Elektrosmog Report
Nr. 7 / 1. Jahrgang Oktober 1995 
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Politik
Elektrosmog-Verordnung
in der Diskussion

Vom 10. bis 13. Juli 1995 fand in Bonn die Anhörung zum Entwurf einer "Verordnung über nieder- und hochfrequente EMF-Immissionen zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes" statt. Der Verordnungsentwurf war von Bundesumweltministerin Angela Merkel am 20.6.1995 vorgestellt worden. An drei Tagen wurden Industrieverbände, Gewerkschaften, Verbraucher- und Umweltverbände und die Länder angehört. Einhellig wurde begrüßt, daß erstmals verbindliche Grenzwerte für den Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern (EMF) verabschiedet und damit der Zustand der Rechtsunsicherheit beendet werden soll. Von diesem Grundkonsens abgesehen gab es von verschiedener Seite massive Kritik an dem Entwurf, so daß der ursprüngliche Zeitplan, den Entwurf bereits im September dem Bundesrat vorzulegen, nicht eingehalten werden kann. Mit einer Verabschiedung wird frühestens Anfang nächsten Jahres gerechnet.

Mit dem vorliegenden Entwurf folgt das Umweltministerium (BMU) der Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) sowie der Strahlenschutzkommission (SSK) und übernimmt weitestgehend die Grenzwertempfehlungen der Internationalen Strahlenschutzvereinigung (IRPA = International Radiation Protection Association) bzw. des zuständigen IRPA-Ablegers ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection). Dies bedeutet eine zum Teil deutliche Verschärfung gegenüber den Grenzwerten aus der DIN/VDE-0848-Vornorm von 1992, insbesondere für den 50-Hz- und Hochfrequenzbereich unterhalb 10 MHz.

Im Detail gibt es geringe Unterschiede zwischen den bestehenden IRPA-Empfehlungen aus dem Jahre 1989 und dem vorgelegten Entwurf. So sehen die IRPA-Empfehlungen im Niederfrequenzbereich Grenzwerte für 0 und 50 Hz vor, während der BMU-Entwurf statische Felder (0 Hz) ausklammert, dafür aber die 16 2/3-Felder der Bundesbahn berücksichtigt. Hier übernimmt der BMU-Entwurf die Werte des neuen ICNIRP-Entwurfes.

Vorsorgeansätze fehlen im BMU-Entwurf vollständig. Die IRPA-Empfehlungen werden als Schutzwerte betrachtet, darüber hinausgehende Vorsorgewerte gibt es nicht.

Im Hochfrequenzbereich übernimmt der BMU-Entwurf die IRPA-Empfehlungen, die oberhalb von 10 MHz mit den DIN/VDE-0848-Grenzwerten übereinstimmen. Unterhalb von 10 MHz liegen die IRPA-Empfehlungen und damit auch die Schutzwerte des BMU-Entwurfes deutlich unter den bisherigen DIN/VDE-Grenzwerten, was in konzeptionellen Unterschieden zwischen DIN/VDE und IRPA begründet ist (DIN/VDE unterscheidet im Gegensatz zu ICNIRP zwischen direkten und indirekten Wirkungen).

Die vielfach vermutete besondere biologische Wirksamkeit gepulster Hochfrequenzstrahlung findet im BMU-Entwurf praktisch keine Berücksichtigung. Es werden lediglich die Pulsspitzen - zusätzlich zu der Begrenzung der 6-Minuten-Mittelwerte der Feldstärken - auf das 32-fache des 6-Minuten-Mittelwertes begrenzt. Der neue ICNIRP-Entwurf beinhaltet auch hier weitergehende Empfehlungen.


Neue ICNIRP-Empfehlungen in Bearbeitung



Die ICNIRP ist gerade dabei, neue Empfehlungen zu erarbeiten, die im April 1996 auf einer Sitzung diskutiert, Ende 1996 verabschiedet und dann in der Fachzeitschrift "Health Physics" veröffentlicht werden sollen. Der neue ICNIRP-Entwurf sieht Grenzwerte für den gesamten niederfrequenten Bereich vor, wobei die Grenzwerte für 0 und 50 Hz von den bestehenden Empfehlungen übernommen werden. Es wird derzeit noch diskutiert, ob unterhalb der empfohlenen Schutzwerte auch Vorsorgewerte verabschiedet werden sollen. Die Überlegungen werden aktuell von einem NCRP-Report (National Council on Radiation Protection and Measurements, USA) beeinflußt, in dem Zielwerte (ALARA = as low as reasonably achievable) für Wohnräume, Schulen und Büros von 1 µT (innerhalb von 3 Jahren), 0,5 µT (bis in 6 Jahren) und 0,2 µT (bis in 10 Jahren) genannt werden. Wir werden in der nächsten Ausgabe ausführlich über den NCRP-Report berichten. 


Stellungnahmen zum BMU-Entwurf

Verbände der Energiewirtschaft

Die Verbände der Energiewirtschaft halten die Verschärfung der Grenzwerte (im Sinne von Schutzwerten) auf das IRPA-Niveau für nicht gerechtfertigt ("unzutreffende rechtliche Bewertung dieser naturwissenschaftlichen Quantifizierungen" (IRPA)). Grundsätzlich fordert auch die Energiewirtschaft Vorsorgewerte: "Eine bundeseinheitliche Regelung erscheint aber nur sinnvoll, wenn sie nachvollziehbare Schutz- und Vorsorgewerte festlegt und Rechtssicherheit dadurch schafft, daß sie uneinheitlichen Regelungen einzelner Bundesländer entgegenwirkt. Diesem Anspruch wird der Verordnungsentwurf schon deshalb nicht gerecht, weil er auf die Festlegung von Vorsorgewerten verzichtet und somit eine der Rechtssicherheit und Bundeseinheitlichkeit entgegenstehende Regelungslücke offenläßt, die Raum für ergänzende Landesregelungen schafft."

Konkret wird vorgeschlagen, die IRPA-Empfehlungen lediglich als (unverbindliche) Vorsorgewerte anzuwenden und Schutzwerte zu verabschieden, die noch über den bisherigen DIN/VDE-0848-Grenzwerten (Vornorm 1992) liegen: Für 50-Hz-Felder bedeutet dies einen Vorsorgewert von 5 kV/m bzw. 100 µT und einen Schutzwert von 10 kV/m bzw. 500 µT (DIN/VDE-Vornorm 7 kV/m bzw. 400 µT). Die Schutzwerte für die öffentliche Exposition werden dabei abgeleitet von den IRPA-Empfehlungen "für berufliche Exposition für einen ganzen Arbeitstag". "Bei Einhaltung dieser Werte sind weder Gesundheitsgefahren noch erhebliche Belästigungen zu befürchten [im Orginal heißt es "besorgen", die Red.]."

Unterstützt wird diese Stellungnahme u. a. von Prof. Karl Brinkmann, Prof. Eduard David und Norbert Krause (Berufsge-nossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik), die die Ansicht vertreten, daß es bislang keine einzige seriöse wissenschaftliche Arbeit gibt, die belegt, daß EMF unterhalb der genannten Schutzwerte für Schädigungen verantwortlich gemacht werden könne. Eine Aussage, die mehr über das Niveau der deutschen Elektrosmogdiskussion aussagt, als über den Stand der internationalen Forschung.

Zuzustimmen ist den Verbänden der Energiewirtschaft darin, daß der Anwendungsbereich der Verordnung auf "Nie-derspannungsfreileitungen und Kabel" ausgedehnt werden solle.

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Folgekosten des BMU-Entwurfes

Hintergrund für die Kritik an der Absenkung der deutschen Grenzwerte auf internationales Niveau von Seiten der Energiewirtschaft und der Fernseh- und Rundfunkanstalten (s. u.) dürften in erster Linie die Kosten sein, die auf die Unternehmen und Anstalten zukommen.

Besonders betroffen sind Sendeanstalten wie ARD, ZDF oder Deutsche Welle. Laut Aussagen des Instituts für Rundfunktechnik (IRT) in München, dem Forschungs- und Entwicklungsinstitut von ARD, ZDF, ORF und SRG, ist bei Verabschiedung der IRPA-Empfehlungen als Schutzwerte der Betrieb bisheriger Mittel- und Langwellensender und zum Teil auch Kurzwellensender fast nicht mehr möglich. Um die IRPA-Werte unter 10 MHz einzuhalten, müßten 90% der Sender ihre Leistung drastisch reduzieren (auf z. B. 5% ihrer jetzigen Leistung), womit eine flächendeckende Versorgung nicht mehr zu gewährleisten ist. Aus den IRPA-Grenzwerten ergeben sich Sicherheitsabstände von 400 bis 500 m gegenüber bislang nur 150 m, die in Ballungsräumen meist ausgeschöpft wurden. Entsprechend setzen sich die Anstalten für die Beibehaltung der jetzigen DIN/VDE-Grenzwerte ein, die ihrer Ansicht nach einen ausreichenden Schutz für die Bevölkerung bieten.

Das Abschalten von Kurz-, Mittel- und Langwellensendern wäre allerdings für die große Mehrheit der Bevölkerung ohne Bedeutung, da fast ausschließlich UKW-Sender gehört werden. Für die wenigen Sender, die für die internationale Versorgung benötigt werden, könnten ausreichende Abstände geschaffen werden.

Die Energieversorgungsunternehmen rechnen in ihrer Stellungnahme mit Zusatzkosten von "einigen hundert Millionen" für die Einhaltung des IRPA-Wertes von 5 kV/m. Anderen Abschätzungen nach sollen sogar 2,5 bis 15 Mrd DM infolge von Trassenverlegungen, Erhöhung von Masten und ähnlichen Maßnahmen notwendig sein. Die jahrelange Verhinderung der Übernahme der IRPA-Empfehlungen durch die Deutsche Elektrotechnische Kommission (DKE), kommt deren Mitglieder nun teuer zu stehen.

Bundesländer

Die Länder, die im Bundesrat über die Verordnung abstimmen müssen, stimmen mit Merkel in der Festlegung der Grenzwerte auf IRPA-Niveau überein, möchten aber zusätzlich Vorsorgeregelungen unterhalb der IRPA-Grenzwerte in der Verordnung sehen, so z. B. einen Vorsorgewert für elektrische Felder um den Faktor 3 unter den IRPA-Empfehlungen und für magnetische Felder um den Faktor 10 auf 10 µT.

Exemplarisch sei die Stellungnahme der Hamburger Umweltbehörde zum Thema Vorsorge zitiert: "Weiterhin liegen wissenschaftliche Erkenntnisse über andere, von der Grenzwertsystematik nicht erfaßte, biologische Effekte vor, die möglicherweise eine Bedeutung für die Entstehung von Langzeitwirkungen haben. ... Diese wissenschaftlichen Befunde lassen sich derzeit nicht in abgesicherte quantitative Grenzwerte umsetzen, sie stellen jedoch - besonders in der Öffentlichkeit - ein relevantes Besorgnispotential dar. Aus diesem Grund wird von verschiedenen Fachkreisen die Möglichkeit von vorsorgeorientierten Feld- und Immissionsverminderungsmaßnahmen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel gefordert."

Hamburg schlägt vor (§ 4 (neu)): "Im Einzelfall kann die zuständige Behörde aus Vorsorgeerwägungen auch unterhalb der Grenzwerte Maßnahmen an den Quellen und die Einhaltung von Abständen zu Gebäuden oder Grundstücken, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt bestimmt sind, anordnen, die zur Verminderung elektromagnetischer Immissionen geeignet sind, soweit dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist."

Ferner wird von der Hamburger Umweltbehörde kritisiert, daß der Verordnungsentwurf keine Anlagen erfasse, die "ausschließlich der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben dienen" sowie grundsätzlich nur ortsfeste Anlagen erfasse, womit z. B. Schiffsradaranlagen in vielbefahrenen Gewässern unberücksichtigt bleiben. Weitere Kritik zielt darauf, daß der Verordnungsentwurf keine Aussage dazu enthält, auf welcher Basis und welche Behörde die Einhaltung der Grenzwerte vor Inbetriebnahme einer NF-Anlage prüfen soll. Vorgeschlagen wird, daß "die Vorlage einer Bescheinigung einer sachverständigen und neutralen Stelle verlangt werde, die die Einhaltung der Grenzwerte überprüft sowie eine Festlegung von Mindestabständen vornimmt."

Der vielfach geäußerten Kritik an fehlenden Vorsorgemaßnahmen begegnete das BMU inzwischen mit einem Auftrag an die Länderkommission, ein Präventionsmodell für den niederfrequenten Bereich zu entwickeln.

Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV)

Die AgV kritisiert, daß der Geltungsbereich der künftigen Verordnung auf ortsfeste Nieder- und Hochfrequenzanlagen beschränkt bleiben soll. Laut AgV sollten "zumindest Mobilfunkendgeräte (z. B. Handys) und netzbetriebene elektrische Geräte für den Haushalt in den Geltungsbereich der Verordnung einbezogen werden." Desweiteren wird kritisiert, daß privat betriebene Anlagen nicht vom Anwendungsbereich erfaßt werden: "Gerade Amateurfunkanlagen werden in der Regel in unmittelbarer Nachbarschaft zu Privatwohungen betrieben. Dabei ist die Leistung dieser Anlagen durchaus vergleichbar denen des Mobilfunks. ... Wir fordern daher eine Einbeziehung von Amateurfunkanlagen in den Anwendungsbereich der Verordnung. Gleiches gilt im übrigen auch für die ... vorgesehene Ausnahmeregelung für die Funkanlagen des Bundes (z. B. Anlagen zur Wasser- und Schiffahrtsverwaltung oder der Flugsicherung). Auch diese Anlagen sollten in den Anwendungsbereich aufgenommen werden."

Die AgV mahnt bundesweit einheitliche Vorsorgewerte an, die im Entwurf fehlen, damit es nicht zu von Bundesland zu Bundesland abweichenden Vorsorgewerten komme, die den Verbrauchern nur schwer zu vermitteln seien.

Für ein entscheidendes Defizit des Entwurfes hält die AgV, daß im Gegensatz zu den Festlegungen zur Durchsetzung und Kontrolle der gesetzlichen Anforderungen an Hochfrequenzanlagen der Entwurf keine vergleichbaren Festlegungen für den NF-Bereich enthält. "Ohne Bestimmung einer mit ausreichenden Kompetenzen ausgestatteten Zulassungs- und Kontrollbehörde für Niederfrequenzanlagen wird die Verordnung zumindest in diesem Bereich ohne ausreichenden 'Biß' bleiben. Wir schlagen daher vor, die zuvor genannten Aufgaben dem BfS zu übertragen."

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Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND)

Grundsätzliche Kritik an dem Entwurf des BMU wurde von den Umweltverbänden geäußert. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) forderte die Bundesregierung auf, ihren Entwurf für eine Elektrosmogverordnung "schleunigst" zurückzuziehen. Der BUND-Experte Wilfried Kühling erklärte: "Wir wollen eine Elektrosmogverordnung, aber der vorliegende Entwurf ist nur kontraproduktiv. Er bietet den Menschen keinen Schutz vor den ungeklärten Wirkungen der elektromagnetischen Strahlen". Nach Ansicht Kühlings geht die Regierung von einem falschen Wirkungsmodell aus. Völlig vernachlässigt würden langfristige und sich überlagernde Wirkungen von Elektrosmog, die aus einem "ständig gestörten Signal- und Informationsfluß im betreffenden Regelkreislauf" resultierten. Kühling gibt zu bedenken, daß die zivilisatorisch bedingte Grundbelastung bereits um den Faktor 10.000 gegenüber der natürlichen Belastung erhöht sei. Der vom BUND angestellte Vergleich der anvisierten Grenzwerte mit den schwedischen MPR-II-Werten ("Statt dessen soll mit Grenzwerten, die um den Faktor 1.000 bis 10.000 über den am Bildschirmplatz geltenden und üblichen Werten liegen, ein Schutz der Allgemeinheit erreicht werden") hinkt in sofern, als daß die MPR-II-Werte nie von Seiten einer möglichen Gesundheitsgefährdung her begründet wurden, sondern lediglich vom technisch machbaren her. Außerdem sind sie keine geltenden Grenzwerte.

Der BUND vermißt im Entwurf Regelungen für statische Felder sowie die Berücksichtigung besonderer Risikogruppen und -zeiten. "Solche sind bei Wirkungen durch EMF z. B. Kinder und Jugendliche bzw. die Nachtzeit".

Bezüglich Vorsorge und Prävention legt der Entwurf laut BUND unzureichende Maßstäbe an. Die dem Entwurf zugrundeliegenden Sicherheitsfaktoren zwischen "Schutz vor Gefahren" und "Vorsorge" seien um den Faktor 10 bis 100 kleiner als in der Toxikologie üblich. "Das gesamte "Grenzwertgebäude" im vorgelegten Verordnungsentwurf ist also in sich unstimmig und verläßt die bisher üblichen Risikoabschätzungen für andere schädliche Umwelteinwirkungen auf der Basis des BImSchG."

Der BUND fordert weiter, aufgrund der Zunahme der EMF-Belastung in allen Lebensbereichen, die Gesamtbelastung durch Verringerung der Teilbelastungen zu vermindern. Hieraus leitet sich ein "grundsätzliches Minimierungsgebot für alle Geräte und Anlagen" ab. Bezogen auf den Mobilfunk heißt es, "damit ist die grundsätzliche Frage zu stellen, warum überhaupt mehrere, parallel zueinander stehende Sendefunknetze mit gesteigerter Belastung durch EMF betrieben werden sollen, wenn die gewünschte Funktion solcher Systeme auch mit einem Netz und entsprechend niedrigerer Belastung erreicht werden kann".

Schließlich sollen die Anwendungsbereiche der Verordnung auch auf nicht- ortsfeste Sender ausgedehnt werden und die Ausnahmeregelungen verschärft sowie die Übergangsfristen verkürzt werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Parallel zu der Anhörung hielten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Pressekonferenz zur Elektrosmogverordnung ab. Der Tenor der Kritik ähnelt der des BUNDs. Konkret fordern BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dem Vorsorgeprinzip und dem Minimierungsgebot müsse Geltung verschafft werden, ausreichende Sicherheitsabstände zu Wohnbebauungen oder Kindergärten seien festzulegen. Als Vorsorgezielwert wird für Magnetfelder 0,3 µT genannt und für den HF-Bereich Grenzwerte, die um den Faktor 10 unter den IRPA-Werten liegen.

Weiter wird eine "Kennzeichnungspflicht für elektrische und elektronische Produkte" gefordert. Eine "ganze Fülle technischer Maßnahmen" zur Reduktion von EMF-Belastungen sollte rechtlich vorgeschrieben werden, ebenso wie Emissions- und Immissionskataster.

Schließlich fordern BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Bundesregierung solle einen "ressortübergreifenden Forschungsschwerpunkt "Gesundheitsvorsorge bei elektromagnetischen Feldern"" auflegen, um "eklatanten Forschungslücken und sich widersprechenden Ergebnissen bisheriger Studien" zu begegnen.

Ausblick

Die Meinungen zum Thema Elektrosmog gehen weit auseinander. Zwischen den Vorsorgewerten der Verbände der Energiewirtschaft und den Vorsorgewerten von Umweltschutzverbänden und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt der Faktor 300!

Letztendlich ist zu erwarten, daß die Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzvereinigung (IRPA) auch in Deutschland als Grenzwerte im Sinne von Schutzwerten gültig werden. Vermutlich werden sich die Länder damit durchsetzen können, zusätzlich unter den IRPA-Werten liegende Vorsorgewerte in der Verordnung zu verankern.

Vor diesem Hintergrund erscheint die überraschend harte Linie der Verbände der Energiewirtschaft gegen die IRPA-Werte, die noch im März 1995 auf dem Kölner TÜV-Kongreß z. B. vom RWE als hinnehmbar bezeichnet worden waren, als rein taktisches Geplänkel, daß "Schlimmeres" verhindern soll.

Michael Karus

nova-Institut, Thielstr. 35, 50354 Hürth

[Zitierweise dieses Artikels: Karus, M.: Elektrosmog-Verordnung in der Diskussion. Elektrosmog-Report 1 (7), S. 5-8 (1995).]

Quellen:

  1. Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder), Bonn 17.5.1995.
  2. Gemeinsame Stellungnahme der Verbände der Energiewirtschaft (DVG, VDEW, VGB, VIK), Frankfurt 5.7.1995.
  3. Stellungnahme der AgV zum Verordnungsentwurf, M. Bobrowski, Bonn 7.7.1995.
  4. Stellungnahme des BUND (R. Jurisch, W. Kühling, K. Mast, B. R. Müller), Bonn 10.7.1995.
  5. Stellungnahme der Umweltbehörde der Stadt Hamburg, Hamburg 7.7.1995.
  6. Grüne Wellenbrecher im Elektrosmog, Pressemitteilung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bonn 10.7.1995.
  7. persönliche Mitteilungen von Ute Boikat (Amt für Gesundheit, Hamburg) und Prof. Jürgen Bernhardt (BfS).
 
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Kurzmeldungen
WHO-Experte zum Krebsrisiko

Die Wochenzeitschrift "Die Woche" interviewte Michael Repacholi, Beauftragter der Weltgesundheitsorganisation für EMF: "Sie sprechen von einem kleinen Effekt. Kann man schon eine untere Grenze für die Krebsrate angeben?"

"Nein. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache. Wir sind ständig Feldern ausgesetzt. Was die Studien also nur vergleichen können, sind Menschen, die schon belastet sind, mit anderen, die stärker belastet sind. Wir sehen nur eine kleine Erhöhung der Krebsrate, aber vielleicht ist das bloß die Spitze eines Eisberges. Bei den Vergleichsgruppen könnte schon eine krebsfördernde Wirkung eingesetzt haben. Ich will nicht sagen, daß es so ist. Aber es ist möglich." (Die Woche vom 8.9.1995).

Bundesverwaltungsgericht hält IRPA-Empfehlungen für ausreichend

Der Träger eines Wohnstiftes, in dem ausschließlich ältere Menschen wohnen, wandte sich aufgrund zu erwartender erhöhter EMF-Belastungen gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt III des Ausbaus der Bahnstrecke Hamburg - Büchen - Berlin. Das Verwaltungsgericht entschied wie folgt (Leitsatz): "Im Hinblick auf eine mögliche gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung elektrischer und magnetischer Felder einer Bahnoberleitung sind die Rechte Dritter nach dem derzeitigen Kenntnisstand jedenfalls dann gewahrt, wenn die Grenzwertempfehlungen der Internationalen Strahlenschutzassoziation (IRPA) eingehalten werden." Bemerkenswert ist, daß das Bundesverwaltungsgericht sich nicht auf die DIN/VDE-0848-Vornorm aus dem Jahre 1992 stützt, sondern sich auf die erheblich strengeren IRPA-Empfehlungen beruft.

Quelle: BVerwG: Elektrosmog bei Bahnstromleitung, Beschluß vom 2.8.1994 - 7 VR 3.94, in: Computer und Recht, S. 429 (1995)
 
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Computerprogramm zur Berechnung der EMF von Stromversorgungsleitungen

Die Forschungsgesellschaft für Energie- und Umwelttechnologie (FGEU) in Berlin hat ihr bewährtes Programmsystem zur Berechnung der E- und B-Felder von Energieversorgungsleitungen jetzt in überarbeiteter Form als Windows-Version mit hoher Benutzerfreundlichkeit vorgestellt. Das Programm ermöglicht in der Grundversion die Berechnung der Magnetfelder nach VDE 0848 von bis zu 500 Einzelleitern (Erdkabel, Freileitungen, Bahnoberleitungen usw.) unter Berücksichtigung variabler Geometrien (z. B. Leiterseildurchhang bei Freileitungen). Als Ausgabemöglichkeiten stehen u. a. Darstellungen als Äquipotentiallinien (2-dimensional) und als Surface-Plot (3-dimensional) sowie als ASCII-Tabelle zur Übernahme z. B. in Tabellenkalkulationsprogramme zur Verfügung. Zusätzlich zur Grundversion stehen Erweiterungsmodule zur Verfügung, die u. a. folgende Möglichkeiten bieten:

Rechneranforderungen: 486 DX-Prozessor, 8 MB RAM, 50 MB freier Festplattenplatz.

Bezug: FGEU mbH, Yorckstr. 60, D-10965 Berlin, Tel.: 030/7869799, Fax.: 030/7866389, Demoversion erhältlich.
 
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Forschungsprogramm von Motorola

Motorolas Forschungsprogramm zu biologischen Effekten infolge drahtloser Kommuniaktionstechnologien und insbesondere von Mobiltelefonen umfaßt zur Zeit mindestens sieben größere Projekte, von denen zwei von deutschen und eines von einem Forscher aus der Schweiz geleitet werden. Zusätzlich sponsert Motorola weitere Forschungsprojekte über seine Mitgliedschaft in verschiedenen Organisationen, darunter der deutschen Forschungsgemeinschaft Funk.

Motorolas laufende Projekte zu biologischen Effekten von EMF:
Projektleiter
Ort
Art
Fällig-
keit
Dr. Ross Addey
VA Medical Center, Loma Linda, USA
Tiere & 
Zellen
1996
Prof. Konstantin Hossmann
Max Planck Institut, Köln, D 
Tiere
1995
Prof. Marika Kiessling
Universität Heidelberg, D
Tiere
1995
Prof. Niels Kuster
ETH, Zürich, Schweiz
Dosi-
metrie
Ende
offen
Dr. Robert Morgan
Redwood City, USA
Epide-
miologie
?
Dr. Joseph Roti Roti
Washington Univ., St. Louis, USA
Tiere & 
Zellen
1996
Dr. Bernhard Zook
Washington Univ., Washington, USA
Tiere
1996
Quelle: Microwave News 15 (4), S. 5, (1995.
 
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Hypersensitivitäts-Konferenz

Der Bericht über die zweite Kopenhagener Konferenz zur Elektromagnetischen Hypersensitivtät im Mai 1995 ist nun erhältlich. Das 138 Seiten starke Buch besteht aus 23 Einzelbeiträgen und kostet 210 dänische Kronen (ca. 60 DM).

Bezug: Danish Association for the Electromagnetically Hypersensitive, c/o Aase Thomassen, Lunden 1, Aalum, DK-8900 Randers, Dänemark. 


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