Die Bewertung therapeutischer Maßnahmen bei atopischer Dermatitis und Psoriasis
 aus der Perspektive der Patienten unter Berücksichtigung komplementärmedizinischer Verfahren
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Autor: Bitzer EM, Grobe TG, Dörning H 
Keywords: Atopische Dermatitis, Psoriasis, Komplementärmedizin, Therapieverfahren, Studie, Neurodermitis
Abstract: Therapeutische Maßnahmen bei atopischer Dermatitis bei Kindern bzw. Erwachsenen und bei Psoriasis wurden in einer Studie mit Fragebögen untersucht. Patienten wurden retrospektiv zu den in Anspruch genommenen Therapieverfahren befragt sowie zu dem subjektiv wahrgenommenen kurzfristigen und langfristigen Nutzen der Behandlungen. Es wurden eine Reihe schulmedizinischer, naturheilkundlicher und komplementärmedizinischer Therapiemethoden ausgewertet und miteinander verglichen. Die Untersuchung wurde im Auftrag der GEK vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsforschung (ISEG) durchgeführt.
Copyright: Copyright der Texte: Gmünder ErsatzKasse GEK  
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Comment:
Die vorliegende Studie befragt sehr detailiert zu den einzelnen Verfahren und vergleicht danach eine "schulmedizinische" und eine "komplementärmedizinische" Gruppe von Therapieverfahren. Dieser Gruppenvergleich läßt komplementäre Verfahren in der Bewertung etwas schlechter abschneiden als klassische Verfahren. Dieses Ergebnis ist auf den ersten Blick für naturheilkundlich Interessierte erstaunlich, wie kommt es zustande? In der Gruppierung wurden die besonders wirksamen klassischen Naturheilverfahren Klimatherapie und Ernahrungstherapie sowie die Psychotherapie zu der Gruppe Schulmedizin gezählt, da sie allgemein anerkannt und erstattungsfähig sind. Es lohnt sich also die Auswertung dieser interessanten Untersuchung genau durchzulesen! 
Besonders für Therapeuten und Patienten interessant ist die Frage, welche Erfolge eine integrative, ganzheitliche Behandlung hätte, die Klimatherapie, Ernährungstherapie, Psychosomatik und andere in synergistischer Weise mit einander verbindet. In diese Richtung sollte weiter geforscht werden! [IJBH
Vorwort
Inhalt
A:   Einführung (1-7)
B:   Atopische Dermatitis bei Erwachsenen (1)
B:   Atopische Dermatitis bei Kindern (2)
C:   Psoriasis (1-3)
D:   Literatur
E:   Anhang (1. Teil)
       Anhang (2. Teil)
 
 B: Atopische Dermatitis (Fortsetzung)
 
1. Atopische Dermatitis bei Erwachsenen  
1.1 Material und Methode   
1.1.1 Durchführung der Befragung  
1.1.2 Untersuchungspopulation  
1.2 Erkrankungsbezogene Patientencharakteristika 
1.3 Therapiespektrum bzw. Vielfalt der angewendeten   Therapien   
1.3.1 Anzahl angewendeter unterschiedlicher Behandlungsverfahren   
1.3.2 Therapiespektrum   
1.3.3 Inanspruchnahme komplementärmedizinischer Verfahren
1.3.4 Determinanten der Inanspruchnahme einzelner Therapiemaßnahmen   
1.4 Bewertung der Therapien  
1.4.1 Kurzfristige Wirkung  
1.4.2 Längerfristige Wirkung  
1.4.3 Nebenwirkungen und Beeinträchtigung durch Therapieverfahren    
1.4.4 Erfolg der Therapieverfahren   
1.4.5 Beziehungen zwischen patientenseitigen Dimensionen    
der Therapiebewertung    
1.5 Diskussion 
 1.4 Bewertung der Therapien
Die Befragten wurden im Zusammenhang mit den von ihnen jemals verwendeten Therapien um eine Einschätzung der kurz- und langfristigen Wirkung, der durch die Therapien hervorgerufenen Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen sowie des Erfolges der Therapien insgesamt gebeten. Die patientenseitige Evaluation erfolgte dabei jeweils für jede bislang angewendete Therapie.

