Elektrosmog-Report
5. Jahrgang / Nr. 2 Februar 1999
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Wirkungsmodelle

Melatonin - Was gibt's Neues?

Auch 1998 befassten sich eine Anzahl von Studien mit Melatonin und seiner möglichen Rolle bei durch elektromagnetische Felder vermittelten biologischen Wirkungen. Die neuen Ergebnisse werfen wieder neue Fragen auf. Trotz weiterhin bestehender Inkonsistenzen in Studien an Tier und Mensch und oft widersprüchlicher Ergebnisse entsteht der Eindruck, die Funktionen des Melatonins und ihre mögliche Störung könnten ein Schlüssel zum Verständnis von EMF-Effekten sein. Dennoch bleibt offen, wie diese Erkenntnisse hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Bedeutung einzuschätzen sind.

Die Produktion und Blutkonzentration des in der Zirbeldrüse (=Epiphyse) produzierten Hormons Melatonin weist einen strengen Tag-Nacht-Rhythmus auf, mit einem durch Lichteinfluss sehr niedrigen Blutspiegel bei Tag und einer hohen Konzentration bei Dunkelheit in der Nacht. Melatonin reagiert offenbar nicht nur auf Licht, sondern wird auch durch elektromagnetische Felder gehemmt.

Zur Erinnerung: Die Melatonin-Hypothese

Die vor etwa 10 Jahren formulierte Melatoninhypothese (Stevens 1987) besagt zweierlei:

· Erstens sollen niederfrequente elektromagnetische Felder die nächtliche Produktion von Melatonin in der Zirbeldrüse (Epiphyse) vermindern.

· Zweitens soll Melatonin die Bildung bösartiger Tumoren - darunter vor allem hormonabhängiger Krebsarten wie zum Beispiels Brustkrebs - vermindern und das Wachstum der Tumoren hemmen. Melatonin habe einen unterdrückenden Effekt auf die Produktion der Geschlechtshormone Prolaktin und Östrogen, die die Entwicklung östrogenabhängiger Tumoren fördern. Würde die Melatoninkonzentration vermindert, so stiege damit auch das Risiko für die Bildung dieser Tumoren.

· Eine jüngere Variation dieser Ausgangshypothese beruht auf der Beobachtung von Robert P. Liburdy und Kollegen (Liburdy 1993), dass elektromagnetische Felder unabhängig von der Melatoninkonzentration die krebshemmende Funktion des Hormons beeinträchtigen. Diese Funktionsbeeinträchtigung von Melatonin konnte bereits mehrfach reproduziert werden.

· Darüber hinaus könnte ein zusätzlicher krebsschützender Effekt des Melatonins auf seinen Eigenschaften als Antioxidanz und Fänger freier Radikaler beruhen (Reiter 1995).

Erst vor wenigen Jahren wurden spezifische Melatoninrezeptoren auf Zellkernen und Zellmembranen entdeckt und erklären weitere Wirkmechanismen. Diese Rezeptoren könnten nicht nur verschiedene hormonelle Funktionen beeinflussen, sondern auch diverse Immunfunktionen kontrollieren, wie William S. Baldwin und J. Carl Barrett vom Nationalen Institut für Umwelt- und Gesundheitswissenschaften in North Carolina jüngst in einer differenzierten Arbeitshypothese ausführten (Baldwin 1998).

Reduzierte Krebsrate bei Blinden

Maria Feychting, Bill Österlund und Anders Ahlboom vom Institut für Umweltmedizin am Karolinska Institut in Stockholm untersuchten zur Überprüfung eines Teils der Melatoninhypothese weltweit erstmals an einem großen Kollektiv von Blinden deren Krebsraten und verglichen sie mit Normalsichtigen (Feychting 1998). Der Melatoninrhythmus bei Blinden ist oft gestört, der Konzentrationsverlauf wegen der fehlenden Synchronisation durch die Tageshelligkeit frei flottierend und die Konzentration im Durchschnitt höher. Der protektive Effekt des Hormons sollte sich nach der Melatoninhypothese günstig auf die Krebshäufigkeit auswirken.

