Frauen - willige Opfer der Medizin?
Früherkennung, Hormone, Geburtsmedizin auf dem Prüfstand kritischer Wissenschaft
- Wege zu einer zeitgemässen Praxis


Autor: Ottilia Grubenmann
Keywords: Frauenheilkunde, evidence based medizine, klinische Forschung, Medizinkritik, Patienteninformation, Evaluation, Geburtshilfe, Hebamme, 
Abstract:
Copyright: Texte: Stiftung PARACELSUS HEUTE
HTML-Gestaltung:  Bernhard Harrer Wissenstransfer

Autoren
Begrüßungen
Die alternde Frau
Die schwarze Madonna/Theater
Die schwangere Frau

Ottilia Grubenmann,
Hebammen im Wandel der Zeiten - 58 Jahre Hebamme
Dr. Marina Marcovich,
Medizin und Mutternähe in der Betreuung von Neugeborenen - Wieso glauben wir an die Überlegenheit der medizinischen Technik?
Dr. Ruth Baumann-Hölzle
Was ist lebenswert? - Schicksals-Ergebenheit und Macher-Sein im lebendigen Austausch
Norma M. Swenson, M.P.H.
Hebammen, die moderne Medizin und die Reform der Geburtshilfe - Die Rolle der Frauenbefreiung
Dr. Johannes G. Schmidt,
Was ist "normal" in der Schwangerschaft? - Der Routine-Ultraschall als Spielzeug für Surrogat-Diagnosen und falsch positive Befunde
Prof. Murray W. Enkin,
Wirksame Massnahmen in Schwangerschaft und Geburt - Hält sich die Praxis an dieses Wissen?
Dr. Marsden Wagner,
Wieviel Technik ist gut für die Schwangerschafts-Vorsorge? - Die Rolle sozialer Faktoren
Dagmar Ehling,
Schwangerschaft und Geburt im Lichte der traditionellen chinesischen Medizin - Woraus könnte Schwangerschafts-Vorsorge bestehen?
Die krebsgefährdete Frau
Moderne Medizin

Hebammen im Wandel der Zeiten - 58 Jahre Hebamme

Ottilia Grubenmann
Hebamme, Appenzell/Schweiz

Die Geburtshilfe ist schon in alten Kulturen, bei den Ägyptern, Chinesen und Griechen erwähnt. Also eine uralte Frauenbetätigung. Die Hebammen existierten schon lange, bevor es Ärzte gab. Im 14. Jahrhundert war der Hebammenstand eine nicht zu unterschätzende Vereinigung, deren Kenntnisse und Erfahrungen mündlich überliefert wurden. Diese treffliche Art der Weiterbildung kam auch in der Schweiz, im Walliser-Lötschental bis ins Jahr 1923 zur Anwendung. Dort hat die berühmte Laienhebamme Mariosa ihre Nachfolgerinnen ebenfalls mündlich unterrichtet. Als Mariosa später ins Spital Sitten zur medizinischen Schulung einberufen wurde, erklärte sie hernach, dort nichts Neues dazugelernt zu haben.

Die früheren Geburtshelferinnen waren auch heil- und kräuterkundig und daher bei den Ärzten als Konkurrentinnen sehr verhasst.

Die Ärzte fanden Unterstützung bei den päpstlichen Fürsten. Es waren die beiden Dominikanermönche, Isitoris und Sprenger, die den Grossangriff auf heilkundige Frauen, Hebammen und Krankenschwestern ermöglichten.

Diese wurden als Hexen verschrien, verfolgt und verbrannt. Die Mordstrategie dauerte mehr als 200 Jahre. Dann wurden die noch verbliebenen Hebammen dazu gezwungen, den Ärzten in den errichteten Gebärhäusern die Geburtspraxis beizubringen. Was den Hebammen ab damals noch erlaubt war, hielten die Ärzte in Gesetzen und Verordnungen fest, die teils heute noch bestehen.

Damit hatte sich die Ärzteschaft ihr schon längst begehrtes Geburtsgebiet erobert und gesichert.