Die Einschätzung erfolgte anhand von vier Kategorien, die beispielsweise bezogen auf die kurzfristige Wirkung: "gar keine kurzfristige Wirkung", "kaum eine kurzfristige Wirkung", "mäßige kurzfristige Wirkung" und "starke kurzfristige Wirkung" lauteten. Bei den folgenden Auswertungen wurden nur solche Therapien berücksichtigt, zu denen von mindestens 10 Patienten Angaben zur Bewertung vorlagen.

1.4.1 Kurzfristige Wirkung

In Abbildung 1 ist die patientenseitige Einschätzung der kurzfristigen Wirkung für jede der berücksichtigen Therapien grafisch dargestellt. Angegeben wird jeweils der Anteil der vier Bewertungsmöglichkeiten in bezug auf die Patienten, die eine Therapie bereits angewendet haben.
Präparate zur äußeren Anwendung
Unter den Präparaten zur äußeren Anwendung weisen kortisonhaltige Externa die größte kurzfristige Wirkung auf (Anteil kurzfristige Wirkung hoch: 72,9%). Addiert man die Angaben zu starker und mäßiger kurzfristiger Wirkung, bescheinigen sogar 92,9% der Personen, die bereits kortisonhaltige Externa angewendet haben, eine ausgeprägte kurzfristige Wirkung dieser Präparate.

Mehr als die Hälfte der befragten Anwender bezeichnet die kurzfristige Wirkung von Antimykotika und harnstoffhaltigen Externa als stark bzw. mäßig (Antimykotika: 62,0% ; harnstoffhaltige Externa: 56,6%).

Präparate, bei denen weniger als die Hälfte der bisherigen Anwender zumindest eine mäßige kurzfristige Wirkung konstatiert, sind die Externa mit pflanzlichen Wirkstoffen (47,1%), teerhaltige Externa (41,7%) sowie wirkstoffreie Pflegecremes oder -salben (40,6%). Auffällig ist die sehr geringe starke kurzfristige Wirkung, die phytotherapeutischen Externa zukommt (2,0%).

Abbildung 1: Kurzfristige Wirkung einzelner Therapieverfahren (n >= 10)

Präparate zur inneren Anwendung
Die mit weitem Abstand stärkste kurzfristige Wirkung wird auch hier dem Kortison, in diesem Falle zu inneren Einnahme, zugebilligt. Nahezu alle befragten Anwender (93,8%) geben eine mäßige oder starke kurzfristige Wirkung an, wobei drei Viertel dieser Befragten die kurzfristige Wirkung als "stark" bezeichnen, und nur ein Viertel als "mäßig".

Die zweitbeste kurzfristige Wirkung weisen nach Einschätzung der Patienten die Antiallergika auf, knapp zwei Drittel (65,8%) der befragten Anwender bescheinigen eine zumindest mäßige kurzfristige Wirkung, wobei noch knapp die Hälfte dieser Befragten die kurzfristige Wirkung als "stark" bezeichnet.

Jeweils gut 40% der Anwender beurteilen Homöopathika und Beruhigungsmittel als mäßig bis stark wirksam (Beruhigungsmittel: 41,7%, Homöopathika: 41,2%), während die kurzfristige Wirksamkeit von phytotherapeutischen Maßnahmen nur von 27,7% der Personen, die solche Verfahren angewendet haben, positiv, d.h. "mäßig" oder "stark", bewertet wird.

