Frauen - willige Opfer der Medizin?
Früherkennung, Hormone, Geburtsmedizin auf dem Prüfstand kritischer Wissenschaft
- Wege zu einer zeitgemässen Praxis


Autor: Johannes G. Schmidt
Keywords: Frauenheilkunde, evidence based medizine, klinische Forschung, Medizinkritik, Patienteninformation, Evaluation, Cholesterin
Abstract:
Copyright: Texte: Stiftung PARACELSUS HEUTE
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Paracelsus Heute - Stiftung zeitgemässe Praxis und kritische Wissenschaft in der Medizin
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Autoren
Begrüßungen
Die alternde Frau
Die schwarze Madonna/Theater
Die schwangere Frau
Die krebsgefährdete Frau
Moderne Medizin
 

Dr. Johannes G. Schmidt,
Was ist Behandlungsnutzen? - Cholesterin oder vom 1. zum 2. Wissenschaftlichen Einsiedler Symposium
Nora Jacobson,
Die weibliche Brust - Schönheits-Operationen als medizinische Normierung und Perfektionierung des Frauenkörpers
Prof. Karl W. Kratky,
In welchem Sinn ist die moderne Medizin eine Naturwissenschaft? - <<Weiblich-Chaotisches>> in der modernen Physik
Prof. Alvan R. Feinstein,
Krankheitserscheinungen am intakten Menschen - Was für eine Nosologie der Krankheitseinteilung brauchen wir?
Prof. Barbara Katz Rothman,
Entstehung von Leben unter Geburtsschmerzen - Sind Frauen Opfer ohne Wahl?
 Jon Rudolf Boner,
Wir meinen, es müsse einen Grund geben, weshalb wir krank oder gesund sind und weshalb diese Krankheit bösartig und jene gutartig verläuft. Wenn wir sehen, wie sich Ursache nach Ursache finden und sich der letztendliche Grund nie festmachen lässt, können wir unser Leben als Geheimnis akzeptieren und so in einem ursprünglichen Bewusstsein Klarheit für viele Fragen finden.


Was ist Behandlungsnutzen? - Cholesterin oder vom 1. zum 2. Wissenschaftlichen Einsiedler Symposium

Johannes G. Schmidt
Allgemeinpraxis und Institut für Klinische Epidemiologie, Einsiedeln/Schweiz

Wir sind ja ein wissenschaftliches Symposium, und es gibt heute eine gute Methodologie, wie wir eben medizinische Interventionen analysieren können. Und ich glaube es lohnt sich, dass ich hinsichtlich dieser Frage hier nochmals ein bisschen Propädeutik betreibe, wenn ich auch an diesem Symposium nochmals auf die Frage des Cholesterins eingehen will. Es soll uns helfen, in den weiteren Diskussionen eine Verständigungsbasis zu finden. Das Einsiedler Symposium ist nicht ein ideologisches Symposium, das möchte ich hier betonen. Sondern wir wollen pragmatisch die modernen Entwicklungen in der Wissenschaft umsetzen.
 

Was ist «Risiko»?

Cholesterin. Eines der grossen Probleme mit dem Cholesterin als Risikofaktor für den Herzinfarkt ist, dass die praktische Bedeutung häufig überschätzt wird. Das sind jetzt Zahlen, die Männer betreffen (Tabelle 1). Und ich möchte Ihnen am Anfang kurz die Zahlen vorlegen, die eine praktische Aussagekraft enthalten, d.h. Zahlen in Form von absoluten Risiken und nicht von relativen Risiken, wie sie häufig in der Medizin gebraucht werden. Diese Differenz von 2% Wahrscheinlichkeit in 6 Jahren zwischen einem Mann mit einem «hohen» Cholesterin und einem Mann mit einem «normalen» Cholesterin, dass ein Infarkt auftritt, wird in der Öffentlichkeit meistens als 50% Unterschied verkauf. Weil ja 6% 50% mal höher sind als 4%. Und wenn wir uns diese Zahlen hier mal ganz nüchtern anschauen, dann müssen wir eigentlich feststellen, dass die individuelle Erwartung nur gerade 2% ist, dass man in 6 Jahren überhaupt diesen Unterschied bei sich erwarten kann.