Nun ein Vorstoss ins Jahr 1940. Damals galt die Spitalgeburt für die städtischen Verhältnisse geeignet. In ländlichen Gegenden wurde zu Hause geboren. Die Hebammenschulen kamen dieser Forderung nach. Sie vermittelten das Notwendigste an Theorie und das Maximum an praktischem Wissen, womit die freischaffende Hebamme die Selbständigkeit erreichte. Mit Medikamenten hatte sie nichts zu tun. Chinin wurde als gefährlich bezeichnet. Bei Geburtsstillstand musste man sich mit Hausmitteln behelfen. Bei unstillbaren Nachgeburtsblutungen auf dem Bett der Frau kniend ihre Bauchschlagader komprimieren, bis der aufgebotene Arzt angekommen und das notwendige Medikament gespritzt hatte. Ein solches für einen Notfall zu erhalten, wurde von jedem Arzt abgelehnt. Im Jahre 1950 bewirkte der Aufschwung der Krankenkassen eine allgemeine Wende. Diese offerierten den Frauen bei Spitalentbindungen eine Teilzahlung. Das wurde begrüsst und genutzt. Damit haben die Frauen unbewusst zur Veränderung der Geburtshilfe beigetragen. Geboren wurde im Spital, genau wie daheim, ohne Beizug des Arztes, denn dieser bekümmerte sich damals weder um die Schwangerenkontrollen noch um die Geburten. Er wurde daher nur zu regelwidrigen Fällen gerufen oder wenn er eine Dammnaht zu versorgen hatte. Diese Spitalgebärzeit war für die Frauen, ihre Kinder und uns Hebammen die schönste und angenehmste Zeit. Die damalige Hebammentaxe betrug nach mühevollen Anstrengungen um Aufbesserung von fünf Franken, inklusive Wochenbettpflege während 10 Tagen, Fr. 30.- bis Fr. 35.-, die Schwangerschaftskontrollen inbegriffen. Heute, 45 Jahre später, darf eine Geburt Fr. 10'000.-- kosten.

Ca. 1952 kam der erste merkliche Abbau unserer Selbständigkeit mit dem Befehl, die Schwangerschaftskontrollen den Ärzten zu überlassen. Das war schon darum für die Frauen tragisch, weil ein Medizinstudent während seiner 7 Studienjahre nicht erlernt, woher die Krankheiten kommen und wodurch sie verursacht werden. Hat der Arzt sich später dieses Wissen nicht angeeignet, kann er eine Schwangere in Bezug auf die Ernährung auch nicht beraten. Diesen Mangel konnte ich während 58 Jahren immer wieder feststellen. Er behandelt daher die Nierenstörungen einer Schwangeren mit Medikamenten, während eine beratende Hebamme die Schäden gar nicht aufkommen lässt, weil man diese mit gezielter Ernährung verhindern kann. Dieser, für die Schwangeren fatale Wandel war nur der Vorläufer der totalen Umstrukturierung der Geburtshilfe, denn bald danach begehrte jeder der Herren bei den Entbindungen dabei zu sein, womit die Dammschnittmethode aufkam. Dies, weil es keinem der Herren zuzumuten war, das Ende der Geburt mit ganz erhaltenem Damm abzuwarten. Wenig später waren es die technischen Apparate, welche die natürlichste, einfachste Geburt in ein pathologisches Geschehen umfunktionierten. Mit diesen Neuerungen wurde die Intimsphäre am Gebärbett gestört, die individuelle Behandlung verunmöglicht, die Hebamme dirigiert und ihrer Selbständigkeit beraubt. Jetzt triumphiert die Massenbehandlung, und zwar scheinbar auf ganz legale Weise. In Wirklichkeit wird mit den gebärenden Frauen ein gemeiner Schwindel betrieben.

