Elektrosmog-Report
5. Jahrgang / Nr. 9 September 1999
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Inhalt:
Politik - EU-Ministerrat gegen konkrete Vorsorgemaßnahmen bei EMF
Juni 1998, EU-Kommission veröffentlicht Empfehlungen
Anfang 1999, Vorschlag an den Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes fordert deutliche Absenkung der EMF-Grenzwerte
März 1999, Europäisches Parlament folgt nicht dem Vorschlag an den Umweltausschuss
Juni 1999, Ministerrat der Europäischen Union folgt Empfehlung der EU-Kommission: Auf ICNIRP basierende Grenzwertempfehlungen und keine konkreten Vorsorgemaßnahmen
Fazit - Deutschland
Aktuelles zum Thema Mobiltelefone: Handy-Boom ohne Ende

Bayern will Mastenwald lichten
Dienstleister Detron bietet gemeinsame Nutzung von Sendemasten an
Politik und Wissenschaft - Vorwurf der Datenfälschung gegen Robert Liburdy

 


Politik
EU-Ministerrat gegen konkrete Vorsorgemaßnahmen bei EMF

Es ist nicht leicht, den Überblick über die EMF-Expositionsempfehlungen in der EU zu bewahren, haben doch EU-Kommission, Umweltausschuss des EU-Parlaments, EU-Parlament und EU-Ministerrat verschiedene Meinungen zu diesem Thema. Im Juni 1999 hat der Ministerrat der EU schließlich entschieden: für die ICNIRP-Grenzwertempfehlungen und gegen eine konkrete Umsetzung des Vorsorgeprinzips.

Juni 1998, EU-Kommission veröffentlicht Empfehlungen
Angefangen hatte alles im Juni 1998, als die EU-Kommission neue Empfehlungen für die öffentliche Exposition durch nicht-ionisierende Strahlung bekannt gab (vgl. Elektrosmog-Report, Oktober 1998). Die "Empfehlungen des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz - 300 GHz)" sollen das Flickmuster von nationalen und europäischen Regelungen durch ein konsistentes Regelwerk ersetzen. Der Vorschlag der Kommission orientiert sich weitestgehend an den ICNIRP-Empfehlungen und ignoriert damit ebenso wie diese Vorsorgemaßnahmen und eventuelle Langzeitfolgen elektromagnetischer Felder (vgl. Elektrosmog-Report, April 1998).
Die neuen Vorschläge sind dabei keine Richtlinien, sondern nur Empfehlungen, die in allen EU-Ländern dieselben Rahmenbedingungen schaffen sollen; eine rechtliche Verbindlichkeit besteht nicht. Einzelne Länder können strengere oder auch schwächere Regelungen verabschieden. Auch die gegenüber den ICNIRP-Empfehlungen schwächere deutsche Elektrosmogverordnung von 1997 (26. BImSchV), die gegenüber ICNIRP "kurzzeitige" und "kleinräumige" Grenzwertüberschreitungen erlaubt, bliebe zulässig.

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Anfang 1999, Vorschlag an den Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes fordert deutliche Absenkung der EMF-Grenzwerte

Der "Ausschuss für Umwelt, Öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz" des Europäischen Parlaments, kurz "Umweltausschuss" genannt, ließ den grünen Abgeordneten und Biologieprofessor an der Universität Padova, Gianni Tamino, einen Vorschlag zu EMF-Grenzwerten ausarbeiten. Tamino schlug vor, die Grenzwerte für elektromagnetische Belastungen der Bevölkerung innerhalb von zehn Jahren drastisch abzusenken. Die Grenzwertvorschläge orientieren sich am Vorsorgeprinzip und Vorschlägen des US-Rates für Strahlenschutz (NCRP) und der US-Umweltbehörde. Für einige Frequenzbereiche liegen die Vorschläge um mehr als den Faktor 1.000 unter den ICNIRP-Empfehlungen. Tamino warf der EU-Kommission vor, eine große Anzahl wissenschaftlicher Publikationen ignoriert zu haben.
In der Vorlage wird die Festsetzung von Mindestabständen für Hochspannungstrassen und Sendeanlagen sowie die Kennzeichnung EMF-emittierender Geräte gefordert.