Tatsächlich fanden die Autoren unter den 1.567 in die Studie eingegangen Blinden eine um den Faktor 0,69 deutlich erniedrigte Krebsrate, d. h. die Krebsrate betrug nur 69 Prozent der erwarteten Rate. Insgesamt wurden 136 Tumoren beobachtet, jedoch wären 196 zu erwarten gewesen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Standardisierte Inzidenz-Ratio (SIR) der Tumoren
 
 
beobachtet
erwartet
SIR
95%-KI
Alle Tumoren
136
196
0,69
(0,59-0,82)
Männer (alle)
66
111,1
0,59
(0,47-0,75)
Frauen (alle)
70
85,6
0,82
(0,65-1,03)

Die Risikoverminderung betraf beide Geschlechter. Auffälligerweise waren die hormonabhängigen Tumoren nicht besonders risikovermindert, sondern vor allem die Karzinome des Magen-Darm-Traktes. Dies lässt zwei Interpretationen zu. Einerseits könnte die geringere Krebshäufigkeit bei Blinden auf melatoninunabhängigen Faktoren beruhen - denkbar sind Einflüsse der Lebensweise - oder der Melatonineffekt beruht auf seinen Eigenschaften als Antioxidanz und Radikalfänger.

Experimente mit Zellen der Zirbeldrüse

Forscher der nationalen Institute für Gesundheit (NIH) und der amerikanischen Arznei- und Lebensmittelbehörde (FDA) in Bethesda und Rockville fanden eine deutliche Unterdrückung der Melatoninproduktion in den Zellen der Zirbeldrüse (Epiphyse) nach einer zwölfstündigen Exposition mit einem 50 Mikrotesla starken 60 Hz-Wechselfeld (Rosen 1998). In insgesamt 10 Experimenten mit den Rattenhirnen entnommenen Zellen wurde eine durchschnittliche Reduktion der durch ein chemisches Stimulans (Norepinephrin) induzierten Melatoninproduktion um 46 Prozent beobachtet.

Die Autoren Lee A. Rosen und Kollegen vermuten daher, dass die Wirkung elektromagnetischer Felder auf die Funktion der Epiphyse nicht nur auf nervensystemvermittelten Effekten beruht, sondern dass auch direkte Effekte auf die Zellen beteiligt sind, wie möglicherweise Veränderungen von Rezeptoren auf der Zelloberfläche durch EMF.

Tierexperimentelle Studien

Die Arbeitsgruppe um Wolfgang Löscher und Meike Mevissen an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover fand in einer Untersuchung mit weiblichen Ratten, die einem 100 Mikrotesla starken niederfrequenten Feld von 50 Hz ausgesetzt waren, keine konsistenten Hinweise auf eine Beeinflussung der nächtlichen Melatoninkonzentration im Blut (Löscher 1998). Eine 13-wöchige Exposition führte zu keiner Verminderung des Melatoninspiegels im Blutserum, der jeweils 5 Stunden nach Einsetzen der Dunkelheit gemessen wurde. In einem zweiwöchigen Experiment, bei dem 3, 5 und 6 Stunden nach Einsetzen der Dunkelheit Blut zur Analyse entnommen wurde, fand sich eine Verminderung der Melatoninkonzentration nur nach 6 Stunden. Verschiedene weitere Versuche mit anderen Ratten konnten diesen Effekt jedoch nicht bestätigen.

Als mögliche Erklärung für unterschiedliche Ergebnisse bei diesem und früheren Versuchen wird von den Autoren die Variation einer Vielzahl von Faktoren bzw. Variablen angesehen, wie z. B. Geschlecht, Alter und Art der Ratten, Umweltbedingungen wie Ernährung und Helligkeitsdauer. Als möglicherweise besonders relevant wurden die Phasen des weiblichen Zyklus und die Jahreszeit angesehen.

Es sei zudem eine offene Frage, "ob die Verteilung des Melatonins durch eine Magnetfeldexposition beeinflusst wird oder ob Gewebespiegel ein sensitiverer Indikator für Magnetfeldeffekte sein könnten als Konzentrationen in der Epiphyse oder im Blutplasma. Zum Beispiel ist der Melatoningehalt im Brustgewebe drei Größenordnungen höher als der Spiegel im Blutserum."