Ernährung / Diät
Die genannten Diätformen weisen bei 30% bis 40% der Befragten, die jeweils einer der Diäten bislang angewendet haben, eine zumindest mäßige kurzfristige Wirkung auf. Insbesondere die Fastenkuren werden dabei ausschließlich als ein Verfahren mit starker kurzfristiger Wirkung auf die Hauterkrankung angesehen.
Andere Therapieformen
Unter den anderen Therapieformen sind "Aufenthalte im Reizklima", "Psychotherapie" und "Bestrahlung mit UV-Licht" die Maßnahmen, bei denen mehr als die Hälfte der befragten Anwender die kurzfristige Wirkung als mäßig bzw. stark bezeichnet (Aufenthalte im Reizklima: 71,8%; Psychotherapie: 57,1%; UV-Licht: 52,7%). Der Anteil von Befragten, die bei diesen drei Therapien eine starke kurzfristige Wirkung feststellen, ist dabei bei der Maßnahme "Aufenthalte im Reizklima" mit Abstand am höchsten.

Die kurzfristige Wirkung der ölhaltigen Badezusätze wird von 43,9% der Befragten als "mäßig" oder "stark" bezeichnet und liegt damit in einem ähnlichen Bereich wie die kurzfristige Wirkung der Eigenblutbehandlung (43,8%).

Die geringste kurzfristige Wirkung aller genannten Medikamente hat nach Ansicht der Befragten die Akupunktur, nur 22,1% bewerten sie als mäßig oder stark.

1.4.2 Längerfristige Wirkung

In Abbildung 2 ist die patientenseitige Einschätzung der längerfristigen Wirkung für jede der berücksichtigen Therapien grafisch dargestellt. Angeben wird jeweils der Anteil der vier Bewertungsmöglichkeiten in bezug auf die Patienten, die eine Therapie bereits angewendet haben.

Zwar zeigen sich verschiedentlich Unterschiede zwischen der Einschätzung zwischen kurz- und längerfristigen Wirkung einzelner Maßnahmen, dennoch weisen die Medikamente oder Verfahren innerhalb der einzelnen Gruppen ein im Vergleich zur kurzfristigen Wirkung bisweilen sehr ähnliches Profil auf.

Präparate zur äußeren Anwendung
Auch in bezug auf die längerfristige Wirkung schneiden kortisonhaltige Externa unter den Präparaten zur äußeren Anwendung am besten ab: 35,0% der befragten Anwender geben eine starke längerfristige Verbesserung an und weitere 32,8% schätzen die längerfristige Wirkung immerhin als mäßig ein. Allerdings wird die längerfristige Wirkung kortisonhaltiger Externa deutlich geringer eingeschätzt als deren kurzfristige Wirkung.

Ähnlich wie bei der Beurteilung der kurzfristigen Wirkung, liegen auch bei der Bewertung längerfristiger Wirkungen Antimykotika und harnstoffhaltige Externa an zweiter bzw. dritter Position, was die Beurteilung der längerfristigen Wirkung anbelangt.

Abbildung 2: Längerfristige Wirkung einzelner Therapieverfahren (n >= 10)

Während die kurzfristige Wirkung von Externa mit pflanzlichen Wirkstoffen, teerhaltigen Externa und wirkstoffreien Präparaten noch zwischen 47,1% und 40,6% als mäßig oder stark angegeben wird, wird die längerfristige Wirksamkeit nur noch von jeweils gut einem Drittel der befragten Anwender hoch (d.h. mäßig oder stark) eingeschätzt (wirkstoffreie Externa: 36,5%, teerhaltige Externa: 35,3%, Phytotherapeutika: 38,3%).

Präparate zur inneren Anwendung

Unter den Präparaten zur inneren Anwendung wird Kortison und seinen Derivaten auch im Zusammenhang mit der längerfristigen Wirkung die verhältnismäßig höchste Wirksamkeit von den Patienten bescheinigt ("mäßig"/"stark": 73,8%). Allerdings ist der Abstand zu anderen Präparaten aus dieser Gruppe nicht mehr ganz so deutlich wie in bezug auf die kurzfristige Wirkung.

So werden Antiallergika von 55,4% und homöopathische Medikamente von 51,6% der Befragten als mäßig bis stark längerfristig wirksam bezeichnet. Und auch die Arzneimittel auf pflanzlicher Basis werden noch von 42,4% der befragten Anwender als mäßig bis stark längerfristig wirksam eingeschätzt.

