Das Online-Magazin des DATADIWAN
Ausgabe Nr. 2 / November 1998 - ISSN 1435-1560 
Wirksamkeitsnachweis aus homöopathischer Sicht
Monophasische Prospektive Einzelfallstudie
Autor: Dr. Marianne Heger
Keywords: Methodologie, Methodology, monophasische prospektive Einzelfallstudie, single-case studies, Wirksamkeitsnachweis, Naturheilkunde, Naturopathy, unkonventionelle Therapierichtungen, randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie, Homöopathie, Komplementärmedizin, Alternativmedizin, randomisierte kontrollierte Studie, Outcomes-Forschung, prospektive Beobachtungsstudie, IIPCOS
Abstract: Der Artikel basiert auf einem Vortrag, der auf dem Kreativsymposium in Rosenfeld gehalten wurde. Der Artikel beschäftigt sich mit einem neuen Ansatz der Evaluation der Wirksamkeit homöopathischer Mittel; Stichwort "Outcomes"-Forschung.
Copyright: Patienteninformation für Naturheilkunde e.V., Berlin 1998
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Einleitung
Die Homöopathie zählt in der Praxis zu den am weitest verbreiteten komplementären und alternativen Therapieverfahren. Zwei Metaanalysen, eine wurde vor kurzem im Lancet publiziert, kamen zu den Schluß, daß die Homöopathie wirksamer ist als Placebo [Kleijnen et al. 1991, Linde et al. 1997]. Von den Vertretern der konventionellen Medizin und Wissenschaft wird der Homöopathie allerdings weiterhin jegliche Wirksamkeit abgesprochen. Bei der Forderung nach randomisierten kontrollierten Studien wird dabei aber oft außer Acht gelassen, daß die externe Validität der Daten abnimmt, d. h. die unter selektiven Studienbedingungen gewonnenen Ergebnisse lassen sich nicht auf die heterogenen Bedingungen im Praxisalltag übertragen [Kiene 1996]. Patienten, die in eine randomisierte kontrollierte Studie aufgenommen werden, repräsentieren nicht den Durchschnittspatienten in der täglichen Praxis, da Patienten mit Begleiterkrankungen und/oder anderen Faktoren, die die Studienergebnisse beeinflussen können, von einer klinischen Studie ausgeschlossen werden. Neben der fraglichen praktischen Relevanz der Ergebnisse von randomisierten kontrollierten Studien werden in der konventionellen Forschung auch immer wieder eine Reihe methodologischer, praktischer und ethischer Probleme diskutiert, die zum Teil nicht gelöst werden können [Royall 1991, Heusser 1997, Feinstein 1998]. Darüber hinaus liegen Hinweise vor, daß der Placebo-Effekt und sein Einfluß auf die Studienergebnisse fortlaufend genau untersucht werden müssen, und daß die Verabreichung von Placebo eine zusätzliche Fehlerquelle darstellen kann [Kiene 1996]. Die individuelle Behandlung bei komplementär- und alternativmedizinischen Therapieverfahren kann beispielsweise unter doppelblinden, placebokontrollierten Bedingungen zu falsch positiven und/oder falsch negativen Ergebnissen führen und damit dem Streben nach Datenverifizierung entgegenarbeiten. Nicht zuletzt ist auch die Frage der Finanzierbarkeit klinischer Studien für alle Bereiche der Medizin ein ernsthaftes Problem [Greenfield 1989]. Die zunehmenden Kosten, die konventionelle klinische Studien verursachen, sind nur noch für die wenigen Firmen tragbar, die einen entsprechend großen Markt bedienen können oder für staatliche Organe. Die Entwicklungskosten werden in der Regel früher oder später auf das Gesundheitssystem und damit auf die Allgemeinheit abgewälzt und tragen damit zur steigenden finanziellen Belastung bei.