Das neue Hebammenbuch macht das möglich. Es wurde natürlich wie alle geburtshilflichen Belange von Ärzten verfasst. Während in der früheren Ausgabe (1933) noch die normalen Wehenstunden einer Gebärenden richtig berechnet sind, wurden diese in der neuen Ausgabe (1983) um die Hälfte gekürzt. Dies ist eine gemeine, hinterlistige Unterschlagung, die sehr zum Nachteil der Gebärenden und zu Gunsten der Ärzte entstand. Damit erhalten letztere die Berechtigung des viel zu frühen Eingriffs bei gebärenden Frauen, die nur dem einen Zweck dienen, den ersehnten Facharzttitel FMH eines Gynäkologen schneller zu erreichen.
An den Arzt werden folgende Anforderungen gestellt:
500 Leitungen von vaginalen Geburten inkl. Versorgung von Episiotomien,
35 Schnittentbindungen,
600 Ultraschalldiagnostiken,
35 vaginale geburtshilfliche Operationen (Zange, Vakuum, Beckenendlage). Dies ist nur ein Teil der vorgeschriebenen Anwendungen.
Dieser Einblick ins Geburtsgebiet macht die rasche Eingriffstendenz an den gebärenden Frauen verständlich. Letztere sind diesen unseriösen Machenschaften wehrlos ausgeliefert. Sich in einer schmerzgeplagten Situation erfolgreich zu wehren, gelingt nur einer psychisch starken, selbstbewussten Frau. Eine solche hatte bei ihrem ersten Kind den anerbotenen Kaiserschnitt des Arztes entschieden abgelehnt, worauf sie im Spital Heiden nach drei Presswehenstunden einen gesunden Knaben gebar. Die zweite Geburt wünschte sie daheim im Garten auf ihrem Liegestuhl zu erleben, was ihr gelang. Ihres engen Beckens wegen benötigte sie diesmal noch 40 Minuten Zeit zum Pressen. Das Kind wog 4 Kilogramm und wurde im Juli 94 in Lutzenberg/AR geboren. Für die folgende Geburt in zwei Jahren bin ich bereits schon bestellt. Der Fall beweist, dass vieles von der Frau leistbar wäre, wenn man ihr genügend Zeit einräumte. Es gibt sehr wenige Frauen, die sich wehren. Entweder vertrauen sie dem Arzt oder sie getrauen sich nicht, Einwände zu machen. Daher werden sie förmlich beschlagnahmt, zu Experimentierzwecken und zum wirtschaftlichen Umtrieb missbraucht. Die Unwissenheit und Gutgläubigkeit der Frauen sollten den Arzt nicht zu ungerechtfertigten Handlungen verleiten. In den Gebärzimmern wird unter dem Deckmantel der Hilfeleistung das elementarste Menschenrecht an Frauen und Kindern verletzt. Sie verursacht zudem noch eine masslose Kostenexplosion, welche man dem Volk mit verdeckten Steuern aufbürdet. Der akademische Bildungsstand der Ärzte, gestützt mit staatlicher Genehmigung, erlaubt ihnen eine uneingeschränkte Freiheit, die schweigend geduldet wird. Es ist die traurige Bilanz unserer heutigen oberflächlichen, gottlosen Gesellschaft. Nur gelegentlich hört man etwas von vernünftigen Ärzten. Einer aus Zürich hat einer anrufenden Frau, bei welcher ein Abort im Gang war, geraten, sie benötige keine Ausschabung der Gebärmutter. Ihr Körper sei imstande, sich selbst zu helfen. Mit einer Ausschabung der Gebärmutter, die nur selten nötig wäre, gefährdet man bei der folgenden Geburt die normale Ablösung der Plazenta. Darauf wird sonst von Ärzten keine Rücksicht genommen. Es ist auch äusserst selten, wenn einmal einer der Ärzte auf dem Begleitbrief an die Hebamme vermerkt: «Einer Hausgeburt steht nichts im Wege.» Dahinter steht ausnahmsweise ein naturverbundener Arzt.