Ein Vergleich zwischen kurz- und längerfristiger Wirkung bei diesen Therapeutika zeigt plausible Unterschiede: so wird bei den Antiallergika die längerfristige Wirkung schwächer als die kurzfristige Wirkung eingeschätzt, während bei Phytotherapeutika und Homöopathika die längerfristige Wirkung besser beurteilt wird.

Ernährung und Diät
Bei beiden Diätformen überwiegt die längerfristige Wirkung im Vergleich zur kurzfristigen Wirkung. Jeweils die Hälfte bzw. sogar mehr als die Hälfte der Personen, die eine der Diätformen angewendet haben, konstatieren eine mäßige bis starke längerfristige Wirkung auf die Hautsymptome (vegetarische Ernährung: 50,0%, Vermeidung einzelner Nahrungsmittel: 55,9%), während die kurzfristige Wirkung nur von 30% bis 40% dieser Befragten positiv bewertet werden.
Andere Therapieformen
Unter den anderen Therapieformen wird der Psychotherapie neben der Eigenblutbehandlung die positivste längerfristige Wirkung bescheinigt (starke oder mäßige Wirkung: Psychotherapie: 66,6%, Eigenblutbehandlung: 61,6%). Auch bei diesen beiden Behandlungsmaßnahmen überwiegt damit aus der Sicht der Patienten die längerfristige Wirkung.

Entspannungstechniken, Aufenthalte im Reizklima und Bestrahlung haben nach Ansicht jeweils ca. der Hälfte der befragten Anwender eine ausgeprägte längerfristige Wirkung, wobei die Entspannungstechniken prinzipiell eher längerfristig und Aufenthalte in Regionen mit Reizklima tendenziell eher kurzfristig wirken. Die Einschätzung der kurz- und längerfristigen Wirkung bei UV-Licht bewegt sich dagegen ungefähr auf dem gleichen Niveau.

1.4.3 Nebenwirkungen und Beeinträchtigung durch Therapieverfahren

In Abbildung 3 ist die patientenseitige Einschätzung der Nebenwirkungen von bzw. der Beeinträchtigung durch die einzelnen berücksichtigen Therapien grafisch dargestellt. Angegeben wird jeweils der Anteil der vier Bewertungsmöglichkeiten in bezug auf die Patienten, die eine Therapie bereits angewendet haben.

Abbildung 3: Beeinträchtigung durch Therapieverfahren (n >= 10)

Die grafische Darstellung der patientenseitigen Einschätzung verdeutlicht zunächst, daß im Zusammenhang mit einzelnen Therapien aufgetretene Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen im Vergleich zur kurz- oder langfristigen Wirkung durchgängig seltener als "stark" oder "mäßig" bezeichnet werden.

Das höchste Nebenwirkungs- bzw. Beeinträchtigungspotential konstatieren die befragten Personen erwartungsgemäß bei den kortisonhaltigen Interna, deren Nebenwirkungen von mehr als der Hälfte (52,5%) der Patienten, die diese Medikamente bereits angewendet haben, negativ (d.h. mäßig oder stark) eingeschätzt wird. Vergleichsweise hohe Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen sind darüber hinaus mit der Einnahme von Beruhigungsmitteln ("starke"/"mäßige" NW: 47,8%) verbunden.

Die kortisonhaltigen Externa führen am dritthäufigsten zu mäßigen oder starken Nebenwirkungen/Beeinträchtigungen in bezug auf die Personen, die solche Präparate zur Behandlung ihrer Hauterkrankung eingesetzt haben (35,2%).

Therapien und Verfahren, bei denen jeweils zwischen 10% und 33% der befragten Anwender über eher ausgeprägte Beeinträchtigungen oder Nebenwirkungen berichten, sind insbesondere Antiallergika (31,1%), vegetarische Ernährung und Psychotherapie (jeweils 30,8%), teerhaltige Externa (22,5%), harnstoffhaltige Externa (15,0%), und darüber hinaus Antimykotika (10,6%).