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März 1999, Europäisches Parlament folgt nicht dem Vorschlag an den Umweltausschuss

Das EU-Parlament hat in seiner Sitzung am 10. März dem Vorschlag des Umweltausschusses nicht zugestimmt, wohl aber gegenüber den Empfehlungen der EU-Kommission eine Reihe von Änderungsanträgen verabschiedet, die den Vorsorgeaspekt stärker betonen. Insbesondere Italien und Luxemburg traten für eine stärkere Berücksichtigung des Vorsorgegedankes ein. Der Deutsche Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme ebenfalls das Fehlen von Vorsorgeregelungen kritisiert.
Das EU-Parlament will die Bevölkerung auch vor potentiell langfristig schädlichen Gesundheitswirkungen schützen, das Vorsorgeprinzip anwenden und verweist in diesem Zusammenhang auf das ALARA-Prinzip, die EMF-Expositionen "so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar" zu halten.
Konkret wird z.B. gefordert, Sicherheitskriterien für elektrische Geräte, die elektromagnetische Felder erzeugen, festzulegen und diese Produkte so zu kennzeichnen, dass der Verbraucher über die von den elektrischen Geräten erzeugten Feldern je nach Entfernung und Art des Gebrauchs informiert wird (bis zum 01.01.2001 soll hierfür ein System der laufenden Überprüfung von EMF-emittierenden Geräten geschaffen werden). Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, Mindestabstände für Elektrogeräte festzulegen, ebenso wie Mindestentfernungen zwischen Hochspannungsleitungen, Radareinrichtungen, Radio- und Fernsehsendern sowie Mobilfunk-Basisstationen und öffentlichen Gebäuden, Wohngebäuden und Arbeitsstätten.
Besonderes Augenmerk legt das EU-Parlament dabei auf Geräte, die in geringer Entfernung zum Benutzer und mit langer Expositionsdauer betrieben werden, wie z.B. Mobiltelefone. In solchen Fällen sollen besondere wissenschaftliche Anstrengungen unternommen werden, um Klarheit über mögliche gesundheitliche Langzeiteffekte oder auch technische Optimierungen zu gewinnen.
Die Mitgliedstaaten werden in dem Parlamentsvorschlag aufgefordert, ein hohes Schutzniveau dort sicherzustellen, wo Menschen leben bzw. einen wesentlichen Teil ihrer Zeit verbringen. Ferner sei dafür zu sorgen, dass die Forschung über gesundheitliche EMF-Folgen und Schutzmaßnahmen gegen EMF-Exposition auf dem neuesten Stand gehalten wird. Die Ergebnisse sollten regelmäßig zur Überprüfung der Referenzwerte für die EMF-Exposition verwendet werden.
Den in dem Entwurf der EU-Kommission aufgeführten Basisgrenz- und Referenzwerten wird vom EU-Parlament attestiert, dass sie nur hinsichtlich der Schwellen für akute Wirkungen erhebliche Sicherheitsfaktoren enthielten.
Auch wenn das EU-Parlament nicht dem Vorschlag an seinen Umweltausschuss gefolgt ist und die meisten Änderungswünsche an der Vorlage der EU-Kommission wenig konkret blieben, sprachen kritische Institute von "wesentlichen Fortschritten" aus "Sicht des Verbraucherschutzes": "Bisher konnten die VerbraucherInnen mangels Information ihre Macht am Markt nicht ausspielen. Wenn künftig auf elektrischen Geräten Informationen über deren elektromagnetische Emissionen zu finden sein werden, können sich die VerbraucherInnen gezielt für Produkte entscheiden, die zu geringeren Belastungen führen - was für den Gesundheitsschutz aber auch im Hinblick auf einen Innovationsschub bei den Herstellern möglicherweise wirkungsvoller ist als halbherzige Grenzwerte." (Neitzke 1999)

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Juni 1999, Ministerrat der Europäischen Union folgt Empfehlung der EU-Kommission: Auf ICNIRP basierende Grenzwertempfehlungen und keine konkreten Vorsorgemaßnahmen

