Elektrosmog Report
Nr. 9 / 3. Jahrgang September 1997
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Epidemiologie
Die Berlin-Studie zu Kinderleukämie

Im Februar 1996 wurden der Öffentlichkeit die Ergebnisse der ersten in Deutschland durchgeführten Studie zu erhöhten häuslichen magnetischen Feldern und Krebserkrankungen im Kindesalter vorgestellt, die Teil einer umfassenden Fallkontrollstudie in Niedersachsen war (vgl. Elektrosmog-Report, März 1996). Die Magnetfeldmessungen wurden bereits 1995 auf Berlin ausgedehnt und Anfang dieses Jahres abgeschlossen.

Beide Studien wurden in einer Zusammenarbeit des Deutschen Kinderkrebsregisters am Institut für medizinische Statistik und Dokumentation der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des Forschungsverbundes "Elektromagnetische Verträglichkeit biologischer System" an der technischen Universität Braunschweig mit vergleichbarer Methodik mit dem Ziel der Zusammenfassung der Studien durchgeführt.

Zur Bestimmung der magnetischen Feldstärke in den Wohnungen wurden zwei verschiedene Meßmethoden angewendet. Bei der Langzeitmessung über 24 Stunden (24h-Messung) erhält man Aufschluß über den tageszeitlichen Rhythmus des Magnetfeldes. Die 24h-Messungen wurden in der vom Kind vor Diagnosestellung am längsten bewohnten Wohnung durchgeführt. Die Bestimmung des örtlichen Feldverlaufs innerhalb der Wohnungen erfolgte mit Hilfe eines Meßrades, welches Meßwerte in Abhängigkeit des Weges aufnimmt. Auf diese Weise wurden Meßwerte in allen Räumen der Wohnung aufgezeichnet (Kurzzeitmessung). Darüber hinaus erlaubten kurzzeitige Messungen außerhalb der Wohnung und entlang der Straße eine Beurteilung außerhäuslicher Quellen, falls in der Wohnung erhöhte Magnetfelder festgestellt wurden. in Anlehnung an vorausgegangene internationale epidemiologische Studien wurde eine Feldstärke von 0,2 µT (Mikrotesla) zur Unterteilung von höher und niedrig Exponierten festgelegt.

Insgesamt wurden 590 Messungen über 24 Stunden in Wohnungen leukämiekranker und nicht erkrankter Kinder durchgeführt, davon 457 in Niedersachsen und 133 in Berlin. Bei nur 17 Familien wurden mittlere Magnetfelder über 0,2 µT gemessen (Median der 24h-Messung im Kinderzimmer). Dies entspricht einem Anteil von 2,9% der an der Studie teilnehmenden Familien. Hierbei wurden in Ost-Berlin häufiger höhere Magnetfelder gemessen (5 Wohnungen, entspricht 11,5%) als in West-Berlin (5 Wohnungen, entspricht 4,9%) oder Niedersachsen (7 Wohnungen, entspricht 1,5%). Der Anteil Kinder, für die im Sinne der Studienfragestellung erhöhte Magnetfelder gemessen wurde, ist somit relativ gering und liegt beispielsweise deutlich niedriger als in den USA.

Die zusammengefaßten Analysen beruhen auf mittleren Magnetfeldern über 0,2 µT bei 9 von 176 leukämiekranken Kindern (5,1%) und 8 von 414 nicht erkrankten Kindern (1,9%). Daraus errechnet sich ein zirka um den Faktor 2 erhöhtes Risiko, das aufgrund der kleinen Fallzahlen noch im Bereich des Zufalls liegt und somit statistisch nicht auffällig ist (Odds Ratio 2,3; 95%-Konfidenzintervall 0,8-6,7). Dieses Ergebnis ist vornehmlich geprägt durch die Niedersachsen-Studie. Hier ergab sich ein statistisch nicht signifikanter Riskoschätzer von 3,2, der durch ein unauffälliges Risiko von 1,2 aus der Berlin-Studie nicht bestätigt werden konnte.