Bei acht der berücksichtigten Therapien schätzen jeweils weniger als 10% der Personen, die eine der Behandlungsmaßnahmen angewendet haben, die aufgetretenen Nebenwirkungen bzw. Beeinträchtigungen als mäßig oder stark ein. Dazu gehören die ölhaltigen Badezusätze (7,7%), Aufenthalte im Reizklima (7,1%), die Präparate auf pflanzlicher Basis zur inneren (5,8%) und äußeren Anwendung (4,2%), die Homöopathika (3,3%), Entspannungstechniken (3,2%) sowie die wirkstoffreien Pflegecremes oder -salben (3,1%).

1.4.4 Erfolg der Therapieverfahren

In Abbildung 4 ist die patientenseitige Einschätzung des Erfolges spezifischer Maßnahmen insgesamt für jede der berücksichtigten Therapien grafisch dargestellt. Angegeben wird jeweils der Anteil der vier Bewertungsmöglichkeiten in bezug auf die Patienten, die eine Therapie bereits angewendet haben.

Insgesamt werden in den verschiedenen Therapiegruppen im wesentlichen die Maßnahmen als besonders erfolgreich bezeichnet, die auch bereits in bezug auf die kurz- und längerfristige Wirkung überdurchschnittlich positiv bewertet wurden.

Bei den Präparaten zur äußeren Anwendung sind es die kortisonhaltigen Externa, gefolgt, wenn auch bereits mit deutlichem Abstand, von den Antimykotika und den harnstoffhaltigen Externa, denen mehr als die Hälfte der befragten Anwender einen großen Erfolg zuschreibt.

Unter den Präparaten zur inneren Anwendung sind die kortisonhaltigen Interna und die Antiallergika noch von mehr als der Hälfte der Patienten, die diese Medikamente bislang angewendet haben, erfolgreich bewertet worden.

Abbildung 4: Erfolg von Therapieverfahren insgesamt (n >= 10)

Unter den anderen Therapieformen zeichnen sich besonders Psychotherapie, autogenes Training und Aufenthalte im Reizklima als erfolgreiche Maßnahmen aus, jeweils mehr als 60% der Personen, die eine der Therapieformen angewendet haben, schätzen den Erfolg der Maßnahme als "mäßig" oder "groß" ein.

Auch die Eigenblutbehandlung und die Vermeidung einzelner Nahrungsmittel wird noch von mehr als der Hälfte der Anwender als erfolgreich bezeichnet.

Darüber hinaus verdeutlicht Abbildung 4, daß auch alle anderen Therapieverfahren noch von mindestens 30% der Personen, die eine bestimmte Therapie angewendet haben, positiv hinsichtlich des Erfolges bewertet wurden. D.h. keine der Therapien, die von mindestens 10 Befragten bislang angewendet wurde, ist nach Ansicht der Patienten mit atopischer Dermatitis völlig erfolglos.

1.4.5 Beziehungen zwischen patientenseitigen Dimensionen
der Therapiebewertung

Um die Aussagen zu den Beziehungen zwischen den einzelnen Beurteilungsdimensionen "kurz-" und "längerfristige Wirkung", "Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen" und "Erfolg insgesamt" zu überprüfen, wurde für alle untersuchten Behandlungsmaßnahmen, die von mindestens 10 Befragten bislang angewendet wurden, zunächst bivariat untersucht, inwiefern jeweils zwei der vier Dimensionen miteinander in Beziehung stehen. Dabei fanden sich bei den 21 untersuchten Therapieformen, bei denen von mehr als 10 Patienten Angaben zur Bewertung vorlagen, insgesamt sehr konsistente Beziehungen, die sich im wesentlichen wie folgt charakterisieren lassen: Neben diesen Zusammenhängen zwischen jeweils zwei Bewertungsdimensionen auf der Ebene von Einzeltherapien wurden darüber hinaus - wiederum für jeweils zwei Bewertungsdimensionen - die thematisierten Therapien miteinander verglichen.