Am 8. Juni 1999 folgte der Ministerrat der EU den Empfehlungen der EU-Kommission und bezeichnete die zugrunde liegenden ICNIRP-Empfehlungen als "ein hohes Schutzniveau gegenüber anerkannten Gesundheitsgefahren". Bis auf Italien stimmten alle EU-Länder für die Empfehlung der EU-Kommission. Auch die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer sprach von einem wichtigen Schritt zum besseren Schutz der Öffentlichkeit. (Anmerkung: Am 8. Juni wurde zwar die entscheidende politische Übereinkunft im Ministerrat erzielt; die letztendliche formale Verabschiedung soll jedoch erst auf einem späteren Treffen erfolgen, nachdem die Empfehlungen in alle EU-Amtssprachen übersetzt worden sind.)
Einzig Italien sprach sich für eine stärkere Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips aus, um auch mögliche Langzeiteffekte nicht länger zu ignorieren. Außerdem seien größere Anstrengungen notwendig, um Expositionen z.B. in Kindergärten oder Krankenhäusern zu reduzieren.
Der Ministerrat übernahm die Empfehlungen der EU-Kommission ohne wesentliche Änderungen. Die Änderungswünsche des EU-Parlaments (s.o.) blieben hingegen weitgehend ohne Folgen, so wurde auch das ALARA-Prinzip nicht übernommen. Immerhin soll das Thema "EMF und Gesundheit" weiterhin intensiv untersucht werden, so z.B. im Rahmen des "5. Rahmenprogramms" für wissenschaftliche Forschung; in fünf Jahren soll ein zusammenfassender Bericht vorgelegt werden. Dem Wunsch des EU-Parlaments nach regelmäßiger Überprüfung der Referenzwerte kam der Minsterrat nach.
Vor der Verabschiedung strengerer Regelungen hatten verschiedene Unternehmen gewarnt, so z.B. auch die englische Elektrizitätswirtschaft, die etwa eine Milliarde Euro Umbaukosten auf sich zukommen sah, wenn Kurzzeitexpositionen stärker reglementiert würden.

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Fazit

Für die gesamte Europäische Union gelten nach der Entscheidung im EU-Ministerrat im Juni 1999 einheitliche Empfehlungen für die Begrenzung der öffentlichen EMF-Expositionen. Die Empfehlungen umfassen lückenlos den gesamten Frequenzbereich von 0 Hz bis 300 GHz und orientieren sich weitestgehend an den Empfehlungen der Internationalen Kommission zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung (ICNIRP).
Es ist zu begrüßen, dass nun in der EU einheitliche Empfehlungen gelten, zumal bislang einige Mitgliedstaaten überhaupt keine entsprechende Regelungen aufwiesen.
Da es sich aber nur um Empfehlungen und nicht um eine Richtlinie handelt, behalten die einzelnen Mitgliedstaaten einen großen Spielraum bei der konkreten Umsetzung. So haben Länder wie Italien und Luxemburg die Möglichkeit zur Erlassung strengerer Regulatorien und andere Ländern können weiterhin die ICNIRP-Empfehlungen überschreiten (z.B. Deutschland mit seinen "kurzzeitigen" und "kleinräumigen" Überschreitungen nach Elektrosmogverordnung von 1997 (26. BImSchV)).
Enttäuschend ist vor allem, dass konkrete Vorsorge- und Minimierungsmaßnahmen vollends auf der Strecke geblieben sind, obwohl diese im EU-Parlament und im Umweltausschuss des Parlaments detailliert diskutiert und zum Teil auch konkret gefordert wurden. Aus dem Blickwinkel des Schutzes der Bevölkerung vor Langzeiteffekten ist es daher sogar von Vorteil, dass nur Empfehlungen verabschiedet wurden: So bleibt nationaler Spielraum für strengere Vorsorge- und Grenzwerte sowie technische und administrative Minimierungsmaßnahmen.
Es ist davon auszugehen, dass die meisten EU-Länder, insbesondere die kleineren Mitgliedstaaten, die Empfehlung der EU-Kommission bzw. des EU-Ministerrates ohne relevante Änderungen in nationales Recht überführen.