Stärkere Assoziationen wurden konsistent in beiden Studien für Kinder unter 5 Jahren und für Kinder, bei denen höherer Magnetfelder während der Nacht gemessen wurden, beobachtet. Dies ist unseres Erachtens plausibel, da bei jüngeren Kindern häusliche Einflüsse dominieren und daher eine häusliche Messung für einen individuellen Schätzwert geeigneter erscheint als für ältere Kinder. Eine nächtliche Messung wird zu einer Tageszeit ausgeführt, zu der sich das Kind am Ort der Messung aufhält. Bezüglich der Kurzzeitmessungen ergab sich aus den zusammengefaßten Analysen ein relatives Risiko unterhalb der Eins.

Nur bei 3 von 17 Wohnungen mit erhöhten Feldwerten war die Erhöhung auf eine nahegelegene Hochspannungsleitung zurückzuführen. Häufigster Grund für stärkere häusliche Magnetfelder waren hausinterne Feldquellen im Niederspannungsbereich. Bei keiner Wohnung mit Hochspannungsleitungen in einem Abstand von mehr als 50 Metern wurde ein von einer Hochspannungsleitung ausgehendes mittleres Feld über 0,2 µT gemessen.

Alles in allem können unsere Ergebnisse als Hinweis auf eine schwache Assoziation zwischen magnetischen Feldern und dem Auftreten von Leukämien im Kindesalter gewertet werden. Falls diese Assoziation existiert, wäre der Effekt klein und höchstens 2-3% aller Leukämien bei Kindern wären erhöhten Magnetfeldern zuzuschreiben. Um diese Befunde auf eine breitere Basis stellen zu können, ist eine Ausdehnung der Feldmessungen auf eine deutschlandweite Studie des Deutschen Kinderkrebsregisters in Vorbereitung.

Details zu einer sehr aufwendigen Expositionserhebung, die Ergebnisse der Fallkontrollstudie zu magnetischen Feldern und Leukämien im Kindesalter in Berlin sowie Ergebnisse der zusammengefaßten Analysen werden am 30. September diesen Jahres auf einer Pressekonferenz in Berlin der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt.

Dr. rer. physiol. Joachim Schüz

Tumorzentrum Rheinland-Pfalz e. V.

Am Pulverturm 13, 55101 Mainz

Literatur:

  1. Michaelis, J., Schüz, J., Meinert, R., Menger, M., Grigat, J. P., Kaatsch, P., Kaletsch, U., Miesner, A., Stamm, A., Brinkmann, K., Kärner, H.: Elektromagnetische Felder und Krebserkrankungen im Kindesalter: Ergebnisse einer Fallkontrollstudie in Niedersachsen. Pressemitteilung des Instituts für medizinische Statistik und Dokumentation, Universität Mainz, Februar 1996.
  2. Michaelis, J., Schüz, J., Meinert, R., Menger, M., Grigat, J. P., Kaatsch, P., Kaletsch, U., Miesner, A., Stamm, A., Brinkmann, K., Kärner, H.: Childhood leukemia and electromagnetic fields: results of a population-based case-control study. Cancer Causes Control 8, 167-174 (1997).
  3. Michaelis, J., Schüz, J., Meinert, R., Zemann, E., Grigat, J. P., Kaatsch, P., Kaletsch, U., Miesner, A., Brinkmann, K., Kalkner, W., Kärner, H.: Combined risk estimates for two german population-based case-control studies on residential magnetic fields and childhood acute leukemia. Epidemiology (erscheint im November 1997).
  4. Kaatsch, P., Kaletsch, U., Krummenauer, F., Meinert, R., Miesner, A., Haaf, G., Michaelis, J.: Case controll study on childhood leukemia in Lower Saxony, Germany. Klin. Pädiatr. 208, 179-185 (1996).
 
 
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Epidemiologie
Summierung beruflicher und häuslicher EMF-Effekte

Schwedische Forscher haben erstmals eine Studie vorgelegt, bei der der gemeinsame Effekt einer häuslich und einer beruflich erhöhten EMF-Exposition auf die Entwicklung von Leukämien untersucht wurde. Das Risiko der Entwicklung einer Leukämie bei einer erhöhten beruflichen Belastung war signifikant um den Faktor 1,7 erhöht, bei einer erhöhten Belastung in der Wohnumgebung nicht signifikant um den Faktor 1,3. Bei jenen, die sowohl beruflich als auch häuslich erhöht exponiert waren, ergab sich ein signifikant um den Faktor 3,7 erhöhtes Risiko.