Russel J. Reiter und Kollegen von der Universität von Texas untersuchten in 15 variierten Experimenten mit Ratten die Wirkung eines gepulsten statischen Magnetfeldes auf die Melatoninkonzentration in der Zirbeldrüse und im Blutserum sowie auf die Aktivität von NAT (N-Acetyltransferase), eines für die Melatoninproduktion wichtigen Enzyms. Die Expositionsdauer variierte zwischen 15 und 120 Minuten, die Magnetfeldstärke zwischen 50 und 500 Mikrotesla. Die Pulsung entsprach einem wellenförmigen Ein- und Ausschalten des Magnetfeldes im Ein-Sekunden-Takt.

In einigen Experimenten wurde eine verminderte NAT-Aktivität in der Zirbeldrüse, eine verminderte Melatoninkonzentration in der Zirbeldrüse und vor allem eine verminderte Konzentration im Blutserum gefunden, in anderen nicht. Auffällig war, dass die Melatoninkonzentration im Blut oft vermindert war, ohne dass gleichzeitig die Produktion in der Zirbeldrüse reduziert war. Die Melatoninhypothese müsse daher nach Meinung der Autoren modifiziert werden, da eine verminderte Blutmelatoninkonzentration nicht unbedingt auf einer verminderten Produktion basiere. Eine alternative Erklärung wäre eine vermehrte Aufnahme des Hormons ins Gewebe oder ein schnellerer Abbau von Melatonin bei EMF-Exposition.

In einer kanadischen Studie von J. F. Burchard und Kollegen von de McGill-Universität in Lakeshore fand sich keine Beeinflussung eines 30 Mikrotesla starken statischen Magnetfeldes auf die Melatoninkonzentration von 16 Kühen (Burchard 1998). Die Tiere wurden jeweils 28 Tage lang exponiert.

Laborexperiment mit Hochfrequenzfeldern

Klaus Mann und Kollegen von der psychiatrischen Klinik der Universität Mainz fanden keinen Effekt eines mit 217 Hertz gepulsten elektromagnetischen 900-MHz-Feldes einer Leistungsflussdichte von 0,02 W/cm2 auf die Melatoninkonzentration von Probanden im Schlaflabor, jedoch eine vorübergehende Zunahme des Cortisolspiegels, die als Hinweis auf eine leichte Störung des Zusammenspiels von Hypothalamus, Epiphyse und Nebenniere zu werten sei (Mann 1998).

Epidemiologische Studien

Wie bereits erwähnt, spielt hormonabhängiges Gewebe eine besondere Rolle bei möglichen melatoninvermittelten Effekten auf die Krebsentwicklung. Ein Teil der Brustkrebse ist für ihr Wachstum auf Östrogene angewiesen. Dies gilt vor allem für die sogenannten östrogenrezeptorpositiven Tumoren (ER+) und weniger für die östrogenrezeptornegativen (ER-). Wenn die Melatoninhypothese zuträfe, dann wäre bei vergleichsweise stärker EMF-belasteten Personen im Vergleich zu geringer belasteten eine höhere Anzahl von Tumoren unter denen mit positivem Östrogenstatus (ER+) zu erwarten.

Tatsächlich fanden Maria Feychting und ihre schwedischen Kollegen in einer epidemiologischen Studie Hinweise auf eine Unterstützung dieser Annahme.

Tabelle 2: Relatives Brustkrebsrisiko in Abhängigkeit von der Intensität der EMF-Exposition in Mikrotesla (µ T) in der epidemiologischen Studie von Feychting et al. (1998)
 
 
< 0,1 µT
³0,1 µ T
  Fälle Kontr. Fälle Kontr. RR 95%-KI
Alle Fälle  
ER+ 55 59 17 13 1,6 0,6-4,1
ER- 27 23 3 7 0,2 0,0-1,7
ER+ nach Alter  
< 50, ER+ 21 26 6 1 7,4 1,0-17,8
³ 50, ER+ 34 33 11 12 0,9 0,3-2,6

Das einzig signifikant veränderte Risiko ist fett gedruckt.