Abbildung 1 - ich spreche jetzt vorläufig einmal von Männern, die Frauen kommen dann noch - zeigt Männer, die infarktfrei geblieben sind, im Vergleich mit Männern, die einen Infarkt erlitten hatten. Und zwar über eine Beobachtungsdauer von 16 Jahren. Sie sehen hier, dass diejenigen die krank geworden sind, das ist die gestrichelte Linie, im Vergleich zu denen, die herzgesund geblieben sind, sich weitgehend überlappen. D.h. mit andern Worten, mit einem tiefen Cholesterin kann man einen Herzinfarkt bekommen, wie Sie das hier sehen - sehr häufig sogar - und mit einem hohen Cholesterin muss man noch lange nicht einen Herzinfarkt bekommen. Sie sehen die Werte bis hier. Wenn wir versuchen, das in einer anderen Art und Weise nochmals zu formulieren, indem wir Grenzwerte festlegen, wie das heute üblich ist, dann können Sie in Tabelle 2 sehen, dass der positive Vorhersagewert und der negative Vorhersagewert sich bei verschiedenen Grenzwerten kaum verändern - d.h. mit anderen Worten, wenn Sie jetzt eine Grenze von 6,5 festlegen, wie das üblich ist, Sie die Gruppe, die einen Infarkt bekommen wird von der Gruppe, die keinen Infarkt bekommen wird, kaum auseinanderhalten können. Spezifität und Sensitivität der Cholesteringrenzwerte in der Infarktprädiktion in der unselektionierten Bevölkerung sind zu gering. Wo immer Sie auch den Wert, den Grenzwert festlegen wollen, haben Sie immer eine Minderheit von Männern, zwischen 8% und 13% hier, die einen Infarkt bekommen wird. Und wenn Sie auf der andern Seite schauen wollen, wie viele sicher sein können, dass sie keinen Infarkt bekommen, dann spielt es eigentlich auch fast keine Rolle, wo Sie den Cholesterin-Grenzwert ansetzen. In der Praxis führt das zu einem ganz wichtigen Problem. Sie können eben die, die gesund bleiben und die, die krank werden, gar nicht richtig unterscheiden. Und wenn Sie nun ein «hohes» Cholesterin behandeln wollen, müssen Sie immer sehr viele behandeln, damit einige wenige vielleicht keinen Infarkt haben.

Wie kommt das? In der Medizin früher, die Praktiker, haben immer zuerst 'mal geschaut: ist vor mir ein gesunder oder ein kranker Mensch, und haben dann eventuell gewisse Tests und Untersuchungen gemacht, wenn sie einen entsprechenden Verdacht hatten, dass eine Krankheit vorliegen könnte. Heute, gerade beim Cholesterin-Screening sind wir in der Medizin dazu übergegangen, mit gewissen Tests gesunde Leute zu untersuchen. Wenn wir bei einem Gesunden, der ein Infarktrisiko von 6% hat, wie eben eingangs auf der ersten Folie, sein Risiko durch eine Behandlung senken können um vielleicht 20%, dann ist sein Infarktrisiko noch 5%. Sie gewinnen also eine Reduktion von 1%. D.h. mit andern Worten, dass Sie 100 Patienten behandeln müssen, damit einer davon profitieren kann. Wenn Sie nun eine Gruppe von Patienten haben, die vielleicht schon herzkrank sind oder eben gehäuft andere Risikofaktoren aufweisen, die auf eine mögliche Krankheit hindeuten, dann ist das Risiko sagen wir vielleicht 25%, dass er in einer Zeit von 10 Jahren einen Infarkt bekommt. Und wenn Sie dort wieder 20% Reduktion erzielen können mit einer Therapie, dann führt das doch dazu, dass Sie dann diese 25% auf 20% hinunter reduzieren. D.h. die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Patient profitiert, ist immerhin schon 5%. Und Sie müssen 20 Patienten behandeln, damit einer davon einen Nutzen hat. Das ist ganz einfache Propädeutik, die ich hier mache. Und ich hoffe, dass ich Euch nicht langweile. Aber es ist sehr wichtig, dass wir uns das immer wieder vor Augen führen.
 