Bisher sind in einer Anzahl europäischer und US-amerikanischer Studien entweder berufliche oder häusliche Belastungen mit niederfrequenten elektromagnetischen Feldern in ihrer Auswirkung auf die Entwicklung verschiedener bösartiger Erkrankungen untersucht worden. Maria Feychting und Ulla Forssén vom Karolinska Institut in Stockholm und Birgitta Floderus vom Nationalen Institut für das Arbeitsleben in Solna präsentierten in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift Epidemiology erstmals die Ergebnisse einer Fallkontrollstudie, die sowohl den Einzelbeitrag als auch den gemeinsamen Effekt einer beruflichen und häuslichen EMF-Exposition untersuchte.

Methode

Die Studie basierte auf einer Untersuchung von Personen, die mindestens 16 Jahre alt waren und im Zeitraum zwischen 1960 und 1985 mindestens ein Jahr lang in einem Haus lebten, das maximal 300 Meter von Hochspannungsleitungen entfernt war. Insgesamt konnten etwa 400.000 Personen in die Untersuchung einbezogen werden.

Die Expositionsabschätzung in der häuslichen Umgebung erfolgte computergestützt unter Berücksichtigung der Höhe der Hochspannungsleitungen, ihrer Entfernung zueinander und zum untersuchten Haus, der Phasenbelegung und anderen Faktoren. Die Basis für die Abschätzung der beruflichen Belastung waren fünfjährig in Schweden durchgeführte Erhebungen über die Berufstätigkeit sowie Arbeitsplatzmessungen für eine Vielzahl von Berufen, welche bereits im Rahmen einer früheren Studie durchgeführt worden waren.

Ergebnisse

Eine berufliche Belastung zwischen 0,13 und 0,19 µT (Mikrotesla) führte zu einer Erhöhung des Risikos für die Entwicklung einer Leukämie um den Faktor 1,4 (95%-Konfidenzintervall: 1,0-2,2) gegenüber geringer Belasteten. Bei einer beruflichen Belastung von 0,2 µT und mehr wurde ein relatives Risiko von 1,7 (95%-KI: 1,1-2,7) ermittelt. Eine häusliche Belastung zwischen 0,1 und 0,19 µT erhöhte das Risiko für die Entwicklung einer Leukämie gegenüber niedriger Belasteten nicht, während eine Belastung von 0,2 µT das Risiko nichtsignifikant um 30% erhöhte (RR: 1,3; 95%-KI: 0,8-2,2).

Wurden nur die Fälle betrachtet, bei denen sowohl eine häusliche als auch eine berufliche Belastung von mehr als 0,2 µT geschätzt worden war, so ergab sich ein signifikant um den Faktor 3,7 erhöhtes relatives Risiko (95%-KI: 1,5-9,4). Dies deutet auf einen summierenden Effekt einer erhöhten beruflichen und gleichzeitig erhöhten häuslichen EMF-Belastung für die Entwicklung einer Erwachsenenleukämie hin.

Die Autoren geben zu bedenken, daß nur eine kleine Anzahl von Leukämieerkrankten untersucht wurde. Insbesondere waren nur sehr wenige Leukämiekranke sowohl einer erhöhten beruflichen als auch einer erhöhten häuslichen EMF-Belastung ausgesetzt, nämlich 9 Fälle. Die Anzahl der häuslich erhöht exponierten Leukämiefälle betrug 26, die der beruflich erhöht exponierten 62.

In der Studie war nach der gleichen Methodik auch der EMF-Effekt auf die Entwicklung von Gehirntumoren untersucht worden. Es ergaben sich hierbei keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko bei erhöhten EMF-Belastungen.

Quelle: Feychting, M., Forssén, U., Floderus, B.: Occupational and residential magnetic field exposure and leukemia and central nervous system tumors. Epidemiology 8, 384-389 (1997).
 