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Deutschland

Für Deutschland wird eine Anpassung der Elektrosmogverordnung an die EU-Empfehlungen erwartet. So wurden bislang in Deutschland keine Grenzwerte für den Bereich 0,1 bis 10 MHz verabschiedet. Hier dürften nun die EU-Empfehlungen übernommen werden.
Eventuell werden auch die laut Elektrosmogverordnung zulässigen "kurzzeitigen" und "kleinräumigen" Überschreitungen der Referenzwerte einer EU-Anpassung zum Opfer fallen.
Denn nach der EU-Empfehlung sind "für kurzzeitige Expositionen (...) keine höheren Referenzwerte für die Exposition durch ELF-Felder vorgesehen". Eine Überschreitung der Referenzwerte kann unter bestimmten Umständen aber dennoch zulässig sein, wenn nämlich gleichzeitig die Basisgrenzwerte z.B. "aufgrund schwacher Kopplung zwischen dem Feld und dem Körper nicht überschritten werden". So ähnlich könnte es demnächst auch in der Elektrosmogverordnung stehen.

Dipl.-Phys. Michael Karus
Redaktion Elektrosmog-Report

Quellen:

  1. Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz - 300 GHz). In: Amtsblatt vom 30.07.99, L199, S. 59ff.

  2. European Union to adopt ICNIRP-based guidelines: Italy protests that decision ignores long-term effects. In: MICROWAVE NEWS July/August 1999, p.2-3.

  3. Neitzke, H.-P.: EU-Parlament für mehr Vorsorge. In: EMF-Monitor, 5. Jahrgang, Nr. 1 (März 1999), S.1-2.

  4. Rat der Europäischen Union: Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz - 300 GHz), Interinstitutionelles Dossier 98/0166 (CNS), Brüssel, 05.07.1999.

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Aktuelles zum Thema Mobiltelefone: Handy-Boom ohne Ende

In Finnland haben fast 70 Prozent der Bevölkerung ein Mobiltelefon (EURO vom 25.07.99) und auch in Italien gibt es bereits mehr Handys als Festnetztelefone, die magische Grenze von 25 Millionen Handies wurde kürzlich überschritten (Il Messaggero vom 27.07.99). Jeden Monat werden in Italien 200 bis 300 Sendetürme für den wachsenden Bedarf des Mobilfunkes errichtet (AP vom 12. August 1999). Nach verschiedenen Studien wird es zwischen 2002 und 2008 weltweit mehr Mobil- als Festnetztelefone geben und zwar mehr als eine Milliarde Handys (EURO vom 25.07.99, VDI-Nachrichten vom 23.07.99).
Nach einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Schitag Ernst & Young wird Sprachtelefonie schon in naher Zukunft überwiegend über Mobilfunknetze abgewickelt. Der Mobilfunk wird darüber hinaus in den nächsten Jahren zunehmend Breitband-Anwendungen erobern, wie Video auf Abruf, Internetzugang und Videotelekommunikation. (VDI-Nachrichten vom 23.07.99)
Deutschland hat verglichen mit anderen Ländern noch einen erheblichen "Nachholbedarf"; bislang hat nur jeder Fünfte ein Mobiltelefon und es gibt noch dreimal mehr Schnur- als Mobiltelefonierer (EURO vom 25.07.99, VDI-Nachrichten vom 23.07.99).
Eine finnische Studie hat untersucht, warum der Mobilfunk so erfolgreich ist. Pasi Mäenpää, Soziologe und Urbanitäts-Forscher für die Stadt Helsinki: "Die Menschen haben sich schnell an die technischen Möglichkeiten gewöhnt. Sie genießen es, ihr Leben mit neuen Techniken besser organisieren zu können. Es geht ihnen damit weniger um das Kommunizieren als vielmehr um das subjektive Gefühl, die Kontrolle über ihre Welt zu haben." Mäenpää fand heraus, dass sich die sozialen Kontakte zwischen den Menschen durch das Vorhandensein eines mobilen Telefons erhöhen. (EURO vom 25.07.99)
Der anhaltenden Handy-Boom macht einen kontinuierlichen Ausbau des Mobilfunk-Infrastruktur notwendig. Nach langem Wildwuchs im "Masten-Wald" zeichnen sich endlich sinnvolle Kooperationsmodelle zum Nutzen von Betreibern und Bevölkerung ab.