Ansonsten wird von den Herren der technische Fortschritt verherrlicht. Zum Beispiel der Ultraschall. Bei seiner Einführung wurde uns erklärt, er sei für unklare Fälle gedacht. Heute wird er bedenkenlos so viel wie möglich verwendet, obschon seine Unschädlichkeit zu wenig erforscht ist. Allein schon die Unruhe des Kindes während jeder Anwendung müsste zu denken geben. Das Röntgen hielt man anfänglich auch für harmlos, was später revidiert werden musste. Eine Schwangere sollte den Ultraschall ablehnen dürfen. Damit erzürnt man die meisten Ärzte, die anstatt das unbedingt Notwendige lieber das Meistmögliche bei einer Kontrolle anwenden wollen. Dabei wird sogar auf eine würdelose Lüge zurückgegriffen. Beispielsweise sei das Abhorchen der kindlichen Herztöne mit dem Hörrohr schädlicher, als wenn man es mit Ultraschall ermittle. Ferner könne man die Kindslage sowie die Plazenta prävia nur mit Ultraschall feststellen.

Auch oberflächliche Behandlungsweisen sind an der Tagesordnung. Eine Schwangere las im Beiblatt des vom Arzt verordneten Medikaments: «Bei Bestehen der Schwangerschaft nicht zu verwenden» . Der Arzt, auf diese Beschriftung angesprochen riet ihr, das Medikament trotzdem zu verwenden. Er empfehle es oft und hätte noch nie von diesbezüglichen Nachteilen gehört. Die Mutter eines sieben Monate alten Kindes, das einer befürchteten Allergie wegen ohne Milch ernährt wurde, erhielt bei der Arztkontrolle keinen Ernährungsratschlag, obschon ihm auf dem fast haarlosen Schädel des Kindes die abnorm grosse Einbuchtung der Fontanelle von weitem hätte auffallen müssen. Nach zweimonatiger Milchzufuhr war der Mangel zur Hälfte behoben.

Wieviel Sicherheit die Herren von der manuellen Untersuchung verlernt haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Wenn einmal der Erdball Pleite macht und der Strom ausfällt, kommen sie bestimmt in Bedrängnis. Ein durch die Scheide vorgenommener Ultraschall hat bei einer Frau, im zweiten Monat schwanger, einen Abort ausgelöst. Für die Frau war es ein grosses Unglück, für den Arzt, durch die erforderliche Ausschabung der Gebärmutter, eine willkommene Betätigung. Ärztinnen stimmen ebenfalls den männlichen Methoden bei. Eine solche unternahm bei einer Frau, im dritten Monat schwanger, nebst der üblichen Kontrolle noch den Abstrich am Muttermund. Damit hat sie ebenfalls den Abort eingeleitet. Naturbezogene Schwangere bestätigen es immer wieder, dass es ihnen am wohlsten sei, wenn sie meinen Ernährungsplan einhalten und sich vom Arzt distanzieren. Dann sind sie nicht unerwünschten Eingriffen ausgeliefert und leben ohne Verunsicherung unbeschwerter.

Für die moderne Geburtshilfe wird Werbung gemacht wie mit Mode, Kosmetik und Waschmitteln. Im «Optima» Februar-Heft 1995, welches gratis in allen Apotheken aufliegt, werden die neun Schwangerschaftsmonate beschrieben. Was alles von Ärzten angeboten, angeraten und an Schwangeren durchführbar ist, macht manipulierbare Frauen abhängig. Im Beschreib sind vorerst jeden Monat, gegen Ende der Schwangerschaft alle 14 Tage und im letzten Monat jede Woche eine Kontrolle angesagt. Wer hier eine Überbehandlung nicht zu erkennen vermag, dem ist das normale Urteilsvermögen abhanden gekommen. Eine Frau, welche diese Forderung annimmt, begibt sich vor allem mit der Fruchtwasserkontrolle in eine verwirrende Situation. Das verlockende Bild der Sicherheit ist trügerisch. Die vielen Scheidenuntersuchungen ohnehin ein pietätloser, unnötiger Eingriff. Uns früheren Hebammen wurde er, einer möglichen Infektion wegen, strengstens untersagt. Der Eingriff hat schon verschiedentlich Wehen ausgelöst, worauf dann die Frauen, um einer Frühgeburt zu entgehen, den Unsinn des unnötigen Scheidenuntersuches mit einer Liegekur büssen mussten.