 
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Elektromagnetische Verträglichkeit

Hersteller von Herzschrittmachern sollen Filter gegen EMF einbauen

In einer amerikanischen Studie wurden umfangreiche Untersuchungen zur Beeinflussung von Herzschrittmachern durch Mobiltelefone durchgeführt. In etwa 20% der Tests waren Wechselwirkungen feststellbar. In 1,7% der Tests traten deutliche klinische Interferenzen auf, allerdings nur wenn das Mobiltelefon unmittelbar über dem Schrittmacher getragen wurde. Es wurde keine einzige Ohnmacht beobachtet.

In einem Editorial des New England Journal of Medicine regen zwei Mitarbeiter eines medizinischen Zentrums in New York an, Hersteller von Herzschrittmachern "sollten ermutigt werden, geeignete Filter" gegen die Einflüsse von elektromagnetischen Feldern in neue Schrittmachersysteme einzubauen.

1994 wurden die ersten Untersuchungen zu möglichen Wechselwirkungen zwischen dem elektromagnetischen Feld von Mobiltelefonen und den elektrischen Impulsen von Herzschrittmachern veröffentlicht. Im Frühjahr 1995 warnte das deutsche Bundesgesundheitsministerium vor Gefahren für Patienten, da Mobiltelefone die Funktion elektrisch gesteuerter Medizingeräte beeinträchtigen könnten (Elektrosmog-Report, Mai 1995). Mobiltelefone sollten nicht am Körper getragen werden.

Art der Störung von Herzschrittmachern durch EMF

Externe elektromagnetische Signale durch Mobiltelefone können bei Herzschrittmachern vor allem zu zwei Arten von Funktionsstörungen führen:

  1. Der Herzschrittmacher sendet keinen Impuls an das Herz, obwohl dieser notwendig gewesen wäre, und das Herz schlägt für eine bestimmte Zeit nicht. Es besteht die Gefahr einer Ohnmacht (Synkope). Die Störung ist im allgemeinen allerdings so kurz, daß eine tatsächliche Ohnmacht nicht auftritt.
  2. Der Herzschrittmacher sendet einen oder mehrere Impulse an das Herz, obwohl das Herz einen normalen Eigenrhythmus hat und es werden zusätzliche Herzschläge provoziert. Es besteht die Gefahr, daß diese Herzrhythmusstörungen ebenfalls zu sekundären relevanten klinischen Symptomen führen.
Diese Störungen beruhen auf folgenden technischen und physiologischen Grundlagen:

Sogenannte "Demand"-Schrittmacher geben nur in dem Fall einen elektrischen Impuls an den Herzmuskel ab, wenn das körpereigene Herzreizleitungssystem nicht selbst ein Signal an den Herzmuskel abgibt. Der Herzschrittmacher "spürt" die Depolarisierung des Herzreizleitungssystems und springt nur ein, wenn diese Depolarisierung ausbleibt. Ein externes Feld kann vom Herzschrittmacher eventuell als diese normale Depolarisation "mißverstanden" werden. Er gibt - obwohl notwendig - keinen Impuls an das Herz ab. Dieses schlägt für eine Weile nicht und es besteht die Gefahr einer Ohnmacht, da das Gehirn nicht ausreichend durchblutet wird. Die Gefahr eines solchen Ereignisses ist um so größer je stärker der Herzschlag vom künstlichen Schrittmacher abhängt. Viele Patienten haben nur selten "Aussetzer", in denen dann der künstliche Herzschrittmacher einspringt und den Herzmuskel zur Kontraktion anregt. Bei anderen Patienten ist der Herzschrittmacher quasi dauernd gefordert, weil das Herzreizleitungssystem eine zu geringe Eigenfrequenz erzeugt. In diesem letzten Fall würde die oben genannte Störung zu einem Ausfall des Herzschlages führen, während im ersten Fall die Funktionsstörung des Herzschrittmachers im allgemeinen nicht bemerkt würde.