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Bayern will Mastenwald lichten

Mit dem Mobilfunk-Boom schießen allerorten Sendemasten wie Pilze aus dem Boden. Die Zweckbauten sind insbesondere in ländlichen Gegenden nicht eben eine Bereicherung der Landschaft und stoßen wegen der befürchteten Gefahren durch Elektrosmog besonders in Bayern immer wieder auf den Widerstand der Bevölkerung.
Die vier in Bayern tätigen Mobilfunkbetreiber (Mannesmann, Viag-Interkom, T-Mobil und E-Plus) wollen zukünftig eng kooperieren, um die Zahl der Sendemasten so gering wie möglich zu halten. Die Mobilfunkbetreiber schlossen mit dem bayrischen Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) einen "Umweltpakt". In kleineren Gemeinden sollen 40 Prozent aller neu errichteten Sendemasten von mehreren Netzbetreibern gemeinsam genutzt werden. Masten, die noch in der Planungsphase sind, sollen sogar zu vier Fünftel gemeinsam genutzt werden. Neben der Reduzierung neuer Mastbauten auf das "absolut erforderliche Minimum" soll auch die HF-Belastung der Anwohner vermindert werden. So verpflichten sich die Mobilfunkbetreiber "durch Weiterentwicklung der Zellenstruktur und Einsatz moderner Technik" die elektromagnetischen Felder der Sendeanlagen weiter zu reduzieren". (Stuttgarter Nachrichten vom 16.07.99).
Die vereinbarten Maßnahmen sind lange überfällig und bleiben hinter aktuellen Regelungen in den USA und Neuseeland weiterhin zurück. Dort wurden die Grenzwerte für die HF-Emissionen von Basisstationen gesenkt und besondere Schutzzonen um Krankenhäuser, Schulen und Wohngebieten festgelegt. (BBC online network vom 21.04.99).

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Dienstleister Detron bietet gemeinsame Nutzung von Sendemasten an

Der in den Benelux-Ländern bereits erfolgreiche Dienstleister Detron dehnt seine Leistungen nun auch auf Deutschland aus. Der unabhängige Telekommunikations- und Netzwerk-Dienstleister will durch Funkausleuchtung die besten Antennenstandorte anmieten und sie dann den Betreibern von Mobilfunknetzen zur Verfügung stellen - per Miete oder Leasing. In Deutschland wurden bereits mehrere tausend potentielle Standorte identifiziert.
Bei Bedarf baut Detron auch die Antennen oder sogar das komplette Funknetz incl. aller Genehmigungen auf. Größter Vorteil der Dienstleistung ist die Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung der Detron-Sendemasten durch mehrere Mobilfunkbetreiber. Diese können damit ihre Standortkosten auf rund 50% reduzieren und der Bevölkerung bleiben eine Vielzahl an Basisstationen erspart. Detron verlangt rund 3.000 Euro pro Jahr und Standort, weitere 6.000 Euro sollen durch zusätzliche Dienstleistungen hinzukommen. (VDI-Nachrichten vom 26.06.99)
Die Redaktion des Elektrosmog-Reports sprach mit dem Geschäftsführer von Detron, Düsseldorf, Frank Verhage. Laut Verhage wird die neue Dienstleistung von den großen Netzbetreibern sehr gut angenommen. Schaut man sich die Entwicklung in den Beneluxländern an, so ist zu erwarten, dass auch in Deutschland zukünftig eine Vielzahl neuer Netzbetreiber entstehen wird, da durch die Detron-Dienstleistung die finanzielle Einstiegsschwelle für kleinere, auch regionale Betreiber deutlich sinkt. Dies wiederum wird voraussichtlich zu weiter fallenden Mobiltelefontarifen führen.
Verhage geht davon aus, dass Detron vor allem in Ballungsräumen bestehende Türme übernehmen wird. Aufgrund von Genehmigungsproblemen werde der Neubau von Sendetürmen eher die Ausnahme bleiben und sich auf ländliche Gebiete fokussieren. Detron wird sich laut Verhage an die bestehenden internationalen und nationalen Grenzwerten halten und keine strengeren Werte anwenden, "allein schon deshalb, weil wir primär bestehende Funktürme übernehmen".
Unter Minimierungsaspekten wäre es sinnvoll, die strukturell neue Situation beim Ausbau der Mobiltelefonnetze zu nutzen, um strengere Vorsorgewerte durchzusetzen. Grundsätzlich wäre Detron mit optimierten Sendetürmen in der Lage, auch strengere Grenz- bzw. Vorsorgewerte einzuhalten. In Ballungsräumen könnte der Übergang von Hausdach-Sendeanlagen zu speziellen Sendetürmen die lokale Belastung reduzieren. Hier sollte die derzeitige Genehmigungspraxis überdacht werden.
In den nächsten Jahren wird Detron zunehmend zum Ansprechpartner für lokale Bürgerinitiativen werden, während sich die großen Mobilnetzbetreiber mehr und mehr aus dem Rampenlicht zurückziehen können. Laut Verhage möchte Detron die Informationsarbeit und die Kommunikation mit den Bürgerinitiativen sehr ernst nehmen und bisherige Fehler vermeiden.
Kontakt: Detron international, Schiess-Straße 68, 40549 Düsseldorf, Tel.: 0211-53 06 8-0, Fax: 0211-53 06 8-199, Internet: 
www.detron.de