Den Ärzten sind die einfallsreichsten Anwendungen an Frauen gestattet. So auch das unnötige kathederisieren bei jeder Schwangerschaftskontrolle. Dadurch werden Blasenentzündungen künstlich heraufbeschwört, die oft ein langjähriges Leiden nach sich ziehen. Die Schwangerschaft und Geburt, das natürlichste Geschehen der Welt, benötigt nebst etwas pflegerischer Hilfe lediglich eine fachkundige Betreuung, die am besten von Frauen geleistet wird. Gelingt das einmal nicht, dann wird gern ein Arzt zugezogen und seine Hilfe, wenn er das Fach beherrscht, auch gebührend geschätzt. Sofern man der Natur das Recht mit der notwendigen Zeit einräumt, ergäben sich von 100 Geburten 95 Normalfälle oder solche, die man mit Fachkunde mühelos meistert. Der heutige geburtshilfliche Trend mit der totalen Überwachung der Ärzte bezeugt das geistig gestörte Verhalten unserer Gesellschaft.

Der Arzt eignet sich nur in den seltensten Fällen für die Geburtshilfe. Dem Arzt als Mann fehlt das weibliche Denken sowie die notwendige Einfühlung in frauliche Empfindungen. Den Mann als Arzt hindert für dieses naturbedingte Fach sein Medizinstudium, denn dieses befasst sich ausschliesslich mit Krankheiten. Daher bleibt der Arzt auch im Normalfall auf die Fehlersuche fixiert und verkennt daher die geburtstätigen Kräfte der Frau, die seinen Einsatz nur in regelwidrigen Fällen nötig hätte.

Sogleich nachdem die Spitalgeburten überhand nahmen, womit den Ärzten das Dabeisein erleichtert war, wurde die Hausgeburt von Obgenannten als gefährlich und unverantwortlich verschrien, womit sie die freischaffenden Hebammen in Verruf brachten, fahrlässig zu handeln. Die Verleumdung wurde bewusst mit der Angstmacherei unterstützt. Mit den seltensten Fällen von Unregelmässigkeiten, die vorkommen, wird heute noch vor Hausgeburten gewarnt. Derweil sind jene Fälle, welche eine Spitalgeburt notwendig machen, im voraus erkennbar.

Man muss den Wandel der Geburtshilfe ein halbes Jahrhundert verfolgt haben, um die gezielte Umstrukturierung zu durchschauen. Dem allgemeinen Volk entgehen die Hintergründe. Die Medien verfallen ohnehin dem immer wiederkehrenden Werbespruch: «Man frage den Arzt» . Also weiss er in allen Bereichen Bescheid und nutzt die Gelegenheit zur Angstmacherei. Angst ist ein schlimmes Gift, das hemmt, blockiert, krank macht und selbst zum Tode führen kann. Angst vor Krebs, Angst vor Cholesterin, Angst vor Osteoporose. Aber von der Vermeidung solcher Krankheiten hört man von einem Arzt kaum etwas. Selbst der natürlichste Zyklusablauf einer Frau wird künstlich verändert. Den jungen Töchtern werden bei der eintretenden Mens ihre Bauchbeschwerden als Hormonstörung bezeichnet und mit Antibabypillen behandelt. Hat die Abänderung bei einer gesunden Frau ohne Beschwerden mit 40 begonnen, hat sie Medikamente einzunehmen. Es stimmt, die Frau ist ein williges aber auch ein voll ausgenutztes Opfer der Medizin. Mit dem Vorwand der Vorsorge kann alles Machbare, was Ärzte wünschen, an ihr unternommen werden. Selbst auf die Gebärmutter alter Frauen wird Jagd gemacht.

Im Jahre 1994 gestand mir ein Gynäkologe, das meiste vom Fach habe er von den Hebammen gelernt. Mir persönlich lieferten die Spitäler das meiste Wissen. Denn dort sollte jede freischaffende Hebamme ebenfalls tätig sein. Sie müsste regelwidrige Fälle ins Spital bringen dürfen und dort den Fall mit Hilfe des Arztes beenden. Denn die Tüchtigkeit im Beruf kommt nur auf diese Weise zustande. Mit der erweiterten Erfahrung erreicht sie die Sicherheit, Grenzfälle im häuslichen Bereich zu meistern. Dort kommt man mit der früher erlernten manuellen Hilfe ohne Vakuum aus. Dem Kind ist somit besser gedient als mit dem Vakuumzug am Kopf. Es ist die Taktik ehrgeiziger Ärzte, Altbewährtes fallen zu lassen, um neue Methoden einführen zu können.