Dazu wurden in den folgenden Abbildungen für die Therapieformen mit mehr als 10 Anwendern die therapiebezogenen Anteile der Personen, die eine hohe ("starke" oder "mäßige") kurzfristige Wirkung und eine hohe längerfristige Wirkung (Abb. 5), eine hohe längerfristige Wirkung und einen mindestens mäßigen Erfolg (Abb. 6) sowie die Anteile von Personen mit mindestens mäßigen Nebenwirkungen bzw. Beeinträchtigungen und die mit einem mindestens mäßigen Erfolg (Abb. 7) in Streudiagrammen gegenübergestellt.

Die Abbildungen bestätigen die bereits bei der Beschreibung der einzelnen Dimensionen deutlich gewordenen Unterschiede zwischen den einzelnen Therapieverfahren.

Obwohl sich die Bewertungen bei jeder der betrachteten Behandlungsmaßnahmen ausschließlich auf die Personen bezieht, die eine Maßnahme bereits angewendet haben und somit bei jeder Therapie eine andere Bezugspopulation zugrunde liegt, legen die patientenseitigen Einschätzungen einen nahezu linearen Zusammenhang zwischen den einzelnen Dimensionen der Erfolgsbewertung nahe, der am stärksten zwischen längerfristiger Wirkung und Erfolg insgesamt ausgeprägt ist.

Tabelle 11: Beziehungen zwischen patientenseitigen Dimensionen
der Therapiebewertung
Zusammenhang
p < 0.01
p < 0.05
n.s.
je höher die kurzfristige  
Wirkung, desto höher die 
längerfristige Wirkung 
alleTherapieformen (n>10) mit Ausnahme: 

autogenes Training 
Psychotherapie 
Akupunktur 
Eigenblutbehandlung 

 - autogenes Training 
Psychotherapie 
Akupunktur 
Eigenblutbehandlung 
je höher die kurzfristige 
Wirkung, desto größer der 
Erfolg insgesamt 
alleTherapieformen (n>10) mit Ausnahme: 

autogenes Training 
Psychotherapie 
Akupunktur 
Eigenblutbehandlung 
UV-Licht 

Akupunktur autogenes Training 
Psychotherapie 
Eigenblutbehandlung 
UV-Licht 
je höher die längerfristige 
Wirkung, desto größer der 
Erfolg insgesamt 
alleTherapieformen (n>10) mit Ausnahme: 

Beruhigungsmittel 
Psychotherapie 
Akupunktur 
Eigenblutbehandlung 

Beruhigungsmittel 
Psychotherapie 
Eigenblutbehandlung 
Akupunktur
je höher die Nebenwirkungen, desto geringer die kurzfristige Wirkung   - ölhaltige 
Badezusätze 
alle anderen 
Therapieformen (n>10) 
je höher die Nebenwirkungen, desto geringer die längerfristige Wirkung   - harnstoffhaltige 
Externa 
alle anderen 
Therapieformen (n>10) 
je höher die Nebenwirkungen, desto geringer der Erfolg  
insgesamt 
 -  -  alle Therapieformen (n>10)
 




Abbildung 5: längerfristige vs. kurzfristige Wirkung einzelner Therapieformen
(Anteil Anwender mit mind. mäßiger Wirkung; n > 10)
 

Abbildung 6: Erfolg insgesamt vs. längerfristige Wirkung einzelner Therapieformen
(Anteil Anwender mit mind. mäßiger Wirkung; n > 10)
 



Abbildung 7: Beeinträchtigung vs. Erfolg insgesamt bei einzelnen Therapiemaßnahmen
(Anteil Anwender mit mind. mäßiger Beeintr. bzw. mäß. Erfolg; n > 10)


Zusammenfassend lassen sich folgende Schlüsse aus der patientenseitigen Evaluation einzelner Therapieverfahren ziehen:

Obwohl die vorgestellten Ergebnisse zur Wirksamkeitsbewertung einzelner Maßnahmen so etwas wie einen "Wirkungsvergleich" zwischen den einzelnen Verfahren nahelegen, sollten sie aufgrund des gewählten Bezuges (Auswertungen immer nur bezogen auf die Personen, die mit der jeweiligen Therapie bislang Erfahrungen gemacht haben) lediglich als erste Anhaltspunkte verstanden werden.

