Lebensenergie und Vakuum
Über die VACOR-Versuche in Wilhelm Reichs ORANUR-Experiment
 
Autor: Bernhard Harrer
Keywords: Wilhelm Reich, Lebensenergie, Oranur-Experiment, Orgon, Orgonenergie, Geiger-Müller-Zähler, Lebensenergie, Vakuum, Vakuumröhren-Experimente, VACOR, Meßtechnik
Abstract: Wilhelm Reich beobachtet sin seinen Experimenten mit Vakuumröhren (VACOR-Experimente) Leuchterscheinungen, die er als zwingenden Beweis für eine Lebensenergei (Orgon) ansieht. Die Analyse seiner originalen Texte und Versuchsaufbautender zeigen, daß er Grundphänomene der Elektrizitätslehre und Gasphysik aus Unkenntnis falsch interpretiert. 
Copyright: Bernhard Harrer, 1996
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Comment:
Aus: Harrer, B; Rudolph, Chr.: Über Wilhelm Reichs Oranur-Experiment (I); (1997) Zweitausendeins Frankfurt a.M., S.69-72 - Exkurs VI. Dieser Text kommentiert insbesondere die Seiten 105-109 von: Reich, Wilhelm: Das ORANUR-Experiment, erster Bericht [IJBH]
09. Jun. 1998 
 
Ausgehend von der Uberlegung, daß Geigerzählrohre zu den Vakuumröhren gerechnet werden, versuchte Reich in seinem VACOR-Experiment, das Zählrohr eines Geigerzählers durch Vakuumröhren mit niedrigerem Restgasdruck zu ersetzen. Er verwendete verschiedene Vakuumröhren eines Herstellers von Unterrichtsmaterialien für den Physikunterricht in Schulen. (siehe: Seiten 105-109 von: Reich, Wilhelm: Das ORANUR-Experiment, erster Bericht)

Die Röhren sind im Reich-Museum ausgestellt und waren für unterschiedliche Versuche konzipiert. Eine der Röhren (Abbildung 7, Seite 32 von Reich, Wilhelm: Das ORANUR-Experiment, erster Bericht) besaß im Inneren ein bewegliches Schaufelrad (ähnlich einem Wasserrad), mit dem die kinetische Energie der Ionen und Elektronen im elektrischen Feld bei niedrigem Gasdruck demonstriert werden konnte. Ihr Leuchten bei angelegter Hochspannung ist nicht gleichmäßig verteilt, sondern zeigt mit dem Abwechseln von hellen und dunklen Abschnitten (Glimmlicht und Dunkelräume) das charakteristische Erscheinungsbild der Gasentladung. Auch die im Reich Museum gezeigten Filmaufnahmen dieser sowie der in Abbildung 6 gezeigten und auf Seiten 107f. näher beschriebenen Röhre lassen deutlich erkennen, daß es sich hierbei um Gasentladung handelt.

Reich betrieb die erstere Röhre mit 1500 Volt. Nach dem Paschen-Gesetz würde diese Röhre mit ihrem Elektrodenabstand von 18 cm und mit Luft als Restgas bei einem Innendruck von 1,1×10-2 hPa ein Glimmleuchten zeigen (siehe auch: Die motorische Kraft der Orgonenergie: Der Orgonmotor von Wilhelm Reich). Reichs Angabe des Innendrucks mit umgerechnet 6,7×10-4 hPa bezieht sich auf den Zeitpunkt der Herstellung. Reich gibt im englischen Original den Druck in µ, µm oder micron an und meint damit Mikrometer Quecksilbersäule. 0,5 m Hg entspricht 6,7×10-4 hPa. Hektopascal (hPa) ist die aktuelle physikalische Einheit des Gasdruckes. Der Innendruck von Vakuumröhren verändert sich bei langer Lagerung durch sogenanntes Nachgasen, also Diffusion von Gasen (vor allem Wasserstoff und Helium) durch den Glaskolben oder durch Eindringen von Luft über mikroskopische Fehler, vor allem an den Metalldurchführungen durch das Glas, und durch Ablösen von vorher gebundenen Molekülen aus dem Glas oder dem Metall im Inneren. Das Nachgasen wird durch die sogenannte Leckrate beschrieben, die in hPa×1×s-1×cm-2 angegeben wird; Vakuumröhren in der Technologie der 1970er Jahre hatten typische Leckraten von 10-14 hPa×1×s-1×cm-2. Reich sieht das Leuchten in seinen Röhren nicht von Anfang an, sondern erst nach längerer, zum Teil mehrjähriger Lagerungszeit. Wenn davon ausgegangen wird, daß die hier gezeigte Röhre ein Jahr alt war, so hätte eine Leckrate von 4×10-13 hPa×1×s-1×cm-2 ausgereicht, um Glimmlicht zu ermöglichen. Dieser Wert ist nur wenig schlechter als der von 1970, und bei den technologischen Problemen der 1940er Jahre durchaus zu erwarten. Damals war das große technologische Problem der Metalldurchführung durch Glas noch nicht befriedigend gelöst. In Reichs Röhren waren die Durchführungen mit einem Glaslot aus gelbem Uranglas an den Kolben angelötet. Das Uranglas könnte durch ionisierende Strahlung die Zündung einer Glimmentladung zusätzlich erleichtert haben. Reichs Argument, das Leuchten müsse Orgon sein, weil es bei 0,5 micron kein Glimmlicht gäbe, ist aus den beschriebenen Gründen wenig stichhaltig, da schlüssig nachgewiesen werden müßte, daß die Röhre nicht nachgegast ist. Umgekehrt ist es als plausibler Beweis zu werten, daß Nachgasen stattgefunden hat, wenn nach langer Lagerzeit einer Röhre ein Leuchten auftritt.

Entsprechend verhalten sich alle Versuchsergebnisse von Reich zu Vakuumröhren genau so, wie dies aus Sicht der Elektrizitätslehre zu erwarten wäre: Keines der Versuchsergebnisse erfordert die Einführung unbekannter Parameter, geschweige denn einer neuen Energieform. »Das gesamte Fundament der gegenwärtigen Astrophysik« wegen dieser Vakuumröhre zur Disposition stellen zu wollen [Seite 113, 2. Absatz in: Reich, Wilhelm: Das ORANUR-Experiment, erster Bericht], ist wohl nicht angebracht. Bedenken wir, daß Reichs Vakuumröhre bei einem Restgasdruck von 0,5 µm Hg zum Zeitpunkt der Herstellung immerhin noch 1017 Moleküle enthielt, und daher Schlußfolgerungen über das Vakuum der Weltraums kaum möglich sind.

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