Vor ungefähr 4 Jahren kam eine besonders idiotische Mode auf. Sofort nach dem Austritt des Kindes wurde die Plazenta an der Nabelschnur herausgerissen. Dieses unverständliche Vorkommen verursachte starke Blutungen, oft mit notwendiger Ausschabung der Gebärmutter.

Ein Spitalchef mit Würde und Vernunft ist daher für Frauen, Kinder und Hebammen ein grosses Glück. Vor 40 Jahren wünschte einer der meinen auch bei jeder Geburt dabeizusein. Worauf ich ihn fragte: «Dann schneiden Sie jedesmal?» Nach seiner Bejahung stellte ich ihn höflich vor die Wahl, entweder mir die Frauen der allgemeinen Abteilung zu überlassen oder eine andere Hebamme zu suchen. Nachdem er mir ohne Zögern das erstere zugesichert hatte, blieb unsere vortreffliche Zusammenarbeit 24 Jahre lang bestehen, bis aus dem Spital ein Altersheim wurde und ich inzwischen über 60 war. Als ihm ein Kollege eine Schwangere für einen Kaiserschnitt schickte, den ich nicht für nötig hielt, überliess er mir grosszügig die Frau, die noch gleichentags spontan, ohne notwendigen Dammschnitt geboren hat. Es ist nicht zu unterschätzen, dass mit einer guten Zusammenarbeit von Arzt und Hebamme auch die Gebärenden profitieren. Mein jetziger Nachbararzt ist ebenfalls ein ausgezeichneter Kollege. Ohne seine Hilfsbereitschaft wäre die Geburtspraxis in meinem Haus zu Ende. Er versorgt hier die Dammnähte und nimmt die Frauen mit, die das Spital nötig haben. Dass er röntgen muss, um zu erkennen, ob ein Kind den engen Beckendurchgang bewältigt, kann ich ihm verzeihen. Das gute Einvernehmen hat Vorrang.

Früher kam es mehrmals vor, dass Frauen bis zu meiner Ankunft schon allein geboren hatten. In keinem einzigen solchen Fall ist weder bei der Mutter noch beim Kind etwas Erschütterndes passiert. Tragische Fälle kommen eher in Spitälern vor. Ich erwähne den einen, der mir jahrelang psychisch zu schaffen machte. Die Frau hatte mich im sechsten Schwangerschaftsmonat, einer kleineren Blutung wegen kommen lassen. Ich klärte sie über ihre Plazenta prävia auf und gebot ihr, bei der nächst zu erwartenden Blutung den Arzt zu rufen, der vis à vis von ihrem Haus seinen Wohnsitz hatte. Als sich die Blutung im achten Monat wiederholte, kam ich soeben dazu, als die stark blutende Frau vom Arzt und Gatten ins Auto getragen wurde. Im Spital angekommen, beeilte ich mich, die auf den Liegewagen umgebettete Frau raschestens zum Operationssaal zu fahren. Der Arzt aber befahl mir, die Frau auf die Abteilung zu bringen und dort wurde zugewartet, bis die Blutung erneut und noch stärker einsetzte. Die Schnittentbindung verlief noch ohne Zwischenfall. Aber am Morgen des 2. Wochenbettages liessen die Lebenskräfte der Frau nach. Mit meiner Blutgruppe Null kam ich als Spenderin in Frage. Doch der allzusehr geschwächte Körper der Frau nahm das Blut nicht mehr auf. Sie starb im Umkreis ihrer aufgebotenen Familie bei vollem Bewusstsein, während das dem Mutterleib entnommene Kind auch eine Woche früher lebensfähig gewesen wäre.