Valide Aussagen zur vergleichenden Bewertung, etwa im Sinne "Sind Homöopathika wirksamer als kortisonhaltige Externa?" sind jedoch nur für Gruppen von Patienten möglich, die gleiche Therapiekombinationen angewendet haben und damit über ähnliche Erfahrungen in bezug auf die zu untersuchenden Behandlungen verfügen.

Im Rahmen der vorliegenden Auswertungen wurde versucht, solche Gruppen mit "ähnlichen Therapieerfahrungen" zu identifizieren. Die entsprechenden Analysen haben jedoch gezeigt, daß die Vielzahl der von den Patienten im einzelnen angewendeten Behandlungskombinationen aufgrund zu geringer Fallzahlen keine solchen Gruppierungen erlaubt. Daher mußte von einer tiefergehenden vergleichenden Therapieevaluation Abstand genommen werden.
 

1.5 Diskussion

Für die atopische Dermatitis ist keine geschlechtsspezifische Prädisposition bekannt, so daß Männer und Frauen mit atopischer Dermatitis in der GEK entsprechend ihrem Verhältnis in den jeweiligen Altersgruppen vertreten sein müßten. Im Vergleich zur GEK-Versichertenpopulation sind jedoch Frauen in der vorliegenden Untersuchungsstichprobe (atopische Dermatitis zwischen 15 und 60 Jahren) mit einem Anteil von 50% deutlich überrepräsentiert (entsprechender Anteil in der GEK-Versichertenpopulation: 33%, Grobe 1996).

Gründe für die Überrepräsentation weiblicher Personen liegen möglicherweise in dem gewählten Rekrutierungsweg der Untersuchungspopulation über die Inanspruchnahme dermatologischer Fachärzte. Zwar konnten in der vorliegenden Stichprobe keine Hinweise auf eine häufigere Inanspruchnahme von Behandlungseinrichtungen bei Frauen im Vergleich zu Männern festgestellt werden, dennoch besteht die Möglichkeit, daß Frauen mit atopischer Dermatitis häufiger als Männer in dermatologischer Behandlung sind. In bezug auf die vorgestellten Ergebnisse und deren Übertragbarkeit auf die GEK ergeben sich daraus jedoch keine Auswirkungen.

Prinzipiell unterstreichen die Auswertungen zur Inanspruchnahme von Therapien zur Behandlung der atopischen Dermatitis die eingangs skizzierte Situation. D.h. angesichts einer fehlenden ursächlich wirkenden Behandlung wird eine Vielzahl verschiedenster therapeutischer Ansätze von den Patienten in Anspruch genommen.

Insbesondere Patienten, die bereits seit längerer Zeit und vergleichsweise schwerwiegend unter ihrer Hauterkrankung leiden bzw. litten, nutzen ein breites Spektrum an Behandlungsverfahren.

Darüber hinaus weisen die in der vorliegenden Untersuchung befragten Patienten mit atopischer Dermatitis im wesentlichen ein weitgehend auf traditionelle Behandlungsansätze ausgerichtetes Therapiespektrum auf:

Die gängigen schulmedizinischen Verfahren mit wirksstoffreien, kortison- und harnstoffhaltigen Externa sowie Antiallergika gehören zu den am häufigsten angewendeten Therapien. Sie werden von vielen Befragten, insbesondere bei einer ausgeprägteren atopischen Dermatitis, kombiniert mit den ebenso seit langem als Behandlungsverfahren etablierten Aufenthalten im Reizklima und Bestrahlung mit ultraviolettem Licht eingesetzt.