Individualität der Behandlung in der Homöopathie
In der Homöopathie gibt es zudem weitere Besonderheiten, die dem "Gold-Standard" der randomisierten kontrollierten Studie schwer unterzuordnen sind. Ein Hauptproblem besteht darin, daß komplementäre Therapieverfahren wie die Homöopathie in der Regel auf eine individuelle Behandlung des Patienten abzielen und die Behandlung oft aus einer Vielzahl von Maßnahmen besteht [Anthony 1993]. So ist eine randomisierte Zuteilung zur Behandlung und eine Verblindung des Patienten und Arztes hinsichtlich der erhaltenen Therapiemaßnahmen vielfach nicht möglich, da z. B. physikalische Maßnahmen, Patientenberatungs und/oder -Trainingsmaßnahmen in das Behandlungskonzept miteinfließen. Ein weiteres Problem ist die homöopathische Arzneimittelwahl nach dem Simile-Prinzip unter doppelblinden Bedingungen. Selbst wenn nur die Patienten in die klinische Studie eingeschlossen werden, deren individuelle Symptome eindeutig einem homöopathischen Arzneimittel zugeordnet werden können, der homöopathische Arzt die Sicherheit seiner Verordnung anhand einer Ratingskala einschätzt und dies durch mehrere erfahrene Kollegen bestätigen läßt, bleibt das Problem der Folgeverordnung. Bei einer Folgeverordnung weiß der Arzt nämlich nicht, ob es sich bei den Symptomen, die der Patient präsentiert, um eine Reaktion auf die Arzneimittelgabe handelt oder um neue bzw. alte Symptome, die unabhängig von der Therapie aufgetreten sind, da Placebo verabreicht wurde. Eine korrekte Arzneimittelwahl auf der Basis der vorliegenden Symptome ist daher nicht möglich, auch nicht für Patienten in der Verum-Gruppe. Erschwerend kommt hinzu, daß bei der individuellen homöopathischen Behandlung auch die Erfahrung des Arztes als Variable miteingeht.

Aus der aktuellen Methodendiskussion im Bereich der konventionellen, aber auch der komplementär- und alternativmedizinischen Forschung wird deutlich, daß die randomisierte kontrollierte Studie zwar als Standard für den Wirksamkeitsnachweis einer Behandlung gilt, daß sie aber nicht immer eingesetzt werden kann. Eine amerikanische Erhebung zeigt beispielsweise, daß nur bei 10–20 % der konventionellen Therapieverfahren die Wirksamkeit durch randomisierte kontrollierte Studien nachgewiesen ist [US Congress 1994]. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die randomisierte kontrollierte Studie generell durch ein anderes Design ersetzt werden soll, sondern daß je nach Fragestellung andere Forschungsmethoden zum Einsatz kommen müssen [Linde et al. 1997]. Es werden daher verstärkt Forschungsansätze gefordert, die die Heterogenität der täglichen Praxis berücksichtigen und eine individuelle Behandlung unter Einbeziehung des Patienten ermöglichen [Hornung 1996, Black 1997].

Die Frage ist also nicht, ob der "Gold-Standard" der randomisierten kontrollierten Studie für die Forschung in der Homöopathie geeignet ist, sondern welcher Forschungsansatz die zu untersuchende Fragestellung am besten beantworten kann. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen. Eine randomisierte kontrollierte Studie kann zum Einsatz kommen, wenn die Wirksamkeit eines homöopathischen Arzneimittels, z. B. Galphimia glauca bei akuter Pollinosis, nachgewiesen werden soll. Da ein solcher Forschungsansatz – wie in der konventionellen Medizin – vom klinischen Krankheitsbegriff ausgeht, und keine individuelle homöopathische Behandlung erfolgt, sind die Probleme, die bei der Planung und Durchführung einer solchen Studie auftreten, grundsätzlich denen in der konventionellen Forschung vergleichbar. Bei klinischen Untersuchungen zur individuellen homöopathischen Therapie geht es dagegen um den Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie an sich. Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, z. B. welchen Langzeiterfolg bringt die homöopathische Behandlung dem Patienten, oder welchen Beitrag leistet die Homöopathie zur Gesundheitsversorgung der Patienten, lassen sich jedoch nicht durch randomisierte kontrollierte Studien beantworten.