Würde eine Hebamme derart fahrlässig handeln, wäre ihr der Patententzug sicher. Verursachen Ärzte solche dramatischen Fälle, wird hernach der Hebamme verboten, darüber zu reden. Schicksalsschwere Erlebnisse lernt sie allein zu tragen, das erklärt die harte Schale, die man sich notgedrungen aneignet. Warum wähnen sich so viele Ärzte im Geburtsbereich überlegen? Behaupten und bestimmen, was Frauen ab- oder zuträglich ist. Ausgerechnet sie, die weder ein Kind im Bauch gehabt noch eines geboren haben. Sie könnten mit Vorteil von den Hebammen lernen, vor allem von den alten, erfahrenen, wenn ihr akademischer Stolz dies zuliesse. Was brächte ihr medizinischer Einsatz ohne Frauendienste zustande? Die Herren betrachten es als selbstverständlich, dass ihnen der ganze Frauenpersonaldienst willenlos zur Verfügung steht, ohne den sie nicht bestehen könnten. Anstatt sich mit der Fachfrau, der Hebamme, zu beraten, ist die gesamte Ärzteschaft kräftig darum bemüht, diesen Berufsstand, der ihnen schon seit dem 14. Jahrhundert ein Dorn im Auge ist, vollständig auszurotten. Es ist den Herren offenbar nicht bewusst, dass sie von dunklen Mächten gesteuert werden! Sie sabotieren aber unseren Berufsstand, indem sie seine Grundlage unterminieren.
Ein Blick hinter die Kulissen entlarvt ihr gemeines Bestreben. Nach Möglichkeit werden keine selbständigen Hebammen mehr ausgebildet. Wer den psychologischen Fragebogen bei der Aufnahmeprüfung vollständig ausfüllt, hat keine Chance, in die Schule aufgenommen zu werden. Diese Tatsache wurde einer Bewerberin heimlich zugespielt, mit dem offenen Geständnis, man wünsche keine intelligenten Hebammen. Eine andere Bewerberin, deren Mutter im eigenen Haus entbindet, wurde abgewiesen. Wer eine Arztgehilfinnenschule absolviert hat oder vorgängig Laborantin wurde, um eine bessere Aufnahmechance zu bekommen, kann schwer enttäuscht werden. Man wünscht möglichst junge, biegsame, anpassungsfähige Töchter, die keine unbequemen Fragen stellen. Aus ihnen werden dann bestenfalls Gebärsaalschwestern mit einem grossen theoretischen Wissen und der Angst vor einer normalen Hausgeburt. Denn genau so wollen es die tonangebenden Ärzte haben. Im 14. Jahrhundert wurde begonnen, was man im 20. Jahrhundert erreichen will. Die komplette Ausmerzung der freischaffenden Hebamme.

In meinen zwei Büchern, «200 Praxisfälle» , mit zusammen 1000 Seiten und 400 beschriebenen Praxisfällen sind die Ärzte sehr oft erwähnt, kritisiert und ihres zweifelhaften Handelns wegen blossgestellt. Nach 6000 verkauften Exemplaren hat sich bis heute kein einziger der Herren zu Wort gemeldet oder Einsprache erhoben. Das beweist mir die Richtigkeit meiner Aussagen. Geborenwerden und sterben sind die intimsten ehrfurchtsvollsten Momente, die wir Erdenmenschen erleben. Das Geborenwerden in ein krankhaftes, künstliches Geschehen zu verwandeln, ist so verwerflich, wie die bewusste Absicht, das Abtreten eines Todeskandidaten mit Hilfe von Maschinen so lange wie möglich zu verlängern. Beides lässt an den Ärzten die Ehrfurcht vor dem Leben vermissen. Es ist beschämend für die Ärzte, dass man sich, um würdig sterben zu können, noch bei vollem Bewusstsein dafür schriftlich versichern muss.

Paracelsus war ein energischer Kämpfer für das Recht. Ich fühle mich daher mit ihm geistig verwandt. Danke dem Veranstalter für die Einladung ins Symposium und der Möglichkeit der Aussprache.
 
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Layout: Datadiwan eMail: webmeister@datadiwan.de