Komplementärmedizinische Verfahren scheinen dagegen eher additiv zu den schulmedizinischen Maßnahmen angewendet zu werden und erstrecken sich vorwiegend auf Homöopathika sowie Externa mit pflanzlichen Wirkstoffen. Von einer breiten Inanspruchnahme unkonventioneller oder komplementärmedizinischer Therapieverfahren kann in der vorliegenden Untersuchungspopulation nicht gesprochen werden.

In bezug auf die Wirksamkeitsbewertung der einzelnen Therapien befinden sich die patientenseitigen Einschätzungen in weitgehender Übereinstimmung mit schulmedizinisch etablierten Bewertungen. Allerdings sollten die folgenden Aussagen zur vergleichenden Bewertung der Wirksamkeit aufgrund der für jede Therapie unterschiedlichen Bezugspopulation zurückhaltend interpretiert und eher als Orientierung verstanden werden (s.o.).

So werden kortisonhaltige Präparate, die vor allem von Patienten mit einem größeren Schweregrad eingesetzt werden, sowohl von den Befragten als auch in vielen klinischen Untersuchungen durchweg als hochwirksam eingeschätzt (z.B. Darke, 1994, Volden, 1992). Die in der Fachliteratur breit belegten Nebenwirkungen nach bzw. während längerfristiger Anwendung kortisonhaltiger Präparate spiegelt sich in der patientenseitigen Bewertung zwar wieder (kortisonhaltigen Therapeutika wird mit das höchste Nebenwirkungs- bzw. Beeinträchtigungspotential zugeschrieben), wirkt sich allerdings auf die insgesamt positive Gesamteinschätzung allenfalls marginal (und auf der Basis der vorliegenden Daten statistisch nicht nachweisbar) aus.

Zudem lassen sich in der vorliegenden Studie keine Hinweise für die, insbesondere von ärztlicher Seite aber auch von Seiten der Selbsthilfe- und Patientenorganisationen häufig zitierte ablehnenden Haltung vieler Patienten gegenüber kortisonhaltigen Medikamenten (Mayenburg, 1992; Drosner, 1992) keine Hinweise finden.

Die im Vergleich zu kortisonhaltigen Präparaten geringere Wirksamkeitseinschätzung anderer schulmedizinischer Verfahren entspricht gleichfalls der fachlichen Diskussion, so werden beispielsweise harnstoffhaltige Externa als Einzeltherapeutika eher zur Intervalltherapie angewendet, während zur Behandlung akuter Verschlechterungen kortisonhaltige Präparate zusätzlich eingesetzt werden (Burkard, 1992).

Vor diesem Hintergrund ist auch der Befund, daß die komplementärmedizinischen Verfahren bei weitgehender Nebenwirkungsfreiheit eher zurückhaltend in bezug auf ihre Wirksamkeit beurteilt werden, aus der Sicht der Patienten nachvollziehbar und entspricht den von fachlicher Seite geäußerten Einschätzungen (Haltenhof, 1995).

Vor dem Hintergrund, daß sowohl die aktuelle Beeinträchtigung durch die atopische Dermatitis als auch die Beeinträchtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Befragten beispielsweise im Vergleich zu Patienten, die sich in stationärer Behandlung befinden, deutlich geringer ist, können die vorliegenden Angaben zur Inanspruchnahme und Wirksamkeitsbewertung vorsichtig dahingehend interpretiert werden, daß viele Patienten im Verlauf ihrer chronischen Hauterkrankung relativ erfolgreich individuelle Therapiestrategien entwickeln, die sich im wesentlichen auf eine Kombination bereits etablierter Behandlungsverfahren konzentrieren.

Die detaillierte Beschreibung solcher Strategien erfordert jedoch aufgrund der Vielzahl verschiedener bislang von Patienten angewendeter Behandlungsverfahren (und der daraus resultierenden ungleich größeren Zahl möglicher Behandlungskombinationen) sehr große Fallzahlen, um aussagekräftig untersucht zu werden und konnte in der vorliegenden Untersuchung nicht näher analysiert werden.

weiter
 

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