Der "Outcomes"-Forschungsansatz
Welche Forschungsansätze sind nun für die Beurteilung von komplementär- und alternativmedizinischen Therapieverfahren geeignet, die wie die Homöopathie eine Vielzahl von miteinander in Wechselwirkung stehenden Komponenten umfassen und zudem für jeden einzelnen Patienten individuell zugeschnitten sind? Bland und Mitarbeiter [1995] geben dazu folgende Antwort: "... für die Pilot-Studie wurde diese Methodik ausgewählt, da aus zahlreichen Mitteilungen darauf geschlossen werden kann, daß die placebokontrollierte Studie nicht in dem Maß zur Untersuchung der vielfältigen komplexen Gesundheitsstörungen, die einer multifaktoriellen Behandlung bedürfen, geeignet ist, wie eine Studie, bei der der Schwerpunkt auf dem "Outcome" von seiten der Patienten liegt." Greenfield [1989] merkt an, daß offene Langzeit-Beobachtungsstudien eine vernünftige Alternative darstellen, und daß aus ökonomischer Sicht nicht für jedes verwendete Therapieverfahren randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt werden können. Auch Linde und Mitarbeiter [1997] stellen im Rahmen ihrer Metanalyse die Notwendigkeit von weiteren randomisierten, kontrollierten Studien zur Homöopathie in Frage und weisen darauf hin, daß es weitaus wichtiger wäre, anhand prospektiver Beobachtungsstudien zu untersuchen, welchen Beitrag die Homöopathie zur Gesundheitsversorgung der Patienten leistet. Mit der Durchführung von prospektiven Beobachtungsstudien etabliert sich damit eine Möglichkeit, den Einschränkungen von randomisierten kontrollierten Studien zu begegnen [Epstein et al. 1996]. Eine prospektive Beobachtungsstudie kann am Einzelfall orientiert sein oder ein Kollektiv von Patienten untersuchen. Der große Vorteil einer prospektiven Beobachtungsstudie ist, daß sie praxisrelevante Daten liefert, d. h. eine hohe externe Validität besitzt [Rapier 1996]. Die interne Validität ist dagegen gering, d. h. alle Vorteile einer randomisierten kontrollierten Studie sind hier als Nachteil aufzuzählen.

Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ist der sogenannte "Outcomes"-Forschungsansatz, der in neuester Zeit entstanden ist, und immer häufiger zum Einsatz kommt [Guadagnoli et al. 1994, Rapier 1996]. Er entwickelte sich ursprünglich aus dem Interesse an einem besseren Verständnis der großen Unterschiede in der medizinischen Praxis und den dort erzielten Behandlungsergebnissen. Dazu wurden zuerst umfassende Analysen großer Datenmengen aus Krankenunterlagen verwendet. Später wurden prospektive Untersuchungen zur Klärung der Frage einbezogen, wie Patienten auf Therapieverfahren im Rahmen der Alltagspraxis ansprechen, in der sie nicht den in randomisierten klinischen Studien üblichen Einschränkungen unterliegen. Das Hauptaugenmerk einer solchen Outcomes-Studie liegt dabei auf der Wirksamkeit der in der täglichen Praxis angewendeten Therapieverfahren aus der Sicht des Patienten. Outcomes-Kriterien können beispielweise sein: (1) Verbesserung der Lebensqualität, bestimmt durch Erfassung der krankheitsübergreifenden gesundheitsbezogenen Lebensqualität und/oder der krankheitsspezifischen Lebensqualität, (2) Präferenz der Patienten für eine bestimmte Behandlung, (3) Zufriedenheit der Patienten mit der Behandlung usw. [Rapier 1996]. Meist werden auch pharmakoökonomische Parameter, z. B. direkte und/oder indirekte Kosten, miterfaßt, um Daten über den Kosten-Nutzen-Effekt einer Behandlung zu gewinnen. Umgesetzt wurde dieser neue Forschungsansatz in der International Integrative Primary Care Outcomes Study, IIPCOS, einem internationalen Forschungsprojekt zur Wirksamkeit der Homöopathie im Rahmen der ärztlichen Primärversorgung. Das Design und die Ergebnisse dieser Studie wurden bereits an anderer Stelle vorgestellt [Heger 1998, Riley 1998].
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Literatur