RR = relatives Risiko

Kontr. = Kontrollen (Vergleichsgruppe)

Insgesamt umfasste die Studie 699 Frauen mit Brustkrebs, zu denen Daten über ihre elektromagnetische Belastung vorlagen. Bei Betrachtung aller Frauen trat keine signifikante Auffälligkeit hinsichtlich der EMF-Exposition auf. Einzig in einem Subkollektiv der 82 Frauen, von denen der Östrogenrezeptorstatus bekannt war, fand sich ein signifikanter Unterschied zu den Kontrollen, nämlich bei östrogenrezeptorpositiven (ER+) Frauen, die bei der Diagnosestellung jünger als 50 Jahre waren. Hier war das Risiko, an einem Brustkrebs zu erkranken, um den Faktor 7,4 erhöht (siehe Tabelle 2). Andererseits ist ein auf 0,2 erniedrigtes relatives Risiko bei den östrogenrezeptornegativen (ER-) Frauen auffällig. So könnte bei Betrachtung des Gesamtkollektivs die durch EMF bedingte Zunahme bei den ER-positiven Tumoren möglicherweise durch eine Verminderung bei den ER-negativen Frauen ausgeglichen werden.

In einer weiteren im letzten Jahr veröffentlichten Studie fanden Marilie D. Gammon aus New York und ihre Kollegen aus verschiedenen Zentren der USA keinen Einfluss der Verwendung von Heizdecken oder Wasserbetten auf die Rate weiblicher Brustkrebse (Gammon 1998). Auch die Aufteilung der untersuchten 2.199 Frauen in verschiedene Altersgruppen, in verschiedene Gruppen nach Expositionsdauer oder die Differenzierung nach Östrogenrezeptorstatus führte zu keinen relevanten Unterschieden im Vergleich zu den Kontrollen.

James B. Burch und Kollegen von der Universität von Colorado fanden bei Elektroarbeitern einen Zusammenhang zwischen der zeitlichen Konstanz der Magnetfeldexposition und der Ausscheidung des Melatoninabbauproduktes 6-Hydroxymelatoninsulfat (6-OHMS) im Urin. Besonders die häusliche EMF-Belastung war mit einer geringeren Auscheidung verbunden, während die alleinige Intensität der beruflichen EMF-Exposition ohne messbaren Einfluss blieb. Nach Ansicht der Autoren sei nun zu prüfen, ob die Reduktion der 6-OHMS-Ausscheidung auf einer verminderten Melatoninproduktion, einer Phasenverschiebung in der nächtlichen Melatoninproduktion oder einem vermehrten Melatoninabbau beruhe.

Franjo Grotenhermen

nova-Institut, Redaktion Elektrosmog-Report

Literatur:

1. Baldwin, W. S., Barrett, J. C.: Melatonin: receptor-mediated events that may affect breast and other steroid hormone-dependent cancers. Mol. Carcinog. 21, 149-155 (1998).

2. Burchard, J. F., Nguyen, D. H., Block, E.: Effects of electric and magnetic fields on nocturnal melatonin concentrations in dairy cows. J. Dairy Sci. 81, 722-727 (1998).

3. Feychting, M., Österlund, B., Ahlboom, A.: Reduced cancer incidence among the blind. Epidemiology 9, 490-494 (1998).

4. Feychting, M., Forssen, U., Rutqvist, L. E., Ahlbom, A.: Magnetic fields and breast cancer in Swedish adults residing near high-voltage power lines. Epidemiology 9, 392-397 (1998).

5. Gammon, M. D., Schoenberg, J. B., Britton, J. A., Kelsey, J. L., Stanford, J. L., Malone, K. E., Coates, R. J., Brogan, D. J., Potischman, N., Swanson, C. A., Brinton, L. A.: Electric blanket use and breast cancer risk among younger women. Am. J. Epidemiol. 148, 556-563 (1998).