Die zweite Gruppe von Störungen betrifft sogenannte Zweikammer-Schrittmacher, die die Reizleitung in den zwei Kammern des Herzens simulieren. Wie beim natürlichen Herzen sollen zuerst die Vorhöfe einen elektrischen Impuls zur Kontraktion erhalten und kurze Zeit später die Kammern. Externe elektromagnetische Signale können eventuell als Vorhofsignale mißverstanden werden und entsprechende Signale in der Kammer triggern, so daß es zu, im allgemeinen klinisch nicht bedeutsamen, zusätzlichen Herzkammerkontraktionen kommt, die als Herzklopfen bzw. Herzstolpern (Palpitation) wahrgenommen werden. Solche Störungen können eventuell zu länger anhaltenden Veränderungen des normalen Herzrhythmus führen mit der Entwicklung relevanter klinischer Symptome.

Die Studie aus den USA

In einer umfangreichen multizentrischen Studie von David L. Hayes und Kollegen wurden frühere Beobachtungen, daß im allgemeinen nur ein sehr naher Kontakt zwischen Mobilitelefon und Herzschrittmacher zu klinisch relevanten Beeinträchtigungen führt, bestätigt. 980 Herzschrittmacherträger wurden in das Untersuchungskollektiv aufgenommen. Es wurden jeweils zwei Tests mit fünf oder sechs Telefonen durchgeführt. Darunter befand sich ein analoges Telefon, die übrigen waren digitale Telefone US-amerikanischer Hersteller. Einmal wurde das Telefon am Ohr auf der Schrittmacherseite gehalten. Beim zweiten Test wurde die Antennenspitze des Telefons, der Ort der maximalen elektromagnetischen Emission, etwa 1 bis 2 cm über dem Herzschrittmacher plaziert.

Bei den insgesamt 5533 Tests traten in 20% der Fälle Wechselwirkungen auf. Die Häufigkeit der wahrgenommen Symptome lag bei 7,2%. Am häufigsten - in 4,5% - wurde Herzstolpern beobachtet. Schwindelgefühl trat in 1,2% der Fälle, ein Gefühl von nahender Ohnmacht (Präsynkope) in 0,2% der Fälle auf. Bei Patienten, die vollständig abhängig vom Schrittmacherimpuls waren, betrug die Häufigkeit von nahender Ohnmacht 0,4%. Eine tatsächliche Ohnmacht (Synkope) trat in keinem Fall auf. Es gab keine klinisch relevante Wechselwirkung bei einer Mobiltelefonposition am Ohr. Die Gesamtheit deutlicher klinischer Wechselwirkungen (Ohnmacht, Schwindel, Präsynkope, Unterbrechung des Herzschlages von mehr als 3 Sekunden etc.) betrug 1,7%. Sie traten nur in der Telefonposition unmittelbar über dem Herzschrittmacher auf.

Es gab eine deutliche Abhängigkeit der Wechselwirkungen vom Telefontyp und von der Art des Herzschrittmachers. Das analoge Telefon führte wesentlich seltener zu Wechselwirkungen als die digitalen Apparate (2,5% gegenüber 23,7%). Bei Einkammer-Schrittmachern traten seltener Störungen auf als bei Zweikammer-Schrittmachern (6,8% gegenüber 25,3%). Die Häufigkeit von Interferenzen war häufiger bei Patienten, die dauernd oder intermittierend vom Schrittmacherimpuls abhängig waren (20,9% und 21,5%), als bei jenen, die nicht davon abhängig waren (15,2%). Besonders große Unterschiede fanden sich in Abhängigkeit von der Abschirmung der Herzschrittmacher vor EMF-Beeinflussungen durch sogenannte "Feed-through"-Filter. Bei Herzschrittmachern ohne Filter traten in 28,9% aller Tests Störungen auf, während bei solchen mit Feed-through-Filtern nur in 0,4% Störungen auftraten.