Anthony, H. M.
Some methodological problems in the assessment of complementary therapy.
In: Lewith, G. T., Aldridge, D. (Hrsg.) Clinical Research Methodology for Complementary Therapies.
Hodder & Staughton, London, Sidney, Auckland (1993)

Black, N.
Why we need observational studies to evaluate the effectiveness of health care.
In: The Royal London Homoeopathic Hospital NHS Trust (Hrsg.), Improving the success of homoeopathy: Taking the homoeopathic knowledge base into the 21st century.
International conference on homoeopathy, London (1997)

Bland, J. S., Barrager, E., Reedy, R. G., Bland, K.
A Medical Food-Supplement Detoxification Program in the Management of Chronic Health Problems.
Alternative Therapies in Health and Medicine 1, 5: 62–71 (1995)

Epstein, R. S., Sherwood, L. M.
From Outcomes Research to Disease Management: A Guide for the Perplexed.
Ann. Intern. Med. 124: 832–837 (1996)

Feinstein, A. R.
Problems of randomized trials.
In: U. Abel, A. Koch (Hrsg.), Nonrandomized Comparative Clinical Studies.
Symposion Publishing, Düsseldorf (1998)

Greenfield, S.
The State of Outcomes Research: Are We On Target?
New Engl. J. Med. 320: 1142–1143 (1989)

Guadagnoli, E., McNeil B. J.
Outcomes Research: Hope for the Future or the Latest Rage?
Inquiry 31: 14–24 (1994)

Heger, M.
International Integrative Primary Care Outcomes Study - An International Research Project in Primary Care.
53rd Congress of the International Homoeopathic League, Amsterdam (1998)

Heusser, P.
Prüfkriterien zur Beurteilung des Nutzens von komplementärmedizinischen Methoden. Anhang II für die Teilnehmer des Workshops in Bern vom 18. Dezember 1997.
Universität Bern, Kollegiale Instanz für Komplementärmedizin KIKOM (1997)

Hornung, J.
Quo vadis Homöopathieforschung?
Über klinische Studien und Arzneimittelprüfung am Gesunden in der Homöopathie.
Forschende Komplementärmedizin 3: 91–101 (1996)

Kiene, H.
A critique of the double blind clinical trial: part I.
Alternative Therapies in Health & Medicine 2, 1: 14–80 (1996)

Kleijnen, J., Knipschild, P., ter Riet, G.
Clinical trials of homoeopathy.
British Medical Journal 302: 316–323 (1991)

Linde, K., Clausius, N., Ramirez, G., Melchart, D., Eitel, F., Hedges, L. V., Jonas, W. B.
Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials.
Lancet 350, 9081: 834–843 (1997)
 Linde, K., Melchart, D., Weidenkammer, W.
Randomisierte klinische Studien in der Komplementärmedizin – Mehr Schaden als Nutzen?
Forschende Komplementärmedizin 4: 169–173 (1997)

Rapier, C. M.
An introduction to outcomes research.
Brookwood Medical Publications Ltd, United Kingdom (1996)

Riley, D. S.
Outcomes Research in Homeopathy.
2nd Symposium by the Fetzer Institute „Dialogues on Homeopathy: Mechanisms of Action", Santa Fe (1998)

U. S. Congress, Office of Technological Assessment (OTA)
Identify Health Technologies that Work: Surching for Evidence.
US Government Printing Office, Washington DC (1994)

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