Es gibt kein normales Cholesterin

Ist es denn nützlicher, wenn Sie einen Patienten behandeln mit einem «hohen» Cholesterin oder wenn Sie einen Patienten behandeln mit einem «normalen» Cholesterin? Es kann sein, dass ein Patient mit einem normalen Cholesterin, den Sie lipidsenkend behandeln, viel mehr Nutzen von Ihrer Behandlung hat, als ein Patient mit einem hohen Cholesterin. Wieso? Weil eben das Ausgangsrisiko, das der Patient hat - ob das 25% ist oder 6%, wie ich vorher in Zahlenbeispielen ausgeführt habe - ganz entscheidend die Änderung beeinflusst, die er erfahren kann, die Risikoänderung. D.h. die number needed to treat oder die Anzahl Behandelter pro Patient, der einen Nutzen hat, wie ich das vorher versucht habe zu erklären, hängt direkt vom Gesamtrisiko ab und gar nicht vom Cholesterinspiegel. Die Behandlung eines «normalen» Cholesterins bei hohem Gesamtrisiko bringt also mehr als die Behandlung eines «hohen» Cholesterins bei niedrigem Gesamtrisiko.

Tabelle 3 soll Ihnen zeigen, dass eben mindestens so stark oder noch stärker als die relative Risikoreduktion, die erzielt werden kann - ob Sie jetzt 20% der Infarkte verhüten oder 50% - für die individuelle Nutzenserwartung das Ausgangsrisiko mindestens so entscheidend ist. Und das ist eigentlich sehr entscheidend und ist eine neue Frage für die Medizin, weil man angefangen hat, Gesunde zu behandeln. Das war früher nicht der Fall.

Ich möchte Euch anhand von Abbildung 2 nochmals zeigen, wie es kommen kann, dass Patienten, die ein «normales» Cholesterin haben, viel mehr von einer Behandlung profitieren können - von einer cholesterinsenkenden Behandlung - als Patienten, die ein «hohes» Cholesterin haben. Wenn Sie also hier diese Gruppe von Männern betrachten, die ausser einem Cholesterin, einen erhöhten Cholesterinwert von 335 hier, keine weiteren Risikofaktoren haben - also Sie haben keine diabetische Stoffwechsellage, Sie haben einen normalen oder eher tieferen Blutdruck, und Sie rauchen nicht und haben ein normales EKG, ohne Zeichen einer Herzvergrösserung. 335 gilt als sehr hoher Wert. Wenn ein Patient mit einem Cholesterin von 335 bei den Ärzten heute auftritt, dann flippen die fast aus. Wenn Sie den behandeln, können Sie etwa diese Differenz erreichen. Jetzt nehmen wir aber einen Patienten hier, der hat ein normales Cholesterin, im Mittelbereich, der hat aber ganz viele andere Risikofaktoren gleichzeitig. Wenn Sie dem jetzt sein Cholesterin behandeln, dann kriegen Sie ihn von hier nach hier herunter, eine deutlich grössere Differenz als im ersten Fall.

D.h. also, dass die Medizin in die Irre gegangen ist, als sie begonnen hat, gesunde Menschen mit medizinischen Mitteln gesund zu erhalten. Wir haben heute die Möglichkeit, etwas genauer zu analysieren, was denn das für die Patienten am Schluss bedeutet. Und zwar eben weil das statistische Material und die Informatik, welche diese Daten verarbeiten kann, heute viel umfangreicher geworden sind. Und die Logistik, diese Berechnungen anzustellen, heute vorhanden ist.
 

Gesamtrisiko: Behandlung Gesunder zeigt mehr Schaden als Nutzen

Wenn wir nun schauen, was unter einer Cholesterinbehandlung passiert, nicht in Bezug auf die Infarkte, sondern in Bezug auf die Todesfälle, die durch andere Krankheiten zustande kommen, bekommen Sie folgendes Ergebnis (Abbildung 3). Sie sehen, dass in allen Medikamentenstudien - und wen wir die in einer Metaanalyse zusammenfassen, also eben mit einer modernen Technik aus der Informatik - können Sie zweifellos feststellen, dass durch die Behandlung des hohen Cholesterins, und zwar durch die Nebenwirkungen der Tabletten, die Todesfälle an andern Ursachen zunehmen. Für Diät gilt dies nicht . Wenn Sie nun also Patienten mit Cholesterinsenkern, also mit diesen Medikamenten behandeln, führen Sie ja immer auch eine gewisse kleine Vergiftung dem Körper zu. Und die Frage stellt sich dann, ob das Ausmass dieser Nebenwirkungen grösser ist als der Nutzen, den Sie erzielen wollen, oder ob das kleiner ist als der Nutzen, den Sie erzielen können.