6. Liburdy, R. P., Sloma, T. R., Sokolic, R., Yaswen, P.: ELF magnetic fields, breast cancer, and melatonin: 60 Hz fields block melatonin's oncostatic action on ER+ breast cancer cell proliferation. J. Pineal. Res. 14, 89-97 (1993).

7. Löscher, W., Mevissen, M., Lerchl, A.: Exposure of female rats to a 100 µT 50 Hz magnetic field does not induce consistent changes in nocturnal levels of melatonin. Radiation Research 150, 557-567 (1998).

8. Mann, K., Wagner, P., Brunn, G., Hassan, F., Hiemke, C., Roschke, J.: Effects of pulsed high-frequency electromagnetic fields on the neuroendocrine system. Neuroendocrinology 67, 139-144 (1998).

9. Reiter, R- J., Melchiorri, D., Sewerynek, E., Poeggeler, B., Barlow-Walden, L., Chuang, J, Ortiz, G. G., Acuna-Castroviejo, D.: A review of the evidence supporting melatonin's role as an antioxidant. J. Pineal. Res. 18, 1-11 (1995).

10. Rosen, L. A., Barber, I., Lyle, D. B.: A 0.5 G, 60 Hz magnetic field suppresses melatonin production in pinealocytes. Bioelectromagnetics 19,123-127 (1998).

11. Stevens, R. G.: Electric power use and breast cancer: A hypothesis. Am. J. Epidemiol. 125, 556-561 (1987).

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Grenz- und Vorsorgewerte

Neue Empfehlungen und Standards

In der vorletzten Ausgabe des Elektrosmog-Reports (Dezember 1998) veröffentlichten wir eine Übersicht über Grenz- und Vorsorgewerte im Hochfrequenzbereich. Prof. Günther Käs, Ingenieurbüro für Radarmeßtechnik in Pfaffenhofen, ergänzte unsere Übersicht um zwei weitere Grenz- bzw. Vorsorgewerte:

"Die in der Tabelle erwähnten alten osteuropäischen Grenzwerte mit 0,05 W/m2 sind für gepulste Signale sogar nur mit 0,004 resp. 0,005 W/m2 (je nach Betriebsart) zugelassen (Tab. 4 in Quelle POPPEI), also mit einem Zehntel des Wertes für Dauersignale. Der Maximalwert für gepulste Signale liegt bei 0,2 bzw. 0,25 W/m2 für maximal 2% der Zeit.

Bei dem "Workshop on possible biological and health effects of RF electromagnetic fields" im Oktober 98 in Wien ... wurde bekannt, dass das Land Salzburg in einer freiwilligen Vereinbarung mit den Mobilfunkbetreibern festgelegt hat, dass nirgendwo (im Land Salzburg) in öffentlich zugänglichen Bereichen ein Maximalwert von 0,1 Mikrowatt/cm2 (=0,001 W/m2) im Mobilfunkfrequenzbereich überschritten werden darf. ... Das sind als nochmals der Faktor 5 unter den oben angegebenen (alten) russischen Grenzwerten. Allgemein wurde das als kleine Sensation gewertet." Der Wert ist als Vorsorgewert zu verstehen.

Seit dem 02.01.99 gelten in Italien neue, strenge Grenzwerte für stationäre Sendeanlagen. Der Grenzwert liegt für den Frequenzbereich vom 3 MHz bis 300 GHz bei 0,1 W/m2, also deutlich unter den ICNIRP-Empfehlungen.

Tabelle: Grenz- und Vorsorgewerte für ausgewählte hochfrequente Felder für die Öffentlichkeit (Leistungsflußdichte in Watt pro Quadratmeter) im Überblick
 
 
C-Netz
D1/D2-Netz
Eplus
 
460 MHz
900 MHz
1.800 MHz
 
W/m2 (1 W/m2 = 0,1 mW/cm2)
Grenzwerte  
Deutsche Elektrosmogverordnung 1997 
2,3
4,5
9
Italien 1999
0,1
0,1
0,1
 
alte osteuropäische Grenzwerte  
UdSSR ungepulst
0,05
0,05
0,05
UdSSR gepulst
0,004 - 0,005
0,004 - 0,005
0,004 - 0,005
Polen
0,1
0,1
0,1
CSSR
0,24
0,24
0,24
Moskau 1996
0,02
0,02
0,02
 