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Politik und Wissenschaft
Vorwurf der Datenfälschung gegen Robert Liburdy

Wie mit Unterstützung der Medien aus einer Mücke ein Elefant wird, ohne dass verständlich wird, worum es eigentlich geht, bekam der Wissenschaftler Robert P. Liburdy von der Universität von Kalifornien zu spüren. Am 18. Juni 1999 warf das "Office of Research Integrity" der USA (ORI, Amt für Forschungsintegrität) Liburdy vor, in zwei Publikationen über Wirkungen von EMF auf den Kalziumfluss in Blutzellen "absichtlich Daten verfälscht" zu haben. Dieser Vorwurf wurde von vielen amerikanischen Zeitungen aufgegriffen. Die New York Times beispielsweise berichtete auf der ersten Seite unter der Überschrift "Daten, die Krebs mit elektrischer Energie verbinden, waren gefälscht". Auch San Francisco Chronicle, Times, Wall Street Journal und Washington Post griffen das Thema auf.
Der Vorwurf von ORI bezieht sich auf insgesamt drei Grafiken aus zwei Artikeln aus dem Jahre 1992 (Liburdy 1992a, Liburdy 1992b). Die diesen Grafiken zugrundeliegenden Daten seien "in einer Weise publiziert worden, die ihre statistische Signifikanz und ihren wissenschaftlichen Wert erhöht". ORI forderte Liburdy auf, diese Grafiken zurückzuziehen und zuzustimmen, in den nächsten drei Jahren keine weiteren bundesstaatlichen Forschungsmittel zu erhalten. Liburdy stimmte diesen Bedingungen zu, da er sich keine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung in dieser Frage leisten könne.
Allerdings wies er gleichzeitig in einem am 16. Juli 1999 in Science publizierten Brief den Vorwurf der bewußten Datenmanipulation und wissenschaftlichen Verfehlung zurück. Der Vorwurf des ORI beziehe sich auf der Technik der Erstellung der Grafiken. Die diesen Abbildungen zugrunde liegenden Rohdaten seien jedoch gültig. Die Artikel seien nicht zurückgezogen worden und die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen blieben, so wie publiziert, bestehen.
Liburdy verwendete beispielsweise für die Erstellung der Grafiken eine Stichprobe aus seinem Datenpool, denn er habe mit der damaligen Computersoftware "nicht hunderte von Kalzium-Datenpunkten" darstellen können. Die Auseinandersetzung zwischen ORI und Liburdy dreht sich im Wesentlichen um die Frage, ob die verwendeten Daten absichtlich selektiert worden waren. Liburdy weist daraufhin, dass mit der heute verfügbaren Software, die nun von ORI verwendet wurde, sein Datenpool selbstverständlich besser analysiert werden könne.
Den Untersuchungen von ORI war eine Untersuchung des Lawrence Berkeley National Labors (LBL) vorausgegangen, bei dem Liburdy bis März beschäftigt war. Während dieser Untersuchung hatte Liburdy drei Experten gebeten, seine Daten zu überprüfen, Carl Blackman von der amerikanischen Umweltbehörde EPA, Richard Nuccitelli von der Universität von Kalifornien und James Putney von den Nationalen Instituten für Gesundheit. In seinem Brief an Science vom 16. Juli schreibt Liburdy, alle drei hätten ihn hinsichtlich verschiedener Aspekte "konstruktiv kritisiert", aber alle gingen davon aus, dass "es keine Absicht zum Betrug gegeben habe und die Daten die Schlussfolgerungen unterstüzen."
Liburdy hält die Maßnahmen von ORI daher für überzogen: "Alles was nötig gewesen wäre, um diesen Disput zu beenden, wären revidierte Erläuterungen der Abbildungen, die mehr Details über die Erstellung der Grafiken beinhalten." Er plant nun die erneute Publikation der drei Grafiken mit einer vollständigen Erklärung der Methodik ihrer Erstellung.
In der Berichterstattung in den Medien ging es dagegen nicht um diese schwer vermittelbare Thematik. Liburdys Studien wurden dagegen zu zentralen Elementen der These einer Verbindung von EMF und Krebs aufgebaut, um so gleich die ganze These in Frage zu stellen. Robert Park von den Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft, der EMF für unbedenklich für die mennschliche Gesundheit hält, versuchte sich in der New York Times gar an der Diskreditierung aller Forscher im EMF-Bereich und meinte "Liburdys Manipulation ist vermutlich typisch für dieses Feld".
Tatsächlich basiert die Vermutung über einen Zusammenhang zwischen EMF und Krebs vor allem auf epidemiologischen Untersuchungen. Es existieren bisher keine akzeptierten biologischen Erklärungsmodelle für diesen Zusammenhang. Ein möglicher Ansatz ist die Beeinflussung des Kalzium-Flusses durch EMF, über den seit den sechziger Jahren von verschiedenen Forschern berichtet wird.