Folgerungen

In ihrem Editorial in der Mai-Ausgabe des New England Journal of Medicine fordern Marc Roelke und Alan D. Bernstein vom Newark Beth Isreal Medical Center in New York, einen marktwirtschaftlichen Druck auf die Hersteller von Herzschrittmachern auszuüben, geeignete vor externen EMF schützende Filter in neue Geräte einzubauen, um der wachsenden Verbreitung von Mobiltelefonen Rechnung zu tragen. Herzschrittmacher sollten so programmiert werden, daß die Schwelle für externe elektromagnetische Einflüsse möglichst hoch liegt. Schrittmacherabhängige Patienten oder solche, die bereits Symptome im Zusammenhang mit der Verwendung von Mobiltelefonen erlebt haben, sollten einer sorgfältigen individuellen Untersuchung der Wechselwirkung von Mobiltelefon und Herzschrittmacher ("worst-case-testing") unter EKG-Kontrolle unterzogen werden. Obwohl aufgrund bisher durchgeführter Studien bestimmte allgemeine Schlußfolgerungen hinsichtlich möglicher gefährdender Konstellationen gezogen werden könnten, gäbe es keinen Ersatz für eine individuelle Untersuchung.

Quellen:

  1. Hayes, D. L., et al.: Interference with cardiac pacemakers by cellular telephones. N. Engl. J. Med. 336, 1473-1479 (1997).
  2. Roelke, M., Bernstein, A. D.: Cardiac pacemakers and cellular telephones [Editorial]. N. Engl. J. Med. 336, 1518-1519 (1997).
 
 
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Medizin
Niederfrequente Felder in der medizinischen Therapie

Der Einsatz elektromagnetischer Felder (EMF) in der medizinischen Therapie hat eine lange und wechselreiche Geschichte und beruht in der Regel mehr auf Erfahrungswissen als auf wissenschaftlich anerkannten Nachweisen ihrer Wirksamkeit. "Der Vorwurf der Quacksalberei ist daher in einigen Anwendungsbereichen auch nicht von der Hand zu weisen. Dieser häufig berechtigte Vorwurf und die traditionell eher unwissenschaftliche Herangehensweise hat auch dazu geführt, daß sich eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema heute nur zögerlich entwickelt . ... Wer sich als WissenschaftlerIn mit dieser Thematik beschäftigt, setzt daher auch heute noch seine akademische Reputation aufs Spiel." (EDELER 1997)

Relativ gut nachgewiesen ist die Wirksamkeit schwacher niederfrequenter Magnetfelder bei der Unterstützung von Heilungsprozessen bei Knochenfrakturen. Erklärt werden die Wirkungen durch das elektromechanische Verhalten des Knochengewebes (piezoelektrischer Effekt) und dessen Bedeutung für den Knochenstoffwechsel. Es konnte bewiesen werden, daß Knochenwachstum und -reparaturmechanismen durch externe Felder günstig beeinflußbar sind.

Zur Anwendung kommen heute schwache, niederfrequent (<1 kHz) gepulste Magnetfelder vor allem bei schwer oder nicht heilenden Knochenfrakturen. In der orthopädischen Praxis wurden auch bei anderen, ansonsten therapieresistenten, Erkrankungen wie chronische Entzündungen von Sehnen und Gelenken Erfolge erzielt.

In den USA wurde ein Verfahren zur Behandlung degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparates mit Hilfe niederfrequenter EMF entwickelt, die Pulsierende Signal Therapie (PST). In den USA und Kanada sollen bereits ca. 10.000 Patienten erfolgreich behandelt worden sein. Neben der Förderung der Knochenbildung soll auch die Knorpelbildung angeregt werden. (vgl. Elektrosmog-Report 3(7), S. 9, 1997). Nachgewiesen werden konnte auch die Erhöhung der Lebensdauer von künstlichen Hüftgelenken durch die Einwirkung geeigneter Magntfelder (vgl. Elektrosmog-Report 1(8), S. 9, 1995). Die bei dieser als Magentodynverfahren bezeichneten Anwendung verwendeten Felder (2 bis 10 mT (Millitesla), maxinal 20 Hertz) erhöhen die Temperatur des durchflossenen Bindegewebes und Knochens nicht. Dennoch regen sie die Zellen zu einem gesteigerten Stoffwechsel an.

Ein weiteres Einsatzgebiet von niederfrequenten EMF sind chronisch-degenerative, bisher nicht therapierbare Erkrankungen des Nervensystems wie Multiple Sklerose und Parkinson-Syndrom. Ein günstiger Verlauf der Krankheitsbilder konnte bislang allerdings nur in Einzelfällen oder Studien mit kleinen Fallzahlen gezeigt werden. Wegen der spontanen Schwankungen im Krankheitsverlauf neurodegenerativer Erkrankungen beruhen beobachtete positive Effekte möglicherweise allerdings nicht auf der vorgenommenen Therapie, sondern sind dem Zufall geschuldet. Ähnlich sieht es bei der Behandlung psychovegetativer Erkrankungen wie Schlafstörungen und bestimmte Formen der Depression aus.

In der russischen Fachliteratur beschäftigen sich in den letzten Jahren auffällig viele Artikel mit dem therapeutischen Einsatz von EMF. Schwerpunkt sind neben den bereits genannten Indikationen vor allem Gefäßkrankheiten.

Über den Einsatz der gepulsten Magnetotherapie (PMT) in der ehemaligen Tschechoslowakei liegt ein englischsprachiger Artikel vor (JERABEK 1994). Demnach wird PMT seit über zehn Jahren erfolgreich eingesetzt bei der Behandlung rheumatischer Erkrankungen, in der Kinderheilkunde (Entzündungen der Nasennebenhöhlen) und bei Durchblutungsstörungen an den Extremitäten, die als Komplikation beim Diabetes mellitus auftreten können. Zudem liegen Ergebnisse über die positive Beeinflussung der Multiplen Sklerose, spastischer Lähmungen und degenerativer Erkrankungen der Netzhaut vor.

Insgesamt ist die Wirksamkeit der Anwendung niederfrequenter elektromagnetischer Felder bei der Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates als recht gut gesichert anzusehen, während behauptete Erfolge bei anderen Anwendungsgebieten bisher eher kritisch zu bewerten sind.

Quellen und weiterführende Literatur:

  1. Edeler, K.: Therapeutischer Nutzen und gesundheitliche Risiken elektromagnetischer Felder - ein Widerspruch oder zwei Seiten einer Medaille?, EMF-Monitor 3(2), 8-10 (1997).
  2. Bassett, C. A. L.: Fundamental and practical aspects of therapeutic uses of pulsed electromagnetic fields (PEMFs), Critical Reviews in Biomedical Engineering 17(5), 451-529 (1989)
  3. Jerabek, J.: Pulsed Magnetotherapy in Czechoslovakia - A Review, Review on Environmental Health 10(2), 127-134 (1994)
  4. Macklis, R. M.: Magnetic Healing, Quackery, and the Debate about the Health Effects of Electromagnetic Fields, Annals of Internal Medicine 118(5), 376-383 (1993).
  5. Trock, D. H., et al.: The effect of pulsed electromagnetic fields in the treatment of osteoarthitis of the knee and cervical spine. J. Rheumatol. 21, 1903-1911 (1994).
 
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Swiss Re zu EMF-Effekten

Die Schweizer Rückversicherung 'Swiss Re' hat einen Bericht veröffentlicht, in welchem darauf hingewiesen wird, daß das EMF-Problem für die Versicherungsbranche "gefährlicher und bedrohlicher" sein könne als bisher angenommen. Solange das Thema Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen sei, fehle eine kalkulatorische Basis für einen Versicherungsschutz. Der Bericht "Electrosmog - A Phantom Risk" kann auf der Internet-Seite "www.swissre.com/com/reinsurance/earlierpublic.html" nachgelesen werden.



Impressum - Elektrosmog-Report im Strahlentelex


Erscheinungsweise: monatlich im Abonnement mit dem Strahlentelex

Verlag und Bezug: Thomas Dersee, Strahlentelex, Rauxeler Weg 6, D-13507 Berlin, + Fax 030 / 435 28 40.

Herausgeber und Redaktion:

nova-Institut für politische und ökologische Innovation, Köln

Michael Karus (Dipl.-Phys.) (V.i.S.d.P.), Dr. med. Franjo Grotenhermen, Dr. Peter Nießen (Dipl.-Phys).

Kontakt: nova-Institut, Abteilung Elektrosmog, 

Thielstr.35, 50354 Hürth, 02233 / 97 83 70, Fax: 02233 / 97 83 69 

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