Sie können in Tabelle 4 erkennen, dass die koronare Sterblichkeit um 0,7 pro 1000 Behandlungsjahre zurückgegangen ist unter der Behandlung mit Cholesterinsenkern; dass aber gleichzeitig der Anstieg der Sterblichkeit an nicht herzbedingten Todesfällen um 1,7 zugenommen hat. Und als Nettoergebnis haben Sie bei der medikamentösen Cholesterinsenkung einen Anstieg aller Todesfälle von 1,3 in 1'000 Behandlungsjahren. Also wir erkennen plötzlich, dass man offenbar beim Cholesterinbehandeln, mindestens wenn man alle Gruppen zusammenfasst, die studiert worden sind, zwar Herzinfarkte senken kann, aber die Frage ist vergessen worden, ob das dem Patienten am Schluss etwas nützt. Weil was tatsächlich passiert ist, ist eine Zunahme des Sterberisikos durch die Lipidsenkee-Behandlung. Wenn man natürlich jetzt streng statistisch ist, kann man sagen, man hat eine Wahrscheinlichkeit von 15%, dass das ein Zufallsbefund ist.

Wir haben vorher festgestellt, dass der Nutzen einer cholesterinsenkenden Behandlung vom Gesamtrisiko abhängt. D.h. wenn Sie einen Patienten mit einem hohen Risiko, einen Herzinfarkttod zu erleiden, behandeln, wird der Nutzen für ihn grösser sein. D.h. wenn Sie da 20% reduzieren können, kommen Sie auf eine Reduktion des individuellen Risikos, das grösser sein könnte als der Schaden durch die Medikamente. Wenn Sie Patienten behandeln, wo umgekehrt das Ausgangsrisiko sehr klein ist, weil sie eben gesund sind und nur das Cholesterin ein theoretisches Infarktrisiko abgibt, dann können Sie eine Infarktrisikoreduktion erzielen, die nie so gross ist, dass sie die Nebenwirkungen der Medikation aufwiegt.

Diese Untersuchung ist von der Gruppe von George Davey Smith, der am ersten Symposium auch dabei gewesen ist, gemacht worden. Sie finden diese Angaben übrigens alle auch im Buch über das 1. Symposium. Wenn Sie hier nun genau hinschauen, was George Davey Schmith gemacht hat. Er hat die Studien so gruppiert; dort, wo die kränksten Patienten drin waren, die am häufigsten an Herzinfarkt gestorben sind, die hat er oben hingenommen, und hier waren die gesündesten Patienten, d.h. die praktisch nie an Herzinfarkt gestorben sind (Abbildung 4). Und er stellt fest, dass die Gesamttodesrate günstig aussieht bei den wirklich kranken Menschen und ungünstiger aussieht bei den gesunden Menschen, die mit Cholesterinsenkendern Mitteln behandelt werden (Abbildung 5). Wenn Sie also wirklich kranke Patienten nehmen, diese high risk group, wo das Risiko über 50 pro 1000 Personenjahre ist, dann sehen Sie, dass die Behandlung etwas nützen kann. Und wenn Sie aber Niedrigrisiko-Patienten nehmen, die eben ausser dem Cholesterin nicht viel haben, sehen Sie, dass sie eher sterben, wenn sie behandelt werden. Die vorherige provokative Frage, ob denn die Behandlung eines hohen oder eines normalen Cholesterins mehr nützt, hat also auch praktisch einen Sinn, wie Sie hier sehen können, und es ist nicht nur eine Spielerei gewesen.

High risk: Das sind Patienten, die nicht nur Herzinfarkte gehabt haben, sondern neben Herzinfarkten weitere Risiken haben, sagen wir wie diabetische Stoffwechsellage. Also nicht mal einen Herzinfarkt gehabt zu haben genügt, damit ein hohes Cholesterin behandlungsbedürftig ist.
Medium risk: Sehr viele Patienten, die einen Infarkt gehabt haben,  gehören in diese Gruppe hinein.
Low risk: Und in diese Gruppe hinein gehören v.a. Patienten, die eben gar keine Patienten sind, die herzgesund sind oder die nur wenige Risikofaktoren auf-
weisen.
 

