Grenzwerte. Bei den Versuchen zeigte sich allerdings auch, wie verschieden die HF-Einstrahlung in den Kopf des Menschen je nach Modell ist und welche technischen Möglichkeiten bestehen und bisher in der Regel nicht ausgeschöpft werden, um die HF-Belastungen deutlich zu reduzieren (z. B. durch geeignete Antennenkonstruktionen).

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Einigkeit über großen Forschungsbedarf

Von wissenschaftlicher Seite wurde immer wieder der große Forschungsbedarf betont, um die vielen offenen Fragen und teilweise widersprüchlichen Ergebnisse aufzuklären. Vor allem gäbe es einen Mangel an systematischer Forschung.

So tat u. a. Prof. Jiri Silny von der RWTH Aachen auf die Frage eines Teilnehmers hin seinen Unmut über die bundesdeutsche Forschungslandschaft kund: "Im Vergleich zu den USA liegt Deutschland bei der Erforschung elektromagnetischer Wirkungen sehr weit zurück. Während in den USA selbst kurzfristig größere Forschungsprogramme ins Leben gerufen werden, forschen in Deutschland wenige Einzelkämpfer."

Schärfster Kritiker der bundesdeutschen Forschungsszene war Dr. Uwe Kullnick (TU Braunschweig). Kullnick kritisierte, daß die Erforschung gesundheitlicher Folgen im NF- und HF-Bereich in Deutschland fast ausschließlich von der Industrie gefördert würde, was grundsätzlich mit dem Problem der Parteilichkeit behaftet sei, selbst wenn ausschließlich unabhängige Universitätsinstitute mit der Forschung beauftragt würden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder auch das BMFT und andere Ministerien förderten bislang kaum Projekte und seien weit davon entfernt, eine unabhängige, systematische Forschung in diesem Bereich zu ermöglichen. Auf europäischer Ebene sähe es nicht viel besser aus. Die COST 244 Aktion (Biomedical Effects of Electromagnetic Fields) verliefe "eher unscheinbar". Kullnick forderte: "Das Problem einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Felder ist eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit. ... Es kann nicht sein, daß es ausschließlich der Industrie überlassen und aufgezwungen bleibt, das Thema zu bearbeiten. Am Zug sind nun öffentliche Institutionen, die akzessorisch dazu sinnvolle Wissenschaftsförderung durchführen. ... Es nutzt wenig, nur Fragen zu stellen. Die Bearbeitung der von Fachleuten gegebenen Antwort "es besteht dringender Forschungsbedarf" muß nun angegangen werden."

Mehrfach wurde auf dem Kongreß gefordert, daß die Industrie, wenn sie schon bereit sei, Forschungsmittel aufzubringen, diese doch über eine neuzugründende, unabhängige Stiftung vergeben solle, um die Unabhängigkeit der Forschung nach innen wie außen zu gewährleisten.

Michael Karus

nova-Institut, Thielstr. 35, 50354 Hürth

[Zitierweise dieses Artikels: Karus, M.: Biologische Wirkungen. Elektrosmog-Report 1 (4), S. 5-8 (1995).]

Weitere Informationen in einem Tagungsband der TÜV-Akademie in Köln, Claudia Franke, Tel. (0221) 806-3063.
 
 
 
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Normung

Neue internationale Bildschirmnormen

MPRII (1990) und TCO (1991) sind zwei schwedische Normen für elektrische und magnetische Felder von Bildschirmen, die sich mittlerweile zum internationalen Standard für Computermonitore entwickelt haben. Daneben existieren verschiedene weitere Normen. Ein Komitee von europäischen Experten, darunter Regierungsvertreter und große Firmen wie Apple und IBM, hat sich unter der Leitung der schwedischen Elektrizitäts-Kommission (SEK) auf einen neuen Standard, die MPRIII-Norm, geeinigt.

Der neue Standard MPRIII enthält vier Emissionskategorien. Es wurde versucht, verschiedene Richtlinien aus den USA, Europa und Japan bei der Entwicklung der neuen Norm zu berücksichtigen und eine Harmonisierung verschiedener Standards zu erzielen. MPRIII-A entspricht bezüglich der Grenzwerte der bisherigen TCO-Norm, MPRIII-B weitgehend der bisherigen MPRII-Norm (vgl. Tabelle). MPRII und TCO haben bislang keinerlei offiziellen Charakter, MPRIII könnte diesen bekommen.

Das europäische Komitee für elektrotechnische Standardisierung (CENELEC) hat das Expertenpapier offiziell zur Kenntnis genommen. Wenn die neue MPRIII-Norm von der CENELEC gebilligt wird, würde MPRIII offizieller europäischer Standard und könnte dann der internationalen elektrotechnischen Kommission als Vorschlag für einen weltweiten Standard vorgelegt werden.