Dr. med. Franjo Grotenhermen
Redaktion Elektrosmog-Report

Quellen: AP vom 12. August 1999.

  1. Liburdy, R. P.: Biological interactions of cellular systems with time-varying magnetic fields. Ann. N. Y. Acad. Sci. (1992a) 649:74-95.

  2. Liburdy, R. P.: Calcium signaling in lymphocytes and ELF fields. Evidence for an electric field metric and a site of interaction involving the calcium ion channel. FEBS Lett. (1992b) 301:53-59.

  3. Reuters vom 11. August 1999.

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Veranstaltungshinweis
19.-20.10.1999: Bürgerforum Elektrosmog - im Spannungsfeld der Meinungen, Bonn

Themen: Am ersten Tag ab 13:30 Symposium "Elektromagnetische Felder - Ursachen und gesundheitliche Wirkungen" mit Dr. Wilfried Kreisel (WHO), Prof. Dr. Norbert Leitgeb (TU Graz), Dr. Rainer Meyer (Universität Bonn), Dr. Lebrecht von Klitzing (Universität Lübeck), Prof. Dr. Norbert Bolz (Universität Essen).
Am zweiten Tag "Nutzen und Risiken elektromagnetischer Felder", Kommunikation zwischen Bürgern, Kommunen und Betreibern.
Ort: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
Teilnahmegebühr: kostenlos
Veranstalter: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn
Anmeldung: B.A.U.M. Consult GmbH, Thalkirchner Str. 180, 81371 München, Fax: 089-725 08 07
Der Bundesverband gegen Elektrosmog e.V. ruft dazu auf, sich in großer Zahl an dem Bürgerforum zu beteiligen und kritisch die Stimme zu erheben.


Impressum
Elektrosmog-Report im Strahlentelex
Erscheinungsweise: monatlich im Abonnement mit dem Strahlentelex
Verlag und Bezug: Thomas Dersee, Strahlentelex, Rauxeler Weg 6, D-13507 Berlin, ( + Fax 030 / 435 28 40.
Jahresabo: 98,- DM.
Herausgeber und Redaktion:
nova-Institut für politische und ökologische Innovation, Hürth
Michael Karus (Dipl.-Phys.) (V.i.S.d.P.), Dr. med. Franjo Grotenhermen, Dr. rer. nat. Peter Nießen (Dipl.-Phys).
Kontakt: nova-Institut GmbH, Abteilung Elektrosmog,
Goldenbergst. 2, 50354 Hürth, ( 02233 / 94 36 84, Fax: / 94 36 83
E-Mail:
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Layout: Bernhard Harrer Wissenstransfer 1999-2001 eMail:webmeister@datadiwan.de