Die 4S-Studie: Nichts Neues

Nun wissen die Ärzte unter Ihnen, dass die sogenannte 4S-Studie aus Skandinavien mit Simvastatin plötzlich bewiesen hat, dass das Cholesterinsenken doch eine ganz tolle Sache ist. Das ist jedenfalls in der Fachpresse in der Schweiz so verbreitet worden. Bemerkenswert ist tatsächlich, dass Sterbefälle, die bedingt sind durch andere Krankheiten als Herzinfarkte, in dieser Studie nicht zugenommen haben, und die Gesamtmortalität gesenkt wurde (Tabelle 5). Diese Studie ist aber ein einzelnes Beispiel, wo diese ungünstige Wirkung einmal nicht beobachtet worden ist. Wenn wir das statistisch analysieren: Und zwar ist das nochmals die Metaanalyse ohne Einschluss dieser 4S-Studie (Tabelle 6), haben wir einen deutlichen Anstieg der Sterblichkeit an anderen Ursachen von 27%. Und wenn wir nun diese Studie dazunehmen in diese Metaanalyse, also mit Einschluss der 4S-Studie (Tabelle 7), dann schwächt sich das ein bisschen ab auf 24%. Und wichtig ist dann der Heterogenitätstest. Der sagt uns einfach, dass diese Studie im üblichen Rahmen liegt, was wir vorher schon gesehen haben. Und jeder, der ein bisschen etwas von Statistik versteht, weiss ja eigentlich, dass wenn man viele Studien macht, dass eine Studie aus reinem Zufall einmal aus dem Rahmen fallen wird. D.h. diese modernere Studie, die jetzt wieder verkauft wird als Argument für die Cholesterinsenkung, fällt gar nicht aus dem Rahmen von dem, was wir schon wissen.

Ich möchte Euch noch zeigen, dass sie auch nicht aus dem Rahmen fällt, wenn wir nochmals das Risiko in dieser Gruppe anschauen (siehe nochmals Tabelle 5). Und Sie sehen dann, da ist das Infarkt-Todesfallrisiko über 20 pro 1000 Behandlungsjahre, d.h. die Studie liegt im Bereich, wo man schon eine Tendenz gesehen hat, dass ein Nutzen da sein könnte (siehe nochmals Abbildung 4). Mit andern Worten, diese 4S-Studie bestätigt das, was wir schon gewusst haben. Wenn wir wirklich kranke Menschen behandeln - und das waren auch in dieser Studie alles Patienten, die Herzinfarkte gehabt haben -, dann können wir etwas erreichen. Aber sie
wird heute eben wieder verkauft als Argument, dass jegliches erhöhtes Cholesterin mit Zocor(R) werden soll.
 

Frauen - weniger Behandlungsnutzen, aber häufiger behandelt

Das, was die Frauen betrifft - ich habe versprochen, dass ich dazu noch etwas sagen will - habe ich noch Daten von einer Deutschen Krankenkasse erhalten (Tabelle 8). Das sind Patienten einer Krankenkasse, die eine etwa ausgewogene Geschlechterverteilung aufweist, und Sie können erkennen, dass bei Frauen eine Cholesterinbehandlung deutlich häufiger vorgenommen wird als bei Männern. Und wenn wir nochmals auf das absolute Risiko und auf dieses Ausgangsrisiko eingehen, wissen Sie, dass Frausein bedeutet, dass das Risiko einen Herzinfarkt zu bekommen, nur halb so gross ist wie bei Männern. D.h. wenn Sie Frauen behandeln, ist die number needed to treat immer etwa doppelt so hoch, Sie müssen mehr Frauen behandeln, damit eine davon einen Nutzen haben kann. Und das heisst, bei Frauen müssen mehr weitere Risikofaktoren vorliegen, damit eine Behandlung überhaupt eine günstige Wirkung haben kann. Frauen gibt es fast keine, wo eine Cholesterinbehandlung mehr nützt als schadet. Und dennoch sehen wir, dass in der Praxis bei Frauen zum Teil häufiger behandelt wird.
 

P.S.

Neue Studien (WOSCOP) nach diesem Referat bestätigen in der Zwischenzeit eine besondere Rolle der Statine, indem diese die Mortalität an anderen Ursachen nicht zu erhöhen scheinen. Die Statine sind bessere Medikamente mit einem deutlich günstigeren Nutzen-Risiko-Verhältnis. Auch für den rationalen Einsatz der Statine gilt es aber die Frage der number needed to treat zu berücksichtigen und von der aus praktischer Sicht irrationalen Annahme Abstand zu nehmen, es gäbe Cholesterin-Grenzwerte. Die number needed to treat hängt vom individuellen Gesamtrisiko ab - bei herzgesunden Frauen sind Cholesterinbestimmungen deshalb sinnlos.
 
 
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