Kritik an der MPRIII-Norm gilt vor allem der Kategorie MPRIII-X, die für Hersteller einen Freibrief darstellt, beliebige firmenspezifische Emissionsnormen mit dem eingeführten Kürzel "MPR..." zu küren. Dies trägt zu einer Verunsicherung und Irreführung der Verbraucher bei, da bislang "MPR" grundsätzlich strahlungsarm bedeutet. John Chupp von der Firma Apple vermutet zudem, daß die vier verschiedenen Kategorien wenig Anklang finden werden, da die bisherigen Standards MPRII und TCO inzwischen gut eingeführt und bekannt seien.

Sollte die neue MPRIII-Norm in der jetzigen Form international verabschiedet werden, so bleibt es wiederum Verbraucherschutzorganisationen und Umweltverbänden überlassen, darüber aufzuklären, daß nur die Kategorien A und B die Strahlungsarmut eines Monitors sicherstellen. Nur so kann Druck auf die Hersteller ausgeübt werden, keine Geräte zu produzieren, die hinter bereits akzeptierte Standards zurückfallen.

Die Vorteile des neuen MPR-III-Protokolls liegen vor allem in vereinfachten Meßvorschriften, die u. a. die Anzahl der erforderlichen Labormessungen reduzieren und die Vergleichbarkeit von Meßergebnissen erleichtern.

Quelle: Swedish VDT emissions standard goes international. Microwave News 15 (2), S. 8-9 (1995).

[Zitierweise dieses Artikels: Neue internationale Bildschirmnormen. Elektrosmog-Report 1 (4), S. 8 (1995).]
vorgeschlagene MPRIII-Kategorien 
ELF 
(Band I: 5 Hz - 2 kHz)
VLF
(Band II: 2 kHz - 400 kHz)
Elektro-statisches Feld
elektrisches Feld
magnetisches Feld
elektrisches Feld
magnetisches Feld
A
10 V/m
0,2 µT
1 V/m
0,025 µT#
5 kV/m§
B
25 V/m*
0,2 µT#
2,5 V/m#
0,025 µT#
5 kV/m§
C
50 V/m*
0,2 µT#
10 V/m#
0,025 µT#
5 kV/m§
X
firmenspezifische Emissionsnormen
Bestehende Richtlinien
TCO
10 V/m
0,2 µT
1 V/m
0,025 µT#
500V
MPRII
25 V/m*
0,25 µT#
2,5 V/m#
0,025 µT#
500 V
JEIDA
50 V/m*
0,25 µT#
10 V/m#
0,025 µT#
N/A
 
ELF = extremely low frequency  

VLF = very low frequency  

Gemessen in 30 cm Abstand vom Bildschirm  

Gemessen in 30 cm Abstand um den Monitor herum 

* Gemessen in 50 cm Abstand vom Bildschirm  

# Gemessen in 50 cm Abstand um den Monitor herum 

§ Entspricht 500 V (siehe TCO und MPRII) 

 
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Beobachtungen an Pflanzen

Niederfrequente Felder beeinflussen das Wachstum von Bäumen

Wissenschaftler der technischen Universität von Michigan (MTU) in Houghton beobachteten von 1985 bis 1994 die Vegetation in den Wäldern Nord-Michigans. Sie registrierten bei einigen Bäumen eine Wachstumszunahme von bis zu 74%, wenn diese in der Nähe einer ca. 90 km langen Sendeantenne der US-Marine standen und damit einem niederfrequenten elektromagnetischen Feld ausgesetzt waren. Auf Initiative der Schweizer Telecom PTT durchgeführte Studien ermittelten keine Einflüsse auf das Wachstumsverhalten unter Hochfrequenzbelastung.

Bei einer Stärke des 76-Hz-Magnetfeldes von 0,1-0,7 µT, die durch die Sendeantenne der US-Marine hervorgerufen wurde, wuchsen junge Kiefern höher, ausgewachsene Espen und roter Ahorn entwickelten stärkere Stämme.

Das Wissenschaftlerteam aus Michigan war eines von zehn Arbeitsgruppen eines Projekts zur Untersuchung von Veränderungen von Gesundheit und Produktivität der Wälder durch elektromagnetische Felder eines US-Marine-Projektes im Gebiet der Großen Seen. Zu dieser Umweltverträglichkeitsprüfung war die US-Marine im Jahre 1984 nach heftigen Protesten gegen ihr Kommunikationsprojekt durch ein hohes Gericht veranlaßt worden. Die riesige Sendeantenne für den extrem langwelligen Bereich soll der weltweiten Kommunikation mit getauchten Unterseebooten dienen.

Zwei weitere Forschergruppen fanden ebenfalls Wachstumsveränderungen an Pflanzen. So ermittelte Thomas Burton von der Michigan-State-Universität in East Lansing eine größere Chlorophyllproduktion und eine größere Biomasse bei einer Algenart am Grunde des Ford-Rivers, der die Antennen kreuzt. Johann Bruhn von der Universität von Missouri in Columbia fand in der Nähe der Antenne eine beschleunigte Zersetzung von abgestorbener Biomasse.

Das Team von der technischen Universität von Michigan untersuchte neben dem Wachstum auch Anzahl und Qualität der gefallenen Blätter und Nadeln und den jährlichen Wachstumsrhythmus unter den Bäumen. Es fanden sich hier keine Auffälligkeiten.

Auf Initiative der Schweizer Telecom PTT waren in den vergangenen Jahren mehrere Studien über den Einfluß hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung im 80-2.500 MHz-Bereich auf die Gesundheit von Bäumen durchgeführt worden. Im Newsletter der Forschungsgemeinschaft FUNK e. V. wurden die Ergebnisse in Anbetracht der US-Arbeiten ein wenig vorschnell verallgemeinernd mit "Elektromagnetische Felder verursachen keine Waldschäden" zusammengefaßt.

In den weitgehend gleichlautenden Forschungsergebnissen heißt es: "Bäume an Standorten mit geringer Feldstärke unterschieden sich weder im Kronenzustand noch im Zuwachsverhalten von solchen an Standorten normaler Feldstärke." Es fanden sich keine Unterschiede auf Belaubungs- bzw. Benadelungsdichte. Irritierend wirkt die Charakterisierung der durch Hochfrequenzstrahler künstlich höher belasteten Regionen als "normal" und der niedriger belasteten als "gering" belastet.

Auch das Bundesamt für Strahlenschutz kam in einer 1990 abgegebenen Erklärung zu dem Schluß, daß "weder aufgrund biophysikalischer Analysen noch mittels direkter Waldschadenserhebungen im Vergleich zu vorhandenen elektromagnetischen Feldern ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den installierten Radar- und Richtfunkanlagen und den beobachteten Waldschäden festgestellt werden" kann (Quelle: Newsletter, Nr. 1, 1995).

Der Leiter des US-Forschungsprogramms zur Umweltverträglichkeit David Reed bestätigte, daß in der wissenschaftlichen Literatur keine vergleichbaren Berichte, wie die von ihnen ermittelten, über eine Wachstumsbeschleunigung bei Pflanzen zu finden seien. Man sei daher sehr überrascht über die Ergebnisse gewesen. Vermutlich produzierten die Bäume nicht mehr Biomasse, sondern es fände eine partielle Umverteilung von den Wurzeln zu den Ästen und Blättern hin statt. Eichen und Birken zeigten vermutlich keine entsprechenden Wachstumsveränderungen, weil ihr Nährstofftransport anders funktioniere.

Die Beobachtungen einer Wachstumsförderung von Pflanzen durch niederfrequente elektromagnetischer Felder weisen Parallelen zu Beobachtungen eines beschleunigten Zellwachstums an Menschen und Tieren auf (verbesserte Knochenheilung, Förderung von Krebswachstum, erhöhte Zellteilungsraten in Zellkulturen).

[Zitierweise dieses Artikels: Niederfrequente Felder beeinflussen das Wachstum von Bäumen. Elektrosmog-Report 1 (4), S. 9 (1995).]

Literatur:

  1. EMFs boost tree growth at exposures of 1-7 mG. Microwave News 15 (1), S. 1, 13 (1995).
  2. Waldschäden durch "Elektrosmog"? Newsletter Nr. 1, S. 4-6 (1995).
 
 
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Kurzmeldung
Verordnung für EMF

Bundesumweltministerin Angela Merkel stellte am 20.6.1995 in Bonn den langerwarteten (vgl. Elektrosmog-Report 1(3), S. 5 (1995)) Referentenentwurf einer Verordnung über nieder- und hochfrequente EMF-Immissionen zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes der Öffentlichkeit vor. Am 10.-13. Juli wird es zu dieser Verordnung eine interne Verbandsanhörung geben, zu der ca. 25 Verbände, Industrieverbände und Gewerkschaften sowie der Deutsche Naturschutzring, der BUND, der BBU und die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) eingeladen sind. Parallel zu der Anhörung werden Bündnis 90/Die Grünen eine Pressekonferenz zum Thema abhalten. 


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