Grenzwert-empfehlungen  
KATALYSE 1994
1
1
1
ICNIRP 1998
2,3
4,5
9
Australien/ Neuseeland 1998
2
2
2
 
Freiwillige Vereinbarungen  
Land Salzburg
0,001
0,001
0,001
 
Vorsorgewerte  
ECOLOG 1994
0,11
0,22
0,45
BUND 1997
0,00023
0,00045
0,0009
ECOLOG 1998
0,023
0,045
0,09
nova 1998
0,23
0,45
0,9
Maes 1998
0,0000002-0,00002
0,0000002-0,00002
0,0000002-0,00002

nova 1999

Kataster von GSM-Sendestationen

Das Umweltamt in Graz (Österreich) erstellt derzeit ein Kataster der GSM-Sendestationen. Bislang hat die Stadt Graz keinerlei Übersicht über die Gesamtzahl, Standorte und Leistungsabstrahlung der einzelnen Sendestationen. Das wird sich nun ändern. Erhoben werden Menge, Aufstellungsort und Strahlungsexposition. Auf der Basis dieser Übersicht kann eine mögliche Belastung von Wohnanlagen und evtl. gesundheitliche Auswirkungen untersucht werden. Die Katastererstellung wird auch in Zusammenhang mit der oben zitierten Einführung eines 1.000fach niedrigeren Vorsorgewertes im Land Salzburg gebracht.

Empfehlung strenger Grenzwerte an den Umweltausschuss des Europäischen Parlaments

Dem "Ausschuss für Umwelt, Öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz" des Europäischen Parlaments liegt ein Vorschlag vor, mit dem die Grenzwerte für elektromagnetische Belastungen der Bevölkerung innerhalb von zehn Jahren, also bis zum Jahr 2008, drastisch abgesenkt werden sollen. Der kurz "Umweltausschuss" genannte Ausschuss wird sich voraussichtlich in einer Sitzung am 18.02.1999 mit der Vorlage beschäftigen, für den 08.03.1999 sind Beratung und Beschlussfassung durch das Parlament vorgesehen.

Hiermit will das Europäische Parlament auf den Vorschlag der EU-Kommission reagieren, der sich nur an der Vermeidung akuter und wissenschaftlich unstrittiger Wirkungen orientierte und Langzeitschäden sowie Vorsorgeaspekte vollkommen ausser Acht ließ (Elektrosmog-Report, Oktober 1998). Die Grenzwertvorschläge für den Umweltausschuss orientieren sich dagegen am Vorsorgeprinzip und Vorschlägen des US-Rates für Strahlenschutz (NCRP) und der US-Umweltbehörde. Für einige Frequenzbereiche liegen die Vorschläge um mehr als einen Faktor 1.000 unter den ICNIRP-Grenzwertvorschlägen bzw. der Empfehlung der EU-Kommission und damit zum Teil sogar unter den Vorsorgewerten kritischer Institute. Der EU-Kommission wird vorgeworfen, eine große Zahl wissenschaftlicher Publikationen ignoriert zu haben.

In der Vorlage für den Umweltausschuss wird z.B. auf eine Fülle wissenschaftlichen Materials verwiesen, das auf die Wahrscheinlichkeit von Langzeiteffekten bei Expositionen im Bereich von 0,1 bis 0,2 Mikrotesla verweise. So wird in der Vorlage bei einer Frequenz von 50 Hz für die magnetische Flußdichte ein Grenzwert von 0,25 Mikrotesla vorgeschlagen gegenüber 100 Mikrotesla bei der ICNIRP (Internationale Strahlenschutzkommission für nichtionisierende Strahlung), der EU-Kommission oder auch der 26. BImSchV ("Elektrosmog-Verordnung").

In der Vorlage wird die Festsetzung von Mindestabständen für Hochspannungstrassen und Sendeanlagen sowie die Kennzeichnung EMF-emittierender Geräte gefordert.

Die einschlägigen Lobbygruppen der Industrie sind in Aufruhr und Michael Repacholi (ICNIRP, WHO) soll bereits in Straßburg interveniert haben. Umwelt- und Verbaucherverbände sowie deren Anwälte in der Politik sollten ihren Einfluß in Brüssel und Straßburg geltend machen, damit die Empfehlungen an den Umweltausschuss nicht in der Schublade verschwinden oder bis zur Unkenntlichkeit entschärft werden. Die Empfehlungen berücksichtigen erstmalig Vorsorgegesichtspunkte in angemessener Weise.

CENELEC beschließt europäischen Standard für Mobilfunk

Die CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) hat einen Standard für Mobilfunkausrüstungen für den Frequenzbereich 30 MHz bis 6 GHz verabschiedet (ES 59005, Brüssel 05.07.1998). Die Grundlage der Standards sind die SAR-Empfehlungen der ICNIRP (SAR = Spezifische Absorptionsrate), die SAR-Basisgrenzwerte (siehe Tabelle) sind identisch mit den ICNIRP-Empfehlungen. Die Einflüsse elektromagnetischer Felder auf Implantate, wie z. B. Herzschrittmacher, werden nicht berücksichtigt.

Tabelle: SAR-Basisgrenzwerte für Mobilfunk in W/kg
 
 
SAR gemittelt über 6 min Zeitintervalle
 
Gemittelt über den gesamten Körper
Gemittelt über jeweils 10 g Gewebe 

(außer Hände und Füße)

Bevölkerung allgemein
0,08
2
Berufstätige
0,4
10

Quellen:

1. Europäischer Standard für Mobilfunk. EMF-Monitor 4(4),4, 1998.

2. Karus, M., Grotenhermen, F.: EU empfiehlt ICNIRP-Empfehlungen. Elektrosmog-Report 4(10), 5-6, 1998.

3. Käs, G.: Brief ans nova-Institut, 13.12.1998.

4. Ministero dell'Ambiente, Decreto 10 settembre 1998, n. 381.

5. Neitzke, H.-P.: Kommentar. EMF-Monitor 4(4), 3, 1998.

6. Oberfeld, G., König, Ch.: Preliminary standard for pulsed EMF in Salzburg. Workshop on possible biological and health effects of RF electromagnetic fields, Wien, 25.-28.10.1998.

7. Puhr, G.: Wo funkt's denn da? Kleine online, Graz, 25.11.1998.

8. Setzt sich das Vorsorgeprinzip in Europa durch? EMF-Monitor 4(4), 1-2, 1998.

9. Übersicht über Grenz- und Vorsorgewerte im HF-Bereich. Elektrosmog-Report 4(12), 7-8, 1998.

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Veranstaltungshinweis

Elektromagnetische Felder und Umwelt, 23./24. März oder 26./27. März 1999 (Alternativveranstaltung), Universität der Bundeswehr München.

Das Ziel des Lehrgangs ist eine Vergrößerung der Kompetenz hinsichtlich potentieller Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Felder unterschiedlicher Quellen: Biologische Wirkungen, Grenzwerte und Empfehlungen, Reduzierung der Belastungen und Messungen. Mit zahlreichen Beispielen und Demonstrationen.

Referenten: Prof. Günter Käs, Dr.-Ing. Georg Bahmeier, Dr.-Ing. Matthias Wuschek (alle wissenschaftliche Mitarbeiter bzw. ehemalige Mitarbeiter der Universität der Bundeswehr)

Zielgruppe: Mediziner, Ingenieure, Techniker, Versicherungsfachleute, Juristen und Umweltschutzbeauftragte.

Anmeldung und nähere Auskünfte: Universität der Bundeswehr München, Prof. G. Käs ET/FH WE5, Werner-Heisenberg-Weg 39, 85577 Neubiberg. Tel.: Frau Ehmer 089-6004-2365 (08:00-11:30)

Preis: 850 DM zzgl. MWSt. (incl. Lehrgangsunterlagen)
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Layout: Datadiwan eMail:webmeister